Wahlplakate sollen angeblich die Meinungsbildung der Wähler vor kommenden Wahlen unterstützen. Doch tragen sie wirklich dazu bei oder sind sie nur eine weitere Form der Verschmutzung des städtischen Raums? Die Parteien und Wählervereinigungen haben sich bei der Gestaltung der Plakate für die bevorstehenden Wahlen zum Stadtrat in Leipzig und zum Europaparlament viel Mühe gegeben, um uns zu informieren, zu langweilen oder zu amüsieren.

Wenn man durch die Stadt schlendert, gibt es davon viel zu sehen. Hier ist mein persönliches „Best of Wahlplakate“, natürlich nur eine Auswahl.

Die Freiheit

FDP-Wahlplakat. Foto und Bearbeitung: Thomas Köhler
FDP-Wahlplakat. Foto und Bearbeitung: Thomas Köhler

Der Slogan mag gut gemeint sein, aber die Aussage „Freiheit braucht auf jeden Fall Räder“ lässt Raum für Interpretationen. An der Treppe zum S-Bahnhof „Stuttgarter Allee“ hatte jemand eine andere Meinung und hat das Plakat kurzerhand auf den Kopf gestellt. Ich habe es sogar mit Schuhen illustriert. Vielleicht war es ein Fußgänger, der der Meinung war, dass „Freiheit Fußverkehr braucht“.

Ewiges Leben

Wahlplakat „Wo willst du in 800 Jahren leben?“ Foto: Thomas Köhler
Wahlplakat „Wo willst du in 800 Jahren leben?“ Foto: Thomas Köhler

Wenn die „Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung“ uns fragt, wo wir in 800 Jahren leben wollen, ist das durchaus legitim. Doch viele Menschen in Leipzig, nicht nur die wirklich armen, beschäftigen sich eher mit der Frage: „Wie kann ich morgen meine Miete bezahlen?“ Aber man darf ja vom ewigen Leben träumen.

Die Rente ist sicher!

Ein Flaschenpfand-Plakat von Die PARTEI: Foto: Thomas Köhler
Flaschenpfand-Plakat von Die PARTEI: Foto: Thomas Köhler

„Fritz Merz“ von der Partei „Die PARTEI“ gibt uns den ultimativen Tipp für die Rentensicherung. Statt „länger arbeiten“, wie der mit ihm nicht verwandte oder verschwägerte Friedrich Merz empfiehlt, oder der von Christian Lindner nahegelegten Aktienrente, empfiehlt er uns, „länger zu saufen“. Das ist doch mal ein Ansatz. Allerdings kann man auch nach fünf Bier täglich leicht errechnen, dass man mit Flaschenpfand nach 60 Jahren Saufen nur etwa 8.760 € anspart. Den Flächenverbrauch für die Lagerung muss jeder selbst ausrechnen.

Grundeinkommen

Ein Wahlplakat zum Lebenseinkommen für alle. Foto: Thomas Köhler
Wahlplakat zum Lebenseinkommen für alle. Foto: Thomas Köhler

MERA25 verspricht ein „universelles Lebenseinkommen für alle“. Es ist jedoch nicht ganz klar, ob das der Stadtrat oder das Europaparlament beschließen soll. Sollte dies im gesamten Universum gelten, im Gegensatz zum schon länger geforderten und diskutierten „bedingungslosen Grundeinkommen“?

Umweltschutz

AfD-Plakat mit Umweltschutz. Foto: Thomas Köhler
AfD-Plakat mit Umweltschutz. Foto: Thomas Köhler

Ein blaues Plakat mit der patriotischen Aufschrift „Umweltschutz ist Heimatschutz“ hängt malerisch vor grünen Bäumen. Klingt toll, oder? Wenn die AfD in den letzten fünf Jahren auch Umweltschutzthemen im Stadtrat eingebracht hätte, wäre das sicher plausibel. So bleibt nur zu sagen: Wer die Umwelt, ja auch das Klima, nicht schützen will, der will auch ganz patriotisch die Heimat nicht schützen.

Spiele mit Schwerpunkten

Drei verschiedene Wahlplakate mit Herrn Sören Pellmann. Fotos: Thomas Köhler
Drei verschiedene Wahlplakate mit Sören Pellmann. Fotos: Thomas Köhler

Drei zeitlich getrennte Plakataktionen zeigen nicht nur bei der Farbgestaltung Unterschiede. Das erste betont die Partei „Die Linke“, das zweite die Post und das dritte darf „nicht am Arsch vorbeigehen“. Das sollte Grünau den Grünauerinnen und Grünauern tatsächlich nicht. Aber ob das so ankommt?

Protest

„Protest“-Plakat von Freie Sachsen. Foto: Thomas Köhler
„Protest“-Plakat der Freien Sachsen. Foto: Thomas Köhler

Viel kann man zu dem Slogan „Protest wählen“ der rechtsextremen Freien Sachsen nicht sagen. Wer Protest wählt, bekommt eben Protest, sonst nichts.

Fazit: Plakate erregen Aufmerksamkeit, aber tragen sie wirklich zur Meinungsbildung bei? Es wird viel Geld investiert und viele ehrenamtliche Helfer investieren Kraft und Zeit. Doch welchen Effekt diese Plakate letztendlich haben, wird wohl nie jemand erfahren. Für mich ist das wahre „Best-of“ das Titelbild mit der eindeutigen Aussage: „Geht wählen!“ und das mit Herz und Verstand.

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