Burkhard Jung liebt die kleine Schnecke auf der Türklinke des Neuen Rathauses. Leipzigs OBM macht dazu gern Scherze, bringt zur Langsamkeit der Schnecke auch ihre Verlässlichkeit ins Spiel. Irgendwann kommt die Verwaltung doch ans Ziel. Und wenn es Jahre dauert. Im Fall des Solardachkatasters so ungefähr sieben Jahre. Am Donnerstag, 11. April, stellten die Bürgermeister Heiko Rosenthal und Martin zur Nedden das fertige Produkt der Presse vor.
Man findet es im Internet unter www.solardachkataster.leipzig.de. Es basiert auf der von der Stadtverwaltung verwendeten digitalen Stadtkarte, verbunden mit Luftbildern, die in den Jahren 2010 und 2011 gemacht wurden. Aus Letzteren können die notwendigen Daten gewonnen werden, um die Eignung der verfügbaren Dächer für den Bau von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen zu berechnen. Die Aufgabe hat das von der Stadt beauftragte Büro IP Syscon übernommen.
Wer die Karte aufruft, sieht zwar erst einmal nur große orange Flächen. Aber die Sache wird konkreter, wenn man eine Straße als Suchaufforderung eingibt. Dann erscheinen die Straßenzüge mit den angrenzenden Gebäuden zumeist in den Farben Rot oder Orange (bei Solarthermie) bzw. Rot, Orange und Gelb (Photovoltaik). Zumeist gibt es dahinter dann in den verschatteten Innenhöfen auch noch die Farbe Blaugrau. Das sind die Dachflächen, die für Energiegewinnung aus Solarkraft überhaupt nicht geeignet sind. Die beiden Button Solarthermie/Photovoltaik findet man rechts oberhalb der Karte. Die Unterscheidung ist wichtig, den nicht jedes Dach ist auch in gleichem Maße für die Gewinnung von Strom aus Solarenergie (Photovoltaik) oder Wärme für Warmwasser oder Heizung aus Solarthermie geeignet.
Solaranlage ist nicht gleich Solaranlage. Bislang sähe man augenscheinlich in der Energiewende vor allem eine Stromenergiewende, merkt Sven Börjesson, Leiter Sachgebiet Umwelt- und Transferzentrum der Handwerkskammer zu Leipzig an. “Aber wir raten dazu zu prüfen, ob sich das Einbringen einer Anlage für Solarthermie mehr lohnt. Denn wir verbrauchen wesentlich mehr Energie zur Erzeugung von Wärme und Warmwasser als durch Strom.”
Natürlich saß die Handwerkskammer an dem Tag mit am Tisch, denn umsetzen müssen das Programm ja Profis. Drei Gewerke sind beteiligt, betont Börjesson: Dachdecker, Elektriker, Heizungstechniker. Und Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal merkt noch an: “Umweltschutz ist Wirtschaftsförderung.”
Und zwar richtige, kann man noch anmerken. Für die Leipziger Solarspezialisten sogar richtig viel Arbeit, wenn das digitale Solarkataster die Wirkung entfaltet, die sich Rosenthal wünscht. Endlich gibt es auch Zahlen, wie viel in Leipzig an Sonnenkraftwerksfläche auf den Dächern möglich ist: 4.062.569 Quadratmeter sind nach den Analysen von IP System sehr gut für die Installation einer Solaranlage geeignet. Zumindest, was Einstrahlungsdauer und Einfallwinkel der Sonnenstrahlen betrifft. Mehr ist für den Besucher der Seite erst einmal nicht sichtbar. Für Hausbesitzer gibt es noch mehr Service. Sie können nämlich das kleine Info-Symbol im Kopf der Seite anklicken und bekommen dann zu dem von ihnen ausgewählten Gebäude ein Anzeige mit dem entsprechenden Solarpotenzial mit den ersten Angaben zur geeigneten Dachfläche und dem möglichen Einsparpotenzial in Kilowattstunden, aber auch in eingespartem CO2. Hier bekommen sie auch die Kontaktdaten, an die sie sich direkt wenden können, um die detaillierten Angaben zu ihrem Gebäude, der Wirtschaftlichkeitsberechnung und den Amortisationsraten zu bekommen.
“Das ist natürlich wegen des Datenschutzes”, sagt Baubürgermeister zur Nedden.
“Unsere Hauptansprechpartner sind die Hausbesitzer in dieser Stadt”, betont Heiko Rosenthal. Die Stadt selbst, die für gewöhnlich immer als Vorreiter auch bei solchen Dingen gefragt sei, verfüge nur über 0,1 Prozent der in Frage kommenden Flächen. “Der Löwenanteil sind Gebäude in Privatbesitz”, betont Rosenthal. Und hat auch Zahlen dabei. 133.771 Gebäude wurden für das Solarkataster bewertet. Davon sind 71.326 geeignet zum Bau einer Solaranlage auf dem Dach. “Ein Riesenpotenzial”, betont Rosenthal, der bei dieser Gelegenheit auch daran erinnert, dass Leipzig sich das Ziel gesetzt hat, das CO2-Aufkommen pro Einwohner bis 2050 auf bzw. unter 2,5 Tonnen pro Jahr zu drücken. Aktuell sind es rund 5,6 Tonnen (Wert von 2008), 2020 will Leipzig den Wert schon mal auf 4,47 Tonnen drücken.
Bislang sind in Leipzig ganze 945 Solaranlage installiert. Rosenthal: “Das ist lächerlich wenig im Vergleich.”
Ganze 1,8 Prozent des Leipziger Stroms werden bislang mit Photovoltaik-Anlagen erzeugt, was ungefähr 1.290 MWh entspricht. Das Potenzial, so Rosenthal, läge bei 1 Million MWh. Der meiste Strom aus erneuerbaren Energien wird bislang nach Leipzig importiert, so dass Solarstrom am Leipziger Strommix derzeit 11,7 Prozent ausmacht.
Ganz ähnlich das Bild bei Solarthermie: Nur 0,9 Prozent der in Leipzig genutzten Wärme wird mit Solaranlagen erzeugt, was ungefähr 3.142 MWh entspricht.
Das, so Rosenthal, sei natürlich ausbaubar. Und er hoffe darauf, dass Leipziger Hausbesitzer das Kataster jetzt rege nutzen würden.
Selbstverständlich können Eigentümer oder Erbbauberechtigte ihr Gebäude aus dem Solardachkataster löschen lassen, betont die Stadtverwaltung. Entsprechende Anträge seien formlos schriftlich unter Angabe der Adresse des Objektes an die Stadt Leipzig, Amt für Geoinformation und Bodenordnung, 04092 Leipzig, oder per Mail an solardachkataster@leipzig.de oder per Fax: (0341) 123-5015 zu richten.
Nicht jedes Dach, das jetzt Rot oder Orange leuchtet, wir freilich auch in vollem Umfang zur Gewinnung von Solarenergie genutzt werden können. “In manchen Fällen steht der Denkmalschutz dem entgegen”, betont Martin zur Nedden. Rund 15.000 Gebäude sind in Leipzig denkmalgeschützt – auch das schöne Neue Rathaus, das auf der Karte in freundlichem Orange leuchtet, während das Alte Rathaus mit seiner Nord-Süd-Ausrichtung nur bedingt zur Gewinnung von Solarstrom geeignet ist. Im Einzelfall braucht es also Beratung auch vom Denkmalschutz her.
Viel besser ginge das natürlich auf all den in den letzten Jahren erbauten Flachdächern. Aber der Blick zu den “Höfen am Brühl” im Solarkataster wird zur Enttäuschung. Die waren 2010 noch nicht mal im Bau. Wesentlich jünger sind ja die Aufnahmen von Google Maps. Sie stammen aus dem Sommer 2012. Da stehen die “Höfe” zwar. Aber das Dach ist eine einzige Lagerstätte von Baumaterialien.
Und die fachliche Prüfung, ob ein Dach auch vom baulichen Zustand her für den Aufsatz einer Solaranlage geeignet ist, müssen dann sowieso die dafür spezialisierten Handwerksfirmen vornehmen. Ohne ausführliche Beratung geht es nicht. Aber die Handwerkskammer hat für alle, die Bedarf an ökologischen Baudienstleistungen haben, eine eigene Website eingerichtet:
Man findet das Solardachkataster unter:
www.solardachkataster.leipzig.de
Tipp:
Der Verein für ökologisches Bauen Leipzig e.V. lädt am Samstag, 27. April, zu einer Besichtigung der Solaranlagen auf dem Haus der Demokratie ein. Treffpunkt ist um 10 Uhr vor dem Haupteingang des Hauses (Bernhard-Göring-Straße 152). Der 27. April ist der 18. Tag der erneuerbaren Energien 2013 (27. Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl). Die Führung führt zur 30 kWp Photovoltaikanlage (Eigenverbrauchsanlage) und der 19 m² thermische Solaranlage auf dem Dach des Hauses. – Eine Anmeldung ist erwünscht bis zum 22.April unter Tel. (0341) 3065100 oder info@hddl.de.
Keine Kommentare bisher