Da hilft dann nur noch nachfragen, nachfragen, nachfragen. Keine Statistik passt zur anderen, jeder definiert seine Erhebungsmengen anders. Das ist auch beim Personal des Landes Sachsen so. So sehr, dass die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag fast verzweifelte, als sie die jüngste Statistik des Statistischen Landesamtes zum Personal des Freistaats las. War zwar nur das Jahr 2012 - aber die Zahlen passten nicht.
78.610 Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Landes wies diese Statistik aus. Da war dann doch ein deutlicher Abstand zu der Zahl von 85.542 Bediensteten, die im Stellenplan für 2012 ausgewiesen wurden.
Aber die Zahlen sind nicht vergleichbar. Wären es auch nicht, wenn man die Krankenhäuser und Universitätskliniken wieder hineinrechnen würde, die Finanzminister Georg Unland (CDU) seit diesem Jahr nicht mehr in die Zahl der Landesbediensteten einrechnet. Die Uni-Kliniken sind zwar den Landes-Universitäten angegliedert, werden aber vorrangig über die Kassenbeiträge der Versicherten finanziert. Also fallen die rund 1.500 Stellen in diesen Kliniken nicht in den Finanzierungsbereich des Landes Sachsen.
Trotzdem wirken die 78.610 vom Landesamt für Statistik genannten Beschäftigten extrem wenig. Hat die schwarz-gelbe Regierung tatsächlich schon derart radikal gekürzt und gestrichen beim Personal?
Aber der Prozess scheint schleichender zu passieren. In seiner Antwort auf die Kleine Anfrage von Eva Jähnigen betont Sachsens Finanzminister Georg Unland nun, dass das Personalsoll im sächsischen Stellenplan auf keinen Fall mit Vollzeitäquivalenten verglichen werden dürfe. Es ist also eher kein Personalsoll, sondern ein Stellensoll. Als besetzt gilt die Stelle auch dann, wenn sie nur teilweise besetzt ist.
Was aber ist nun aus Unlands Sicht das Landespersonal, das er zählen will?
Neben dem Kernhaushalt (66.976 Stellen) und den Staatsbetrieben (9.334 Stellen) gehören noch die Hochschulen hinzu – aber auch da nicht alles, denn statistisch ist das Hochschulpersonal ja um tausende so genannte “nebenberufliche” Stellen aufgebläht. Wenn man nur die Vollzeitstellen nimmt, kämen da also noch einmal 7.057 Personen hinzu, von denen wir aber 1.018 Personen abziehen müssen, weil sie an den beiden Universitätskliniken beschäftigt sind. Bleiben 6.039 Hochschulbeschäftigte. Eine Zahl, die man sich durchaus merken darf, denn das ist die Verfügungsmasse, aus der Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer die von ihr angewiesenen 1.042 Stellen herausoperieren möchte.
Man könnte es durchaus Wahnwitz nennen, wenn uns der FDP-Fraktionsvorsitzende Holger Zastrow nicht gerade so schön erklärt hätte, dass das eine Methode ist: Erst mal wegstreichen und dann gucken, was noch wächst.
Wenn man die Zahlen so nimmt – 66.976 plus 9.334 plus 6.039, dann hat die sächsische Staatsregierung einfach schon über das Nichtbesetzen von Stellen seit 2009 das Landespersonal eingedampft auf 82.349 Stellen. Von ursprünglich rund 85.000 im Jahr 2010.
Wahrscheinlich wird nicht nur Georg Unland in nächster Zeit immer noch weiter erzählen, man passe ja das Personal weiterhin nur dem Personalbesatz in westdeutschen Flächenländern an. Bis irgendwann ein Staatssekretär vorsichtig fragt, ob die Bezugsgrößen überhaupt stimmen. Etwa bei der Polizei, wo offiziell noch immer von 13.900 Polizisten getönt wird – doch schon 2013 war die offizielle Zahl nur noch 13.013, davon nur 11.235 Beamte – als Polizisten. Der Rest waren Arbeitnehmer und ein paar Teilzeitbeschäftigte. Selbst in den gern so knackig hingeworfenen Zahlen steckt überall schon heiße Luft. Oder lauwarme.
Man erschreckt die Öffentlichkeit gern mit der Behauptung, wie viele Landesbedienstete der arme Finanzminister bezahlen muss. Aber in Hochschulen, Schulen, Polizei – überall stecken schon wattige Bereiche drin, wo der Freistaat schon seit Jahren emsig spart. Bei der Justiz geht das munter so weiter und bei der Finanzverwaltung ist es nicht anders. Und die Sachsen, die von all diesen Einrichtungen Dienstleistungen abfragen, wundern sich zumeist gar nicht mehr, dass ihre Anliegen liegen bleiben, weil der Apparat längst überlastet ist.
Und noch etwas ergab Eva Jähnigens Anfrage: In sensiblen Bereichen sind heute schon hunderte Stellen nicht besetzt, die erst in diesem Jahr oder den nächsten Jahren “gestrichen” werden sollten. Die Personalpläne sind ja gespickt mit “kw”-Vermerken. Vorsichtig hatte Eva Jähnigen nur nach nicht besetzten Stellen in den obersten Dienstgraden gefragt.
Aber Georg Unland war diesmal spendabel und hat ihr auch verraten, dass man auch weiter unten, wo die Arbeit getan werden muss, schon munter am Abbau ist. Man will ja irgendwie hin zu diesen irrsinnigen 70.000 Landesbediensteten, die dann wahrscheinlich so effizient arbeiten, dass man sie nur noch im Sprint über die Flure wetzen sieht. Achja: Flexibel müssen sie außerdem sein. Dafür sorgt der “ressortübergreifende Arbeitsmarkt”, der die “Deckung des Personalbedarfs vorrangig innerhalb der Staatsregierung ermöglicht”. Wer sich irgendwie nicht ausgelastet fühlt, wechselt dann einfach das Ressort. In Sachsen ist alles möglich.
Aber die Antwort von Georg Unland lässt auch ahnen, dass man sich da zwar sehr verliebt hat in den “Transparenten Internen Arbeitsmarkt Sachsen”, liebevoll TRIAS abgekürzt. Aber selbst Stellen, deren Inhaber gerade im Babyjahr sind, werden nicht wieder besetzt. Auch nicht vorübergehend.
Unland erzählt in seiner Antwort noch von ein paar anderen Instrumenten aus dem privaten Controllerwesen, die er eingebaut hat in die Personalpolitik des Landes: Personalausgabenflexibilisierung zum Beispiel, Personalverwaltungsprogramm (PVS), das “besondere Berechnungsverfahren zur Ermittlung des Personalbedarfs der Gerichte und Staatsanwaltschaften” (PEBB§Y) oder das Projektportfoliomanagement (PPM). Da werden sich etliche Landesbedienstete tagtäglich veralbert fühlen, weil sie wie Fließbandarbeiter eingetaktet werden, die nicht krank, nicht schwanger, nicht müde werden dürfen. Und wenn doch, bleibt die Arbeit eben liegen. Puffer oder Ersatz gibt es keinen.
Und auch bei den nicht besetzten Stellen geht das Spiel so weiter. Gezählt werden nur volle unbesetzte Stellen. Stellen, die anteilig besetzt sind, werden nicht als frei gezählt.
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Also gibt’s tabellarisch nur die Übersicht über die vollen unbesetzten Stellen. So erfährt man, dass von 17 unbesetzten Stellen in der Polizeidirektion Leipzig nur fünf für eine Nachbesetzung reserviert sind. Sieben sollen noch 2014 ganz gestrichen werden. Und für die fünf Polizisten, die für laufende Gerichtsverfahren freigestellt sind, gibt es augenscheinlich auch keinen Ersatz. Die Stellen, die für den Stellenabbau “reserviert” sind, findet man in allen Ressorts und Behörden.
Und auch die Malaise in den sächsischen Schulen taucht in der Statistik auf. Zum Stichtag 1. Juli waren noch 192 Stellen in den Schulen nicht besetzt – übergreifend von Grundschulen über Oberschulen bis zu den Gymnasien.
Sachsen schummelt sich schon jetzt mit einem auf Sparflamme gekochten Personalbestand durch die Winde. Es wird immer deutlicher, dass es nach der Landtagswahl am 31. August tatsächlich erst einmal einen Kassensturz geben muss, der ein Bild davon verschafft, wieviele der 82.349 ausgewiesenen Personalstellen tatsächlich vollwertig besetzt sind und welches Vollzeitpersonal tatsächlich für welche Aufgaben gebraucht wird. Minister, die das allerlei klugen Computerprogrammen überlassen, hegen dabei ein klein wenig zu viel Glauben an die Wunder der Technik.
Ein Faltblatt zum Landespersonal: www.statistik.sachsen.de/download/300_Voe-Faltblatt/FB_PersOeffDienst_2012.pdf
Noch mehr Zahlen zum Landespersonal: www.statistik.sachsen.de/download/100_Berichte-L/L_III_2_j13_SN.pdf
Die Kleine Anfrage von Eva Jähnigen als PDF zum Download.
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