Sächsische Behörden ticken noch immer wie im 20. Jahrhundert. Und nicht nur die in Sachsen. Man muss ja nur in den Dannenröder Forst schauen, wo Umweltaktivisten verzweifelt versuchen, den Bau der A49 mitten durch das Waldgebiet zu verhindern. Doch selbst in Zeiten, wo unsere Wälder akut vom Klimawandel gestresst sind, planen Behörden noch immer rücksichtslos drauflos und ignorieren die Einsprüche der Umweltverbände. Ein Beispiel aus Meißen bringt jetzt den NABU Sachsen auf die Palme.

Eigentlich ist die Gesetzeslage klar. Aber immer wieder erleben Naturschutzverbände dasselbe tragische Spiel, wie ihr Mitwirkungsrecht ausgehebelt wird und Ämter sich die Gesetze zurechtlegen, wie es ihnen gefällt. Da wird dann eben auch schnell mal eine Straße durchs Naturschutzgebiet gebaut.

Bei Eingriffen in Schutzgebiete müssen der NABU Sachsen und die weiteren anerkannten Naturschutzvereinigungen an den Verfahren beteiligt werden, stellt der NABU Sachsen fest. Doch in Meißen befand man das nicht für zwingend.

Diesmal war es die Landkreisverwaltung des Landkreises Meißen, die die Mitwirkungsrechte missachtete. Sie ließ, ohne die Verbände einzubeziehen, im Frühjahr 2019 ein Breitbandkabel verlegen und den bestehenden Waldweg als Straße ausbauen.

So wurden standortfremde Materialien 30 bis 40 Zentimeter hoch aufgeschüttet und mit einer Schottertragschicht aus Grauwacke und einer fünf bis zehn Zentimeter hohen Porphyrsplittschicht verdichtet. Widersprüche des NABU Sachsen, nachdem dieser Kenntnis von dem Bau erhalten hatte, wurden nicht berücksichtigt, teilt der Verband nun mit.

„Unsere Aufgabe ist es, der Natur zu ihrem Recht zu verhelfen. Wenn wie im vorliegenden Fall gegen das Gesetz verstoßen wird, dann müssen wir reagieren“, erklärt Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen. „Dazu gehört auch, dass der Weg gesperrt und die Nutzung untersagt werden muss, bis hierfür eine Fauna-Flora-Habitat-Verträglichkeitsprüfung sowie ein Planfeststellungsverfahren mit entsprechender Beteiligung durchgeführt wird.“

Aus diesen Gründen hat der NABU Sachsen nun eine Anwaltskanzlei mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut. Diese machte gleich mehrere Rechtsverstöße geltend. Unter anderem erfordert der Ausbau einer sogenannten sonstigen Straße innerhalb der Kulisse der NATURA 2000-Gebiete und eines Naturschutzgebietes die vorherige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens und einer Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der dahingehenden Verbandsbeteiligung.

Doch dass auf den betroffenen Flächen der Städte Großenhain und Gröditz sowie der Gemeinden Glaubitz, Nauwalde, Röderaue und Wülknitz im Landkreis Meißen mehrere Schutzgebiete nach nationalem und europäischem Naturschutzrecht liegen, interessierte bei der Bewilligung anscheinend niemanden, so der NABU. Konkret handelt sich um das Naturschutzgebiet „Röderauwald Zabeltitz“, das Landschaftsschutzgebiet „Mittlere Röderaue und Kienheide“, das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Röderaue und Teiche unterhalb Großenhain“ sowie das EU-Vogelschutzgebiet „Unteres Rödertal“.

Der NABU Sachsen erwartet nun eine rasche Reaktion der Behörden.

Was freilich am Denken in den Behörden noch nichts ändert, denn die Liste der Bauprojekte, bei denen die simpelsten Mitwirkungsrechte einfach ignoriert wurden, wird immer länger. Die Behörden und Bauträger empfinden die Einsprüche der Naturschutzverbände meist einfach als lästig und fühlen sich selbst nicht als amtliche Verwalter der zu schützenden Naturgüter.

Die Landschaft wird immer weiter zerstückelt. Die Artenvielfalt schwindet. In Zeiten des überall spürbar werdenden Klimawandels ein fataler Vorgang, der eben auch davon erzählt, wie schwer sich Ämter und Behörden tun, die Dramatik der Veränderung überhaupt zu begreifen und ihr angelerntes Verhalten zu ändern.

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Es gibt 2 Kommentare

Es gibt einen Verein in Sachsen, der es, wie auch immer, schafft, (fast) jede seiner Klagen zu gewinnen, der NABU war es nicht…

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