Eine alte Autofahrerzeitung titelte dieser Tage schon mal von „Zeitenwende“. Als hätte der Umbau der LVB-Busflotte nicht einen jahrelangen Vorlauf gehabt und die Fertigstellung des so wichtigen Busports in Lindenau nicht sogar ein halbes Jahr Verspätung. Aber vielleicht fällt ja so langsam der Groschen, dass motorisierte Mobilität künftig elektrisch ist. Und zwar nicht erst 2035.

Natürlich wirkt die große Halle, die seit einem Jahr auf einer vormals gepflasterten Fläche am Busbahnhof in Lindenau hochgezogen wurde, futuristisch auf Leute, die mit Tanksäulen und Auspuffgerüchen groß geworden sind. Die Pläne der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), ihren Busfuhrpark komplett auf elektrische Motoren umzustellen, sind über zehn Jahre alt.

Nur gab es damals keine Elektrobusse in Serienfertigung, die man als Nahverkehrsunternehmen einfach so bestellen konnte. Die Hersteller experimentierten noch. Die Batterien waren noch nicht leistungsfähig genug. Und das Problem mit dem Aufladen der schweren Fahrzeuge war auch noch nicht geklärt.

Denn man hängt so einen Bus nicht einfach an die Steckdose. Das würde viel zu lange dauern. Erst recht tagsüber, wenn der Bus im Linienbetrieb ist. 2016 startete in Leipzig der erste Testbetrieb mit einem solchen – umgebauten – E-Bus auf der Strecke der Linie 89. Vorbereitet seit 2013.

Seit 2021 elektrisch auf den Linien 89 und 74

Die Leipziger/-innen konnten quasi zuschauen, wie eine Technik langsam zur Marktreife entwickelt wurde. Weil es richtige Stadtbusse mit reinem E-Antrieb noch nicht gab, wichen die LVB vorerst auf Hybrid-Busse aus, die wenigstens Teilstrecken mit Elektromotor fahren konnten. Erst 2020 war es so weit und sie konnten die Bestellung für die ersten rein elektrischen Stadtbusse von VDL auslösen.

Ihr Probebetrieb auf Linie 89 begann im Mai 2021. Da war die geplante Ladeinfrastruktur zwar an den Endstellen der Linien 74 und 89 schon installiert. Aber das eigentliche Herzstück fehlte noch: der zentrale Busport in Lindenau, wo die Fahrzeuge nachts alle einrücken, die Stromabnehmer ausfahren und über Nacht bis zum Ausrücken um 4:30 Uhr in der Frühe langsam aufladen.

Blick in den Busport Lindenau mit den Ladeeinheiten für bis zu 50 Busse an der Decke. Foto: Ralf Julke
Blick in den Busport Lindenau mit den Ladeeinheiten für bis zu 50 Busse an der Decke. Foto: Ralf Julke

Eigentlich sollte der Busport im Dezember 2021 fertig sein. Aber wie das derzeit mit der Verfügbarkeit von Baustoffen und Bauteilen so ist – das Projekt dauerte am Ende doch länger. Am Dienstag, 28. Juni, konnte endlich die Eröffnung des 11 Millionen Euro teuren Busports gefeiert werden.

Noch nicht mit voller Halle, denn die aktuell verfügbaren E-Busse waren ja noch fast alle im Einsatz. Aber nachts wird es hier voll, kann Torsten Schmidt, der Projektleiter Elektrobus bei den LVB, berichten, dann rollen die Fahrzeuge auf die markierten Flächen in der neu errichteten Halle, direkt unter die Ladeeinrichtung, und fahren die Stromabnehmer aus.

Nachts wird langsam aufgetankt

Und dann wird mit 50 kW über Nacht die Batterie vollgeladen. Man könnte die Ladegeräte bei Bedarf auch auf 100 oder 200 kW hochfahren, erzählt Schmidt. Aber das sei gar nicht nötig. Anders sei es mit den Ladesäulen auf der Strecke, wo die Fahrzeuge im Tagesbetrieb ihre Batterien sehr schnell wieder aufladen können.

An diesen Schnellladestationen dauern die Ladevorgänge dann mit 320 kW nur etwa 5 bis 6 Minuten. Was vor zehn Jahren noch problematisch erschien, hat sich mit dieser Ladestruktur und den verbesserten Batterien gelöst. „Wir haben kein Reichweitenthema mehr“, sagt Schmidt.

Und kann zufriedene Fahrer/-innen genauso zitieren wie Fahrgäste, die das Fahren mit den E-Bussen wesentlich angenehmer finden als im Dieselbus. Ruhiger vor allem. Und moderner.

Der Busport in Lindenau bietet aber nicht nur 21 E-Bussen Platz, sondern ist auf die Unterbringung von 50 Bussen ausgelegt. Die nächsten sind schon bestellt und sollen noch in diesem Jahr in Leipzig eintreffen – diesmal 18 Gelenkbusse, die dann ab 2022 auf der Linie 60 in Einsatz kommen sollen.

Und auch dabei soll es nicht bleiben, denn das Ziel der LVB, die ja auf Gleisen seit 1896 vollelektrisch fahren, ist auch die Komplettumstellung des Busparks auf Elektromobilität. Der Bushof in Lindenau soll entsprechend ausgebaut werden, sodass bis 2026/2027 dann 100 Elektrobusse auf Leipzigs Straßen rollen können.

Umweltfreundlich, betont Ronald Juhrs, der technische Geschäftsführer der LVB. Denn nicht nur haben die Busse keine Emissionen im Fahrbetrieb, sie werden auch mit 100 Prozent Öko-Strom aufgeladen. Und sie sind energieeffizienter, betont er.

Denn während klassische Dieselbusse 36 bis 38 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbrauchen, entspricht das Strom-Äquivalent, das die E-Busse benötigen, gerade einmal 12 Liter auf 100 Kilometer.

Was natürlich an der Technologie liegt, denn der Strom wird ja praktisch komplett in Bewegungsenergie umgewandelt, während der größte Teil der im Diesel steckenden Energie in Wärme verwandelt wird. Verbrenner sind, was die Energieeffizienz betrifft, geradezu altertümliche Gefährte.

Und auch die Befürchtung, die E-Busse könnten öfter in der Werkstatt landen, hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Sie brauchen sogar weniger Wartung. Und sie sind, so Juhrs, seit ihrer Inbetriebnahme vor einem Jahr, schon über 600.000 Kilometer gefahren.

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