Ultras bei RB Leipzig? Undenkbar. Von wegen. Die "Red Aces" könnten zur Revolte innerhalb einer verwegenen Fankultur beitragen. Sie verstehen sich als "Rasenballisten" und wollen als solche ihren Fanblock nicht einfach dem allgegenwärtigen Sponsor überlassen, sondern eine Kurve schaffen, "die Leipzig supportet". Mit dieser kritischen Meinung ecken sie in RB-Kreisen auch an. L-IZ.de hat sich mit der jungen Gruppe getroffen.
Pyrotechnik, Gewalt, Polizei. Spricht man über Ultras, fallen zwangsläufig diese drei Schlagwörter. Die Extremfans, die ihren Verein im Stadion mit Schlachtgesängen, Fahnen und bunten Choreografien unterstützen, stehen vor allem wegen ihrer Schattenseiten im Fokus des andauernden Sicherheitsdiskurses im deutschen Profifußball. Kaum eine Gruppe lehnt Gewalt ab. Konspirative Verabredungen zu Wald- und Wiesenschlägereien gehören ebenso zum festgefahrenen Ultra-Repertoire wie Angriffe auf Fans verhasster Vereine. Nicht nur spieltags.
In Leipzig können Beobachter wie Beteiligte hiervon mehrstrophige Lieder singen. Die Anhänger von BSG Chemie und 1. FC Lokomotive bekämpften sich in der Vergangenheit bis auf’s Messer. Anhänger beider Lager wurden Opfer teils schwerster Gewalttaten. Ausgerechnet Fans von RB Leipzig könnten dazu beitragen, die verhärtete Fankultur in der Messestadt nachhaltig umzukrempeln.
Niko, Niklas und Graham gehören zu den “Red Aces”. Ein Fanclub mit etwa 20 Mitgliedern. Dazu kommt ein Umfeld von 25 – 30 RB-Anhängern. Im Vergleich zu den Riesen “L.E. Bulls” (ca. 150 Mitglieder) und “Bulls Club” (ca. 300 Mitglieder) eigentlich ein Nischenprodukt. Aber: “Wir haben eine sehr kritische Einstellung zu der Sache”, berichtet Graham. Mit der “Sache” meint er seinen Verein. Sich selbst bezeichnet er als “Rasenballist”. “Rasenballismus heißt, die Kurve nicht Red Bull zu überlassen, sondern eine Leipziger Kurve zu kreieren. Also eine Kurve, die Leipzig supportet.” Mit anderen Worten: Die Stadt steht im Zentrum, nicht der Sponsor. Dies haben die Rasenballisten in einem eigenen Manifest ausdefiniert.
Eine Meinung, die längst nicht alle RB-Supporter teilen. “Wir polarisieren, wir ecken an”, findet Graham, der das Konzept entworfen hat. “Nicht wenige sehen uns kritisch und sagen, ohne Red Bull gäb’s das Alles nicht. Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn Red Bull sein Sponsoring einstellt?” Für ihre differenzierte Haltung gehen die “Red Aces” sogar auf Distanz zu ihrem Verein. Die Gruppe ist nicht als “Offizieller Fanclub” (OFC) registriert, verzichtet bewusst auf Vorteile wie verbilligte Tickets. “Ich sehe in den Privilegien zurzeit kaum Vorteile”, sagt Niko. Die Jungs stört, dass ein OFC dem Verein als verlängerter Arm dient. “Für mich muss ein Fanclub die Interessen der Fans gegenüber dem Verein vertreten und nicht anders herum”, meint Graham. “Du musst nicht für etwas einstehen, wo du nicht dahinter stehst. Wir wollen uns nicht in ein Korsett zwängen lassen.”
“Man hat ein bisschen mehr Freiheit”, ergänzt Niklas. “Gleichwohl suchen wir den Dialog mit Vereinsvertretern. Die Offiziellen wissen das offenbar zu schätzen, genehmigten den “Red Aces” das Aufhängen ihrer Zaunfahne. Dies ist insofern interessant, dass die Gruppe sich als “ultraorientiert” versteht. Allerdings unter Verzicht auf Pyrotechnik und Gewalt. “Wir sehen Bengalos durchaus als Stilmittel”, erklärt Graham. “Allerdings wäre die Verwendung bei RB, wenn überhaupt, nur in einer Kooperation mit Verein und Behörden denkbar.”
Zurzeit spielen die “Red Aces” in der Fankurve nur eine untergeordnete Rolle. “Wir wollen uns nicht größer machen als wir sind”, so Graham. “Dennoch haben die Red Aces die Kurve merkbar mitgestaltet.” Das Schattendasein könnte sich jedoch rasch ändern, wenn die Rasenballer höherklassigen Fußball spielen und mehr Zuschauer anlocken. Auch, weil die Gruppe für jugendliche Fans attraktiv sein könnte. Man darf gespannt sein auf das, was sich in den kommenden Jahren in der Fankurve entwickeln wird.
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