Das war mal eine schwere Geburt, als der Leipziger Stadtrat am 14. Dezember endlich die Fachförderrichtlinie für Balkonsteckersolaranlagen beschloss. Im Grunde nur mit den Stimme von Linken, Grünen und SPD. Denn es ist eine soziale Fachförderrichtlinie geworden, wie FDP-Stadtrat Sven Morlok zu Recht feststellte. Genau da entzündete sich aber auch die Debatte. Und auch ein bisschen um die Kleingärtner, die die Förderung lieber nicht haben wollen.
Bereits mit dem Doppelhaushalt 2021/2022 wurde vom Leipziger Stadtrat auf bündnisgrünen Antrag hin ein Programm zur Förderung von Balkonsolargeräten beschlossen. Das heißt: Das Anliegen wurde in diesem Herbst schon einmal drei Jahre alt. Drei Jahre, in denen Leipzig darüber debattiert, ob und wie man Balkonsolaranlagen fördern kann.
Zwischenzeitlich hat die sächsische Regierung ein eigenes Förderprogramm für Balkonsolaranlagen aufgelegt, das im Sommer im Kraft trat. Das Landesprogramm fördert alle beantragten Balkonsolaranlagen mit 300 Euro. Keine Überraschung war, dass das Programm sofort überzeichnet war. Leipzigs Stadtrat sollte eigentlich im Juli schon über das städtische Förderprogramm anstimmen. Doch nach Ankündigung des sächsischen Förderprogramms stoppte Leipzigs Verwaltung die Vorlage.
Förderung mit sozialer Komponente
Die Zeit nutzte das Umweltdezernat, um die Förderrichtlinie noch einmal zu überarbeiten. Denn wenn es eine gleichgeartete Landesförderung gibt, dürfe eine Stadt dasselbe nicht auch noch fördern, betonte OBM Burkhard Jung in der Debatte. Da brauche es deshalb ein übergeordnetes Ziel. Und das ist in diesem Fall das Soziale bzw. die Eingrenzung der Empfänger auf Menschen mit geringem Einkommen.
Auch wenn natürlich auch OBM Burkhard Jung nicht weiß, wie viele Leipzig-Pass-Inhaber nun über einen Balkon verfügen. Haben sie überhaupt Balkons? Wenn sie Bürgergeld beziehen – so Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) wird ihnen dieser zumindest vom Jobcenter nicht bei den Kosten der Unterkunft erstattet. Balkon ist – so sieht es der Gesetzgeber – Luxus.
Aber vielleicht sind gerade dann 500 Euro fĂĽr eine Solaranlage willkommen?
Es wurde schon sehr detailliert in dieser Debatte, die schon am 13. Dezember in der Ratsversammlung begann, aber dann schon schnell in schwieriges Fahrwasser geriet, weil sich einige Änderungsanträge eigentlich auf die frühere Fassung der Vorlage aus dem Umweltdezernat bezogen. Da kam auch OBM Burkhard Jung schnell ins Schwimmen, was da nun genau abgestimmt werden sollte.
Und auch die kurzerhand von Dr. Tobias Peter, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, beantragte 5-minütige Pause zur Verständigung brachte am Ende keine wirkliche Entwirrung. Linke und SPD hätten etliche Punkte des Grünen-Änderungsantrags gern zugestimmt.
Doch auch die Verständigung der Fraktionen in der Pause brachten nicht wirklich eine Lösung des Knotens, sodass dann die gesamte Vorlage auf den 14. Dezember verschoben wurde, wo dann ein gemeinsamer Änderungsantrag von Linken, SPD und Grünen auf dem Tisch lag, der sich nun tatsächlich auf die neugefasste Vorlage der Förderrichtlinie bezog.
Total ungerecht?
Die Debatte um die soziale Komponente flammte dann noch einmal kurz auf. Denn die Freibeuter-Fraktion wollte die Einengung der geförderten Gruppe auf Leipzig-Pass-Inhaber und ähnlich gering Verdienende nicht mittragen. Der Passus sollte also raus aus der Förderrichtlinie. Etwa auch im Sinne von FDP-Stadtrat Sven Morlok, der den Effekt für den Klimaschutz eher gegeben sah, wenn alle Interessenten, egal, wie viel sie verdienen, sich um die 500 Euro bewerben könnten.
Eine Sichtweise, die weder Linke-Stadtrat Michael Neuhaus mittragen konnte noch SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker. „Genau diese Menschen sollten wir fördern“, sagte Neuhaus in Bezug auf die Leipziger mit geringen Einkommen. Man solle eben deshalb keine „Förderung mit der Gießkanne“ betreiben. Und Christopher Zenker wurde noch deutlicher. Denn Solaranlagen sind mittlerweile so preiswert geworden, dass Menschen mit guten Einkommen sich diese problemlos leisten können. Bei denen wäre es „eher nur Mitnahme-Mentalität“.
Genau das, was in Deutschland längst zu einer „guten Gewohnheit“ geworden ist: Förderung gibt es nicht zielgenau für die Bevölkerungsgruppen, die tatsächlich Förderung brauchen. Und da es die Förderung für alle gibt, greifen auch die zu, die eigentlich keine Förderung benötigen. Das Denken sitzt auch in den Köpfen etlicher Stadträte.
Die Bedenken der Kleingärtner
Eine andere Gruppe hat dafür sehr sachlich und überlegt über die vorgeschlagene Förderung diskutiert. Das thematisierte zum Beispiel CDU-Stadtrat Konrad Riedel. Denn es klingt ja erst einmal ganz nett, dass auch Kleingärtner Geld für eine Solaranlage beantragen können. Aber in der Regel hängen alle Kleingärtner an einem gemeinsamen Stromanschluss.
Wie soll das dann abgerechnet werden? Was ist mit Brandschutz bei den Lauben, die in der Regel alle aus Holz sind? Wer prüft die Statik? Weshalb der Verband der Kleingärtner schon einmal gemeldet hatte, man solle die Förderung für Kleingärtner aus der Förderrichtlinie erst einmal streichen.
Was dann auch geschah, nachdem Linke-Fraktionsvorsitzender Sören Pellmanm am 14. Dezember einen solchen Antrag gestellt hatte.
Den nun neu und einvernehmlich gefassten Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, Linken und Grünen wünschte sich FDP-Stadtrat Sascha Matzke schön punktweise abgestimmt. Aber die Vorstellung, dass es da wesentliche Differenzen geben könnte, trog wohl eher. Denn die Teilung im Stadtrat war klar: Es ging um die soziale Frage. Um Geld für die wirklichen Geringverdiener oder um Geld für alle.
Und erstaunlicherweise wurde der Antrag der Freibeuter, die Förderung wieder für alle Antragsteller zu öffnen, mit 9:26 Stimmen bei 13 Enthaltungen mehr als deutlich abgelehnt.
Während alle Punkte aus dem Änderungsantrag von SPD, Linken und Grünen natürlich auch die Stimmen dieser drei Fraktionen bekamen und so jedesmal positiv votiert wurden. Und auch die nun eindeutig sozial bestimmte Fachförderrichtlinie bekam die nötige Mehrheit.
Kein Wunder, dass OBM Burkhard Jung nach diesem zähen Ringen ein regelrecht geseufztes „Dankeschön!“ von sich gab.
Das lange Warten
Jürgen Kasek, klima- und energiepolitischer Sprecher der Grünen-Faktion, nutzte im Nachhinein die Gelegenheit, noch einmal daran zu erinnern, dass der ursprüngliche Antrag für die Förderung von Stecker-Solar-Anlagen von der Grünen-Fraktion kam: „Wir haben wirklich lange auf die Leipziger Förderrichtlinie gewartet und sind froh, dass sie nun endlich verabschiedet wurde. Aufgrund der Fördermöglichkeiten seitens des Freistaats haben wir uns mit anderen Ratsfraktionen nun darauf geeinigt, den Fokus der Leipziger Förderung auf Leipzig-Pass-Inhaber/-innen zu legen.
Wer einen Leipzig-Pass hat, kann eine Förderung von 500 € erlangen bzw. maximal 100 % der Gesamtkosten eines Stecker-Solar-Geräts. Niemand muss dabei in finanzielle Vorleistung gehen, sodass wir hier eine wirklich sinnvolle Ergänzung zur Förderung des Freistaats bekommen.
Wir ermöglichen damit allen, die bei der Energiewende mitmachen wollen und zu Hause die Möglichkeit haben, ein Balkonsolargerät anzubringen, langfristig ihre Stromkosten zu senken. Gerade Mieter/-innen und Haushalte mit geringen Einkommen wird so die Teilhabe an der Energiewende ermöglicht!“
Natürlich kann es passieren, dass sich für das Förderprogramm dann doch nicht genug Antragsteller finden. Dafür enthält die Vorlage nun die Bestimmung, dass, wenn bis zum 20. August absehbar die 500.000 Euro, die für das Programm zur Verfügung stehen, nicht abgerufen werden, „soll der Personenkreis der Antragsteller/-innen erweitert werden.
Dann sollen auch Personen mit niedrigem Einkommen, das über dem Leipzig-Pass-Niveau liegt, eine Förderung in Höhe von 200 € pro Gerät erhalten können.“
Bis zu welcher Einkommenshöhe eine Antragstellung möglich ist, soll die Stadt bis Mitte 2024 bestimmen. Und wenn dann am Ende doch noch Geld übrig ist, soll es der stadteigenen Leipziger Kommunale Energieeffizienz GmbH (LKE) oder der LWB zur Verfügung gestellt werden, um davon Solaranlagen auf Leipziger Dächern zu errichten – sodass der Klimaschutzeffekt trotzdem verfolgt wird.
Für Leipzigs Kleingärten am besten ein eigenes Programm
Nur über eins ärgert sich Dr. Tobias Peter, der auch wohnungspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist: „Völlig unverständlich ist, dass in der letzten Minute auf Antrag der Fraktion Die Linke Kleingärtner/-innen aus dem förderfähigen Personenkreis gestrichen wurden. Denn gerade die vielen und großen Leipziger Kleingartenanlagen verfügen über ein großes Potenzial, Sonnenenergie gezielt nutzbar zu machen und dabei die in den sonnenstarken Monaten in ihren Kleingärten aktiven Laubenpieper zu unterstützen.“
Aber da hat wohl eher Konrad Riedel recht mit seinem Verweis auf die berechtigten Bedenken der Kleingärtnervereine.
Wobei CDU-Stadtrat Falk Dossin ja einen sehr sinnvollen Vorschlag gemacht hat: Das Anliegen von Solaranlagen in Kleingartenanlagen in einen eigenen Antrag zu gieĂźen, damit der Stadtrat darĂĽber gesondert diskutieren kann. Mal sehen, wer diesen Antrag nun stellt.
„Wichtig in Umsetzung des nun endlich gefassten Beschlusses ist uns, dass die LWB als kommunales Unternehmen die Anbringung von Balkonsolargeräten unterstützen. Um möglichst viele Mieter/-innen zu erreichen, werden auch weitere Leipziger Wohnungsgesellschaften auf das Anliegen der Unterstützung von Balkonsolargeräten und die beiden Förderprogramme hingewiesen und gebeten, ihre Mieterschaft ebenfalls darüber zu informieren und die Anbringung von Balkonsolargeräten grundsätzlich zu unterstützen“, so Peter noch in Bezug auf die LWB.
„Um das Problem fehlender Außensteckdosen zu lösen, sollen bei zukünftigen Sanierungs- und Neubauvorhaben der LWB solche Außensteckdosen in der Planung berücksichtigt werden.“
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