Im Sommer 2023 kochte die Stadt wieder in der Hitze bei tagelang über 30 Grad. Da heizten sich ganz besonders die vielen versiegelten Plätze in der Stadt auf. Und erstaunlicherweise kommen sogar immer noch mehr dazu, während praktisch nirgendwo wirklich eine Initiative zu sehen ist, dass versiegelte Flächen wieder entsiegelt werden. Die Grünen fragten deshalb an, was die Stadtverwaltung da eigentlich vorhat. Und ein erster Platz wurde jetzt auch genannt, wo man Pflaster problemlos öffnen könnte.
„Mit dem Beschluss von Haushaltsantrag A 0055 24-01 Neufassung wurde die Verwaltung beauftragt, ein Förderprogramm für Maßnahmen zur Entsiegelung und ökologischen Aufwertung von (Innen-)Höfen, Vorgärten und sonstigen versiegelten Flächen in hitzebelasteten Stadtquartieren zu erarbeiten und dem Stadtrat bis Ende 2023 zum Beschluss vorzulegen“, stellte die Grünen-Fraktion in ihrer Anfrage fest.
„Darüber hinaus wurde die Verwaltung mit dem Beschluss VII-A-02929-NF-02 beauftragt, die bestehenden und derzeit in Bearbeitung befindlichen Strategien, Konzepte und Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauches und der damit einhergehenden Neuversiegelungen konsequent umzusetzen und weiterzuentwickeln und dabei eine Netto-Null-Versiegelung bis 2030 anzustreben.
Im Rahmen des Masterplan Grün und der Biotoverbundplanung sollen zudem Tabuflächen ausgewiesen werden, die vor Versiegelung zu schützen sind.“
Aber von all dem ist noch nichts zu sehen. Das Förderprogramm für Maßnahmen zur Entsiegelung und ökologischen Aufwertung von Flächen kündigt das Amt für Stadtgrün und Gewässer in seiner Antwort nun für 2024 an.
Und beim der Netto-Null-Versiegelung dauert es auch noch, teilt das Amt mit. Dazu brauche man erst einmal eine genaue Übersicht über die versiegelte Fläche im Stadtgebiet.
Ein Modell der versiegelten Fläche
„Im Rahmen des Fernerkundungsforschungsprojekts ‚UrbanGreenEye‘ erarbeitet die Stadt Leipzig ein KI-gestütztes Monitoring-Modell, um zukünftig regelmäßig Daten zur Entwicklung von versiegelten Flächen bereitstellen und auswerten zu können. Das erforderliche Training des Modells findet auf Basis hochaufgelöster in-situ-Daten aus Luftbildbefliegungen statt, mit dem Ziel, die Auswertung von Satellitenbilddaten zu optimieren. Das Modell wird bis spätestens Ende 2024 fertiggestellt“, verspricht das Amt für Stadtgrün und Gewässer.
Die Ergebnisse soll es freilich schon etwas früher geben, versichert das Amt: „Die nächste Versiegelungsauswertung für das Gebiet der Stadt Leipzig wird derzeit auf Grundlage des Digitalen Orthophotos aus der Frühjahrsbefliegung 2022 erstellt. Da aufgrund der Witterungsbedingungen im Frühjahr 2023 keine Befliegung stattfinden konnte, wurde auf die im Rahmen einer Befliegung erfassten Daten aus dem Frühjahr 2022 zurückgegriffen.
Die Ergebnisse der Auswertung der Versiegelungsdaten werden im 1. Quartal 2024 zur Verfügung stehen.
Damit ist es möglich, die aktuelle Versiegelungssituation im Stadtgebiet gegenüber dem Zeitpunkt der letzten Befliegung im Jahr 2017 zu vergleichen, z. B. mit Blick auf die Entwicklung von Flächenneuversiegelung sowie der Entsiegelung von Flächen.“
Aber dann hat die Stadt erst einmal nur aktuellere Daten zur Versiegelung, aber noch keine Strategie, wieder Flächen zu entsiegeln.
Lösung im Umland?
Man arbeite freilich schon dran, meint das Amt für Stadtgrün und Gewässer. Immerhin hätten Bund und Land schon Ziele zur Senkung der Neuversiegelung: „Für das Leipziger Stadtgebiet besteht bisher kein derartiges Ziel. Mit der Vorlage VII-A-02929 Flächenverbrauch reduzieren – Strategie für Netto-Null-Versiegelung bis 2030 entwickeln – verpflichtet sich die Stadt jedoch zu Maßnahmen, um den Flächenverbrauch und die Neuversiegelung zu minimieren, mit dem Ziel, bis zum Jahr 2030 eine ausgeglichene Bilanz aus neuversiegelten und entsiegelten Flächen zu erreichen.“
Was ja bedeutet: Es wird jedes Jahr genauso viel entsiegelt, wie gleichzeitig neu versiegelt wird.
Aber dafür braucht man konkrete Flächen, auf denen das Pflaster wieder beseitigt wird, um Grün- und Versickerungsflächen zu gewinnen.
Die Stadt ist freilich noch lange nicht so weit. Im Gegenteil – man würde nur zu gern mit diesem Thema ins Umland ausweichen: „Die Ausweisung von kompensierenden Entsiegelungsmaßnahmen innerhalb des Stadtgebiets ist jedoch, aufgrund einer begrenzten Verfügbarkeit entsprechender Ausgleichsflächen, nur in beschränktem Maße möglich.
Deshalb arbeitet die Stadt Leipzig bereits eng mit den Umlandkommunen zusammen, sodass für Versiegelungen durch Baumaßnahmen in der Stadt Leipzig auch Entsiegelungsmaßnahmen im Umland der Stadt Leipzig zugeordnet und umgesetzt werden können. Darüber hinaus werden durch die Stadt Leipzig strategisch Flächen im Stadtgebiet erworben und im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen entsiegelt und aufgewertet.“
Wie wäre es mit dem Bayerischen Platz?
Dabei gibt es selbst im inneren Stadtgebiet genug Flächen, wo schon jetzt erkennbar viel zu viel gepflastert wurde, im Sommer kein Schatten ist, die Stadt sich aufheizt und der erste Ansatzpunkt wäre, hier endlich wieder Grün zu schaffen. Darauf wies am 18. Oktober in der Ratsversammlung Grünen-Stadtrat Tobias Peter hin. Und nannte auch gleich die riesige gepflasterte Fläche vorm Bayerischen Bahnhof als erstes Beispiel.
Aber siehe da: Das hatte auch Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal nicht auf dem Schirm. Was letztlich heißt: Die Stadt hat noch nicht einmal eine Übersicht über die innerstädtischen Flächen, wo ohne Verlust an Aufenthaltsqualität das üppige Pflaster wieder aufgelöst und durch Grün ersetzt werden könnte.
Es sei denn, es kommen wieder die üblichen Stehaufmännchen aus der Versenkung, die auf uralte Zusicherungen verweisen, dass der Platz unter Denkmalschutz steht oder gar als künstlerisches Meisterwerk für alle Ewigkeit geschützt ist.
Den Bayerischen Platz wollte Heiko Rosenthal schon mal als Anregung mitnehmen. Man darf gespannt sein, wie das Ergebnis dann lautet.
Es gibt 6 Kommentare
Ich argwöhne ja auch, lieber User “Matthias Malok”, daß das mit dem nichtversiegelnden Asphalt spätestens bei Frost zum Kokolores wird, deswegen meine Heiterkeit beim Bezug auf den Elsterradweg. Aber wer weiß, es gibt ja schon länger Hoffnung auf das Schwinden von Versiegelung: Ralph Siegel bringt ja kaum noch Songs in die Charts 🙂
@Urs Zu dem Asphalt welcher NICHT versiegelt hätte ich gern einmal Beispiele. Allein was passiert mit dem Wasser bei Frost im Asphalt? Eine Nachfrage sowohl bei SPD & Grüne wurde bisher nicht beantwortet!?
@ALLE Für jede erforderliche Baumaßnahme ist vielfach notwendig, dass Grün beseitigt werden muss. Ein Ausgleich kann in der Anwendung von “Urbanen Waldgarten Prinzipien” wie in der Petition “Biotope aufwerten und erhalten” vorgeschlagen. https://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/buergerbeteiligung-und-einflussnahme/petition/online-petition/details/petition/biotope-aufwerten-und-erhalten-b-plan-nr-359-lindenauer-hafen-zentraler-bereich-anpassen
Die Fraktion der Grünen fragt nach Entsiegelungen und stimmt im Stadtrat stets Versiegelungsprojekten zu, der Leuschnerplatz ist nur ein Beispiel… Merkwürdig… oder sprechen wir einfach von Heuchelei…
Gibt es nicht, wie ich in diesem Medium las, inzwischen Asphalt, der nicht versiegelt? Derlei kam doch neulich beim Radweg an der Elster als Vorschlag auf 🙂
Am Bayrischen Platz stand vor der Zeit der Außerbetriebnahme des Kopfbahnhofs allerlei Gehölz, ich erinnere mich noch an eine größere aufsehenerregende Baumfällaktion so ums Jahr 2000. Jetzt verläuft darunter der Tunnel. U.U. ist das nicht der passendste Ort, den sich Dr. Peter ausdenken konnte.
Und mal so als Daumenregel gemutmaßt: ist eigentlich jeglicher Boden, auf dem sich Pfützen bilden und tagelang stehen, als versiegelt anzusehen?
Inwiefern soll Entsiegelung im Umland helfen, “Grün- und Versickerungsflächen” in der Stadt zu gewinnen!? Man pflastert also die ganze Stadt zu und entsiegelt dafür jwd, wo eh keiner mehr wohnt….? Das hilft doch der Stadt kein bißchen weiter (Stichwort Schwammstadt etc.)…
Das ist wie zum Ausgleich für gefällte Bäume in der Stadt irgendwo am Ar… der Welt neue Bäume anzupflanzen. Hilft dem Klima und der Artenvielfalt in der Stadt überhaupt nicht.