Mit der Prozentrechnung haben es viele Deutsche nicht so. Weshalb gerade im Marketing für überflüssige Produkte nur zu gern mit Prozentzahlen gearbeitet wird, die den Käufern wissenschaftliche Genauigkeit suggerieren. Aber da sich die Leute so leicht austricksen lassen, wird nicht dazu gesagt, auf was sich die Prozentwerte beziehen. Und das Thema betrifft auch den Umgang mit Mietbelastungen. Bislang wiegelte auch Leipzigs Verwaltung gern ab, was die Höhe der Leipziger Mietbelastung betraf.
Doch im Amt für Statistik und Wahlen hatte man mit diesem Kleinreden so seine Probleme. Denn wenn man die Mietbelastungsquote nicht in Bezug zu den realen Einkommen der Leipzigerinnen und Leipziger setzt, macht der Prozentwert keinen Sinn. Er verrät nämlich nicht, was die Betroffenen am Ende tatsächlich noch an Geld zum Leben zur Verfügung haben.
„Besonders aufgrund eines im Deutschlandvergleich eher niedrigen Einkommensniveaus stellen die Mieten für die Leipzigerinnen und Leipziger eine vergleichsweise hohe Belastung dar.“ Zu diesem Schluss kommt nun eine Auswertung des Amtes für Statistik und Wahlen in der Reihe „Analysen zur Stadtgesellschaft“.
Was am Ende übrig bleibt
In Leipzig wenden die Miethaushalte durchschnittlich 24,5 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete auf. In München liegt dieser Wert bei 30,5 Prozent, deutschlandweit bei 27,8 Prozent. Doch dies bedeutet nicht, dass Leipziger Miethaushalte finanziell überdurchschnittlich gut dastehen, stellt das Amt für Statistik und Wahlen klar. Denn blickt man auf den Geldbetrag, der nach Zahlung der Miete für die Haushaltsmitglieder zum Leben übrigbleibt, stellt sich die Situation ganz anders dar. Das so genannte Resteinkommen liegt beispielsweise in München bei 2.761 Euro, in Leipzig dagegen nur bei 1.620 Euro.
Die Gründe dafür sind das unterschiedliche Einkommensniveau und das Lohngefälle. Die weiteren Lebenshaltungskosten – abgesehen von der Miete – sind in München nicht wesentlich anders als in Leipzig. Einkäufe im Internet, Lebensmittel aus Discountern, Modeketten oder Eigenmarken von Supermärkten haben deutschlandweit vergleichbare Preise.
Der Beitrag des Amtes für Statistik und Wahlen untersucht entsprechend das so genannte „reale Nettoäquivalenz-Resteinkommen“, das bei Mieterinnen und Mietern in Leipzig von 1.045 Euro im Jahr 2021 auf 1.000 Euro im Jahr 2022 gesunken ist. Für Städte- und Regionalvergleiche und um gegebenenfalls wohnungsmarktpolitische Instrumente zu etablieren, sollte jedoch nicht nur das Resteinkommen, sondern auch die jeweilige Haushaltsgröße berücksichtigt werden: Wohnen mehrere Menschen gemeinsam, können sie auch einige Produkte und Waren des täglichen Bedarfs gemeinsam nutzen und somit sparen. Zudem beeinflusst die Inflation der sonstigen Verbraucherpreise die soziale Situation der Mieterinnen und Mieter.
Einkommensschwache Leipzigerinnen und Leipziger haben demnach schon vor den Preissteigerungen im Zuge des Ukrainekrieges an Kaufkraft eingebüßt und tragen zunehmende finanzielle Lasten.
Das Problem wird deutlicher, wenn Andrea Schultz in ihrem Beitrag schreibt: „Der Gesetzgeber erwartet einen angespannten Wohnungsmarkt immer dann, wenn die Mietbelastungsquote den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt. Dieser Befund kann für Leipzig nicht getroffen werden.“
Und so können sich dann auch zuständige Minister herausreden und Städten wie Leipzig Instrumente verweigern, den Mietanstieg zu bremsen. Ist ja alles nicht so schlimm. Leipzig geht’s doch noch besser als München.
Wenn Mietsteigerung auf niedrige Einkommen trifft
Auch so kann man Politik auf dem Rücken der schlecht Bezahlten machen.
Oder wie Andrea Schultz schreibt: „Die Leipziger Bruttokaltmietbelastung liegt jedoch nicht nur unterhalb des deutschlandweiten Durchschnittswerts, sondern auch unter allen Werten der in Abb. 6 (siehe ganz oben) aufgeführten Vergleichsstädte. Die Leipzigerinnen und Leipziger wenden im Großstadtvergleich folglich im Mittel den geringsten Anteil ihres Haushaltseinkommens für die Miete auf. Dieser Befund bedeutet jedoch nicht, dass sich die Leipziger Miethaushalte in einer überdurchschnittlich guten finanziellen Lage befinden. Denn wie Abb. 7 darlegt, befinden sich die Leipziger Haushalte in einer vergleichsweise ungünstigen Einkommenssituation. Das Leipziger Nettoäquivalenzeinkommen liegt unterhalb des deutschen Mittelwertes und auch unterhalb fast aller aufgeführten Vergleichsstädte.“
Sie wird noch viel konkreter: „Hanslmaier, Kaiser, & Müller (2023) haben für die Stadt München ein Resteinkommen von 2.761 Euro (Median, 2021) ermittelt. In Leipzig liegt das Resteinkommen mit ca. 1.620 Euro deutlich niedriger. Leipziger Miethaushalte verfügen folglich – nach Mietzahlung – um 1.145 Euro weniger Einkommen als die Münchner Haushalte. Auf Grundlage der deutlich höheren Mietbelastungsquote in München zu schlussfolgern, dass die soziale Belastung für Leipziger Mieter/-innen geringer als in München ausfiele, wäre folglich irreführend.“
Die Untersuchung steht im Internet auf der Seite www.leipzig.de/statistik in der Rubrik Analysen zur Stadtgesellschaft.
Keine Kommentare bisher