Eigentlich ist wissenschaftlich längst belegt, wie schädlich Fluglärm, insbesondere nächtlicher Fluglärm die Gesundheit der im Umfeld eines Flughafens Lebenden beeinträchtigt. Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, einen Frachtflughafen mit Nachtflugerlaubnis ausgerechnet in dicht besiedeltes Gebiet zu bauen. Doch genau das hat Sachsen getan. Am Montag stellte die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag ein Lärmschutzgutachten zum Flughafen Leipzig/Halle vor. Mit einer eigentlich logischen Konsequenz.
Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag hat am Montag, 10. Mai, gemeinsam mit Prof. Dr. med. Thomas Münzel, Professor für Kardiologie und Angiologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, ein lärmmedizinisches Gutachten zum Flughafen Leipzig/Halle vorgestellt, das der Mediziner im Auftrag der Grünen-Fraktion erarbeitet hat.„Die Lärmbelastung am Flughafen Leipzig/Halle stellt schon seit vielen Jahren ein Problem für die umliegenden Bewohnerinnen und Bewohner dar. Darum rufen die aktuellen Ausbaupläne völlig zu Recht einige Bürgerinitiativen auf den Plan“, erklärt Dr. Daniel Gerber, Leipziger Abgeordneter der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag.
„Auch wir als Bündnisgrüne-Fraktion stehen dem geplanten Ausbau sehr kritisch gegenüber. Um die Auswirkungen auf die Menschen in der Region genauer abschätzen zu können, haben wir deshalb ein lärmmedizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses bestätigt unsere Befürchtungen, dass der durch den Flughafen verursachte Lärm als gesundheitsschädlich für die Anwohnerinnen und Anwohner einzustufen ist. In Anbetracht der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Klimaschutzgesetz ist es meines Erachtens zudem unumgänglich, im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens ein aktuelles CO2-Gutachten zum Flughafen Leipzig/Halle in Auftrag zu geben.“
Wobei bei der Einordnung wichtig ist, dass das Planfeststellungsverfahren für die neue Startbahn Süd 2004 stattfand, genau in jenem Jahr, in dem neue wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkung von Fluglärm vorlagen, die aber bei den Planungen nicht mehr berücksichtigt wurden.
Im Gutachten heißt es dazu: „Wichtig ist festzuhalten, dass seit 2004 ein neuer Stand der Lärmwirkungsforschung erreicht wurde, der belegt, dass die Lärmgrenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes nicht ausreichend sind, um negative gesundheitliche Effekte auszuschließen und vor allem nicht um den Bereich der Lärmvorsorge abzudecken.“
Die Folgerung für den Nachtbetrieb: „Da vor allem der Nachtfluglärm negative Effekte auf die Gesundheit ausübt, müssen hier strengere Maßnahmen herangezogen werden, um an die Empfehlung der WHO heranzukommen (Innenlärmpegel von weniger als 25 dB Lnight).“
Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Münzel betonte bei der Vorstellung des lärmmedizinischen Gutachtens den aus Lärmschutzsicht dringend gebotenen Handlungsbedarf: „Für den Flughafen Leipzig/Halle liegen zahlreiche Messdaten aus der Messstation Großkugel vor. Anhand der dort aufgezeichneten Lärmereignisse lässt sich feststellen, dass diese aufgrund der beschriebenen lärmbedingten Krankheitsgefahr für die Anwohnerinnen und Anwohner nicht zumutbar sind. Nachtfluglärm wirkt sich besonders schädlich auf die Gesundheit aus. Da dieser einen überproportional hohen Anteil der Flüge am Flughafen Leipzig/Halle ausmacht, müssen dahingehend strengere Maßnahmen ergriffen werden, um unter die von der WHO festgesetzte Grenze von 25 Dezibel Innenlärmpegel zu kommen.“
Was eben auch heißt: Hier die nächtliche Lärmbelastung mit einem Ausbau des Flugbetriebs noch zu steigern, geht gar nicht.
Münzel: „Das bedeutet aktive Schallschutzmaßnahmen für diejenigen, die innerhalb und knapp außerhalb der Schutzzone wohnen, und eine gesetzlich festgelegte Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Aufgrund der gesundheitlichen Nebenwirkungen von Fluglärm und mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen empfehle ich keinen weiteren Ausbau des Flughafens!“
Videoaufzeichnung der Pressekonferenz „Lärmmedizinisches Gutachten Flughafen Halle/Leipzig“
Das ist eigentlich die logische Maximalforderung, die auch die Grünen immer wieder vertreten: ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, so wie in Frankfurt am Main.
Nur lassen sich solche Maximalforderungen in der Minderheitsposition in der Regierung nicht durchsetzen. Deswegen sei man ja schon hoffnungsvoll, wenn es zu kleinen Verbesserungen kommt, wie Gerhard Liebscher, verkehrs- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, ergänzt: „Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung muss im Vordergrund stehen und darf den wirtschaftlichen Interessen nicht untergeordnet werden. Der Flughafen wird und kann nicht gegen eine gesamte Region agieren, sondern muss endlich auf die Betroffenen zugehen und Zugeständnisse machen. Sonst wird sich die Situation vor Ort weiter verhärten.
Wir Bündnisgrüne werden uns innerhalb der Koalition für eine weitere Verbesserung des Lärmschutzes und die Berücksichtigung der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger einsetzen. Dazu zählt unter anderem die für den Doppelhaushalt 2021/22 geplante Berufung eines Fluglärmschutzbeauftragten. Es würde dem Flughafen aber gut zu Gesicht stehen, bereits jetzt selbst auf die Betroffenen zuzugehen.“
Und die Diskussion um die Flughafenerweiterung ist verhärtet, seit sich herausgestellt hat, dass die wichtigsten Zahlen zu Umwelt-, Lärm-, Klima und Gesundheitsschutz in den Planunterlagen fehlen. Selbst die Kommunen im Umfeld des Flughafens verweigern reihenweise ihre Zustimmung, weil diese notwendige Entscheidungsgrundlagen fehlen.
Die Frage, die Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ im neuen „Fluglärmreport“ stellt, ist nur zu berechtigt: „Nun, das PFV zum Airport-Ausbau ist in seiner beabsichtigten Form eigentlich krachend gescheitert. Die Mängel des Verfahrens bzw. der durch den Flughafen eingereichten Unterlagen sind so gravierend, dass sich der fachkundige Bürger fragt, wer und warum stellt so etwas überhaupt erst als Diskussionsgrundlage vor?“
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