In der Ratsversammlung am 20. September war wieder der Soziale Arbeitsmarkt in Leipzig Thema. Denn die zur Verfรผgung stehenden Eingliederungsmittel im Jobcenter werden bis 2024 immer weiter zusammengestrichen. Weniger Mittel heiรŸt aber auch, auch Leipzig kann immer weniger Beschรคftigungsverhรคltnisse fรผr Menschen anbieten, die Unterstรผtzung bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt brauchen. Die Antwort der Verwaltung auf eine Linke-Anfrage blieb folgerichtig lรผckenhaft.

Die Fragestunde nutze Dr. Volker Kรผlow, Sprecher fรผr Gesundheit, Soziales und Senior/-innen der Fraktion Die Linke im Stadtrat, dann auch zu einer Art kleinem Co-Referat, wofรผr die Fragestunde eigentlich nicht vorgesehen ist. Und es ist auch nicht die Stadt Leipzig, die hier fรผr Unsicherheit und ungewisse Zukunft sorgt.

โ€žZum wiederholten Mal hat die Linksfraktion in den letzten Monaten in der Ratsversammlung zum Thema Sozialer Arbeitsmarkt in Leipzig nachgefragt, zuletzt in der Ratsversammlung September (siehe hier). Wir taten das deshalb, weil nach der 60-prozentigen Kรผrzung im Jahr 2023 nunmehr fรผr das Jahr 2024 eine weitere Halbierung und damit ein zweiter Kahlschlag droht, der den Sozialen Arbeitsmarkt in die bedrohliche Nรคhe der Todeszone rรผcktโ€œ, formulierte Kรผlow im Nachhinein sein Unbehagen, das auch die Verwaltung nicht ausrรคumen konnte.

Sparen fรผr die Schwarze Null

Dass Berlin die Eingliederungsmittel immer weiter kรผrzt, weil der Finanzminister von einer Schwarzen Null trรคumt, macht auch die Planungen der Stadt fรผr den Sozialen Arbeitsmarkt fast unmรถglich. Statt die Zielvereinbarung mit dem Jobcenter fรผrs nรคchste Jahr jetzt im Herbst vorzulegen, stellt ihn das Wirtschaftsdezernat fรผr Frรผhjahr 2024 in Aussicht. Frรผher habe man wohl auch keine belastbaren Aussagen vom Jobcenter, bestรคtigte am 20. September OBM Burkhard Jung.

โ€žEs sind neben der fehlgeleiteten Steuerung des Jobcenters hauptsรคchlich die angekรผndigten Kรผrzungen der Berliner Ampel-Regierung im Bundeshaushalt, die zu dieser dramatischen Entwicklung in Leipzig fรผhren. Betrugen die Eingliederungsmittel des Jobcenters Leipzig im Jahr 2022 noch 55 Millionen Euro, sanken sie 2023 auf 50 Millionen und werden 2024 voraussichtlich weniger als 45 Millionen Euro betragenโ€œ, so Kรผlow.

โ€žMit dieser massiven Kรผrzung wird es in Leipzig immer weniger arbeitsmarktpolitische Projekte bei einer gleichbleibend hohen Langzeitarbeitslosigkeit geben. Die Leipziger Tradition der aktiven Beschรคftigungspolitik fรผr besonders benachteiligte Personengruppen am Arbeitsmarkt wird damit beendet werden.

Von diesen Einschnitten und Stellenstreichungen sind neben freien Trรคgern, karitativen Initiativen auch wichtige Bereiche der Kommune selbst wie der Kommunale Eigenbetrieb Engelsdorf (KEE), die Schulbibliotheken, weitere wichtige soziale Dienste und die Stadtreinigung massiv betroffen, wie eine andere Vorlage zeigt (diese kann hier angeschaut werden).โ€œ

Alle Planungen fรผr 2024 noch unsicher

Als โ€žgrob lรผckenhaft und unvollstรคndigโ€œ bezeichnete er die Antworten der Verwaltung. Auch wenn spรคtestens in der Fragestunde deutlich wurde, dass die Stadt selbst kaum Mรถglichkeiten hat zu reagieren. Den Rahmen setzt das Jobcenter fest. Und das lรคsst sich von der Kommune, obwohl sie zur Hรคlfte Trรคgerin des Jobcenters ist, nicht hineinreden in seine Entscheidungen.

โ€žDie Kommune als Trรคgerin des Jobcenters Leipzig versagt abermals in der strategischen Ausrichtung des Jobcenters Leipzig. Allein dem Druck aus dem Stadtrat ist es im Jahr 2023 zu verdanken gewesen, dass รผberhaupt ein Minimum an Projekten gerettet werden konnten. Wenn die Zielvereinbarung der Kommune fรผr das Jobcenter Leipzig fรผr das Jahr 2024 erst im Mai 2024 statt im Oktober 2023 โ€“ wie in den Fachausschรผssen zugesichert โ€“ erfolgt, entsteht die Frage, ob da รผberhaupt noch eine Steuerung stattfindetโ€œ, fragt sich Kรผlow.

โ€žGenau hier kรถnnten die sozialen, kommunalpolitischen Interessen durchgesetzt werden. Das bisherige Interessenbekundungsverfahren fรผr AGH (Arbeitsgelegenheiten) beispielsweise wird gleich ganz gestrichen. Statt eines halbwegs transparenten Verfahrens mit Beteiligung der Kammern und Gewerkschaften wird die Vergabe nunmehr in den anonymen Tiefen des Jobcenters entschieden. Dazu passt das Tรคuschungsmanรถver, kรผnftig die Zuweisungsdauer fรผr AGH auf sechs Monate zu verkรผrzen, um damit zwei Teilnehmende pro MaรŸnahme und Jahr abrechnen zu kรถnnen und die Zahlen der Teilnehmer kรผnstlich zu frisieren.

Mit dieser lebensfremden Entscheidung entfernt man sich natรผrlich von einer angestrebten Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt.โ€œ

Es trifft auch die Schulbibliotheken

Betroffen von den Kรผrzungen sind auch die vom Stadtrat erkรคmpften Beschรคftigungsverhรคltnisse in den Schulbibliotheken der Stadt. 75 solcher Stellen konnten eingerichtet werden. Nur fรผr 45 kรถnne die Stadt ab 2024 eine Fortsetzung auch absichern, erklรคrte Schulbรผrgermeisterin Vicki Felthaus. Die einfach mit dem Rasenmรคher vorgenommenen Kรผrzungen auf Bundesebene greifen also direkt in Beschรคftigungsprojekte der Stadt ein, die sich in den letzten Jahren als wichtig und hilfreich erwiesen haben.

Die Linksfraktion werde die drohenden Kรผrzungen im Sozialen Arbeitsmarkt nicht widerspruchslos hinnehmen und bereits in der nรคchsten Ratsversammlung das Thema erneut aufgreifen, kรผndigte Kรผlow schon mal an.

โ€žWir fordern den Oberbรผrgermeister und den Wirtschaftsbรผrgermeister auf, aktiv die Interessen der Stadt Leipzig gegenรผber dem Jobcenter Leipzig zu vertreten. Darรผber hinaus werden wir insbesondere die Absicherung der Stellen fรผr Schulbibliotheken und andere gemeinwohlsichernde Einrichtungen und Institutionen sowie die Nachbesetzung der wegfallenden 72 Tarifstellen bei der Kommune im Jahr 2024 in den Blick nehmenโ€œ, so Kรผlow.

โ€žAndernfalls mรผssten nach der langanhaltenden Kritik am Jobcenter Leipzig und nach dem Missachten der politischen Beschlรผsse des Stadtrates auch personelle Konsequenzen fรผr die Jobcenterspitze erwogen werden.โ€œ

Das wรคre dann mal ein Paukenschlag. Aber Fakt ist, dass die Stadt aus dem eigenen Haushalt den Wegfall der Bundesgelder nicht kompensieren kann. Dazu ist der Leipziger Haushalt lรคngst zu stark unterfinanziert. Womit es der Stadt so geht wie allen anderen Kommunen in Sachsen auch, die auf die vom Bund beschlossenen Kรผrzungen nicht mehr mit eigenen Mitteln reagieren kรถnnen.

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