Am Ende hat die sächsische Staatsregierung wahr gemacht, was sich schon länger andeutete: Sie versucht die Stimmung in den Kommunen rund um den Flughafen Leipzig / Halle dadurch zu besänftigen, dass sie aus dem Doppelhaushalt 2023/2024 eine einmalige Sonderzahlung von 45 Millionen Euro ausschüttet. Und das passend vor Weihnachten – und nach der gerade erst vom Landtag abgeschmetterten Petition zum Stopp des geplanten Flughafenausbaus.

Dass dahinter auch ein altes Wirtschaftsdenken steckt, das an einem klimaschädlichen Frachtverkehr festhält, machte die Staatskanzlei in ihrer Meldung vom Dienstag, 19. Dezember, deutlich: „Der Flughafen Leipzig/Halle spielt für die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates Sachsen eine herausragende Rolle und ist zentraler Bestandteil des Logistikstandortes Mitteldeutschland. In den kommenden Jahren plant der Flughafen Leipzig/Halle seine Infrastruktur für rund 500 Millionen Euro auszubauen, um Wachstumsperspektiven insbesondere für den Frachtverkehr zu schaffen. Dies wird zu einer weiteren dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung des Flughafens und der gesamten Region führen. Damit einhergehend ist auch eine Zunahme des Personen- und Wirtschaftsverkehrs im Umfeld des Flughafens Leipzig/Halle zu erwarten.“

Und auch Ministerpräsident Michael Kretschmer wiederholt die alten Versprechungen, die mit der realen Wirtschaftsentwicklung rund um Leipzig nichts mehr zu tun haben: „Der Flughafen und die mit ihm verbundenen Unternehmen stehen für Arbeitsplätze, Wachstum und Wertschöpfung. Der geplante Flughafenausbau wird zu einer weiteren positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Region rund um den Flughafen beitragen. Mit der Sonderfinanzierung unterstützt der Freistaat die Kommunen im Flughafenumfeld ganz gezielt bei der Verbesserung der verkehrlichen und sozialen Infrastruktur. Dies stärkt den Wirtschaftsstandort Sachsen und die Lebensqualität der Menschen vor Ort.“

Geld für die Lieferstraßen zum Flughafen

Aber auch das stimmt so nicht. Denn nicht die Kommunen profitieren vom Straßenausbau, sondern die Logistikunternehmen am Flughafen selbst.

Was selbst die Staatskanzlei so beschreibt: „Für die Umsetzung von verkehrsverbessernden Maßnahmen in den Kommunen im Umfeld des Flughafens stellt der Freistaat Sachsen eine Sonderfinanzierung über einmalig 24 Millionen Euro aus dem Doppelhaushalt 2023/24 bereit. Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat dazu federführend einen Masterplan zur Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur im Umfeld des Flughafens Leipzig/Halle aufgestellt.“

Die Logistik muss rollen

Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Dulig meinte am Dienstag tatsächlich: „Die jetzt festgelegten Maßnahmen sollen in den betroffenen Kommunen zu einer Steigerung der Lebensqualität und zu einer bedarfsgerechten Anpassung des Verkehrsnetzes beitragen.“

Der Masterplan enthält insgesamt 30 Verkehrsprojekte. Im Masterplan wurden sowohl bekannte Projekte im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flughafens untersucht als auch weitere notwendige Projekte identifiziert, die in Verbindung mit der Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle stehen, teilt die Staatskanzlei mit.

Es geht also mitnichten um eine Verbesserung der Lebensqualität, sondern um eine Verbesserung der Straßen zum Flughafen, auf denen die Logistik rollt.

Und so sind auch die Kriterien, die dabei bewertet werden: Flughafenbezug, Umweltverträglichkeit, Verkehrswirksamkeit, Verkehrssicherheit, zeitliche Realisierbarkeit und Kosten. Anschließend wurden die Projekte priorisiert und eine Rangfolge gebildet, so die Staatsregierung.

Zu den prioritären Verkehrsprojekten zählen:

• Der Ausbau der Radefelder Allee zu einer vierstreifigen Verkehrsanlage. Diese ist von großer Bedeutung insbesondere im Zusammenhang mit den geplanten Gewerbe-Großansiedlungen im Umfeld des Flughafens und verbindet die Bundesstraße 6 mit der Poststraße/ Staatsstraße 8a.

• Der Ausbau der Altscherbitzer Straße. Sie stellt die Verbindung der Staatsstraße 8 im Norden nahe der Bundesstraße 6 bis zur Kreisstraße 7470 im Süden her, um die Verkehrsbelastung in Schkeuditz zu reduzieren. An der Altscherbitzer Straße ist auch eine straßenbegleitende Radwegeverbindung vorgesehen.

Als Trostpflaster für die Anwohner gibt es einzelne Radwegmaßnahmen – so zum Beispiel der Neubau der Radwegverbindung zwischen Rackwitz und Zschölkau. Und der Bau einer neuen Schwimmhalle in Schkeuditz soll in den nächsten Jahren auf dem „Altscherbitzer Feld“ in Schkeuditz verwirklicht werden. Geplant sind ein Schwimmerbecken mit sechs Bahnen, ein Lehrschwimmbecken und ein Planschbecken mit insgesamt rund 560 m² Wasserfläche. Knapp 25 Millionen Euro soll der Neubau der Schwimmhalle kosten, der Freistaat fördert hiervon bis zu 21 Millionen Euro.

Der Masterplan zur Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur im Umfeld des Flughafens Leipzig/Halle ist hier einsehbar.

Schon 1,5 Milliarden investiert

Der Freistaat Sachsen hat seit der Wiedervereinigung rund 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle investiert und damit ideale Voraussetzungen für weitere Ansiedlungen geschaffen. An Europas drittgrößtem Fracht-Airport sind rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rund 120 Unternehmen und Behörden beschäftigt. DHL betreibt in Leipzig Europas modernsten Umschlagplatz für Expressluftfracht. In unmittelbarer Nachbarschaft des Airports sind Konzerne wie Amazon, Beiersdorf, BMW und Porsche tätig. Im Mai 2023 erfolgte am Flughafen Leipzig/Halle der Spatenstich für das neue Werk der Deutschen Aircraft zum Bau des Flugzeugs »D328eco«. Im Jahr 2022 fertigte der Flughafen Leipzig/Halle rund 1,5 Millionen Tonnen Luftfracht ab. Damit hält Leipzig/Halle seine Position als Deutschlands zweitgrößter Frachtflughafen.

Außerdem habe sich der Flughafen Leipzig/Halle als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen e.V. (ADV) verpflichtet, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen.

Marco Böhme: Symbolische Weihnachtsgeschenke

Zur Übergabe des entsprechenden Fördermittelbescheids an die Stadt Schkeuditz erklärte dann am Dienstag, 19. Dezember, postwendend der mobilitätspolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Marco Böhme: „Schkeuditz darf sich über ein Weihnachtsgeschenk freuen: Eine neue Schwimmhalle soll im Rahmen der Förderung von Infrastrukturmaßnahmen durch Mittel des Freistaats finanziert werden. So schön diese Förderung für die Stadt und deren Einwohnerinnen und Einwohner auch ist, so ist sie doch keine wirksame Maßnahme gegen den Fluglärm. Statt deutliche Schritte für mehr Lärmschutz zu unternehmen, werden die Kommunen mit symbolischen Weihnachtsgeschenken bedacht. Denn eine neue Schwimmhalle bringt keine ruhigen Nächte für die von Fluglärm belasteten Anwohnerinnen und Anwohner.“

Was das Verkehrsministerium aber vorschlage, seien Maßnahmen zur Reduzierung des Straßenlärms im Umfeld des Flughafens. „Ein Hohn angesichts der Lärmpegel, die jede Nacht durch Starts und Landungen sowie Triebwerksprobeläufe verursacht werden“, so Böhme. „Außerdem sollen Radwege in den Anrainerkommunen ausgebaut werden, um ‘zu einer Steigerung der Lebensqualität’ beizutragen. So wichtig und richtig eine gute und sichere Fahrradinfrastruktur auch ist, es verkennt an dieser Stelle das eigentliche Problem: Nicht die fehlenden Radwege, sondern der Flughafen beeinträchtigt die Lebensqualität vor Ort. Das, was die Staatsregierung hier vorschlägt, ist nichts als misslungene Symbolpolitik.“

Versprochene Lärmreduzierung fehlt

Im Koalitionsvertrag hätten CDU, Grüne und SPD versprochen, für eine geringere Lärmbelastung am Flughafen Leipzig / Halle einzutreten und diesbezüglich Maßnahmen zu ergreifen.

„Tatsächlich jedoch gab es in den letzten Jahren mehr Lärm und einen Antrag auf den weiteren Ausbau des Flughafens, dessen Umsetzung die Anwohnerinnen und Anwohner noch mehr belasten wird. Erst in der letzten Plenarwoche haben es die anderen Fraktionen abgelehnt, einer Petition gegen den Ausbau abzuhelfen, die immerhin von mehr als 10.000 Menschen unterzeichnet wurde“, so Böhme.

„Die Staatsregierung ist politisch für die Entwicklungen am Flughafen verantwortlich: Der Freistaat ist Haupt- und Mehrheitsgesellschafter der Mitteldeutschen Flughafen AG, deren Tochtergesellschaft Flughafen Leipzig/Halle GmbH den Ausbau bei der Landesdirektion beantragt hat. Das Zurückziehen dieses Antrags wäre ein deutliches Zeichen dafür, dass der Flughafen nicht auf Kosten der Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner wachsen darf. Statt milde Gaben zu verteilen, fordern wir von den Ausbauplänen Abstand zu nehmen (Drucksache 7/6699).“

Bert Sander: Der „Flughafen-Deal“ ignoriert Fluglärmbetroffene

„Die Politik lässt die Bürger/-innen, die Anrainer/-innen des Flughafens Leipzig/Halle, wenn nicht im Regen, so aber im Lärm stehen. Mit Millionenbeträgen (Steuergelder) für sogenannte Infrastrukturmaßnahmen wird Zustimmung von Seiten der betroffenen Bürgermeister und Landräte für den massiven Flughafenausbau (vorwiegend für DHL-Flugbetrieb) erkauft“, kommentiert Bert Sander, flughafenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat, die „Sonderförderung“. „Bei den in Rede stehenden Infrastrukturprojekten handelt es sich beispielsweise um eine 25 Millionen Euro teure Schwimmhalle für Schkeuditz. Jedoch eine Schwimmhalle schützt nicht vor nächtlichen Fluglärm. Abgesehen davon ist es dreist, den Bau von Schkeuditz‘ einziger Schwimmhalle (als Ersatzneubau für die vor fast 20 Jahren geschlossenen Schwimmhalle) überhaupt mit dem Flughafen in Verbindung zu bringen. Schwimmflächen gehören zur Grundversorgen, zur Daseinsvorsorge, für deren Bereitstellung sich der Freistaat hätte längst schon in der Verantwortung sehen müssen.“

Der sogenannte 45-Millionen-Euro-Deal weise nicht eine einzige substantielle Schutzmaßnahme gegen den nächtlichen Fluglärm und die zahlreichen Emissionen (etwa Feinstaub) aus, kritisiert Sander. „Die Karten liegen offen auf dem Tisch: Wirtschaftliche Interessen rangieren in Sachsen vor Gesundheits- und Klimaschutz.

Die Millionenbeträge scheinen einige Landräte und Bürgermeister um den Verstand gebracht zu haben, die betroffenen Bürger/-innen aber bringt dieser Deal im wahrsten Sinne des Wortes um den Schlaf.“

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