Hohe Einkommen haben eine finstere Seite: Leute, die zu viel verdienen, haben ein Problem, ihr Geld vernünftig auszugeben. Viele handeln dann so, als ob das Geld sie geradezu zwingt, Dinge zu kaufen, die Klima, Gesellschaft und Artenschutz schaden. Dazu gehören neben überzüchteten Automobilen und technischer Überausstattung auch Eigenheime. Dass Leipzigs Verwaltung das Problem noch nicht einmal begriffen hat, macht eine Reaktion auf einen Linke-Antrag deutlich.
Die Linksfraktion im Stadtrat hatte ein „Moratorium Einfamilienhaussiedlungen“ beantragt, nachdem Baubürgermeister Thomas Dienberg im April angekündigt hatte, die Stadt wolle im Rahmen des neuen Stadtentwicklungsplans (STEP) Wohnbauflächen auch neue Eigenheimstandorte ausweisen.
Und das in einer Stadt, der es seit Jahren nicht gelingt, die Neuversiegelung wertvoller Flächen zu stoppen, geschweige denn zu bremsen. In einem Antrag hat die Grünen-Faktion ebenfalls im April erst eine Netto-Null-Versiegelung für Leipzig bis 2030 gefordert.
Dass Klimakrise und Artenkrise Hand in Hand gehen, ist in Leipzigs Verwaltung jedenfalls noch kein sichtbarer Wissensstand. Und dass die fortschreitende Flächenversiegelung dabei ein ganz zentrales Problem ist, ebenfalls nicht.
Mit einer erstaunlichen Starrköpfigkeit setzt die Verwaltung hier – wider jedes bessere Wissen – die Interessen einer kleinen, zahlungskräftigen Klientel durch, die unbedingt „Wohneigentum erwerben“ will, weil sie das dazu nötige Geld hat.
Die Argumentation der Linken jedenfalls prallte im Leipziger Stadtplanungsamt auf völliges Unverständnis.
Klimanotstand und Eigenheimbau
„Insbesondere seit dem Ausruf des Klimanotstandes stehen Einfamilienhaussiedlung vermehrt in der Kritik, da der Flächenverbrauch pro Einwohner/-in deutlich höher ist als bei Mehrfamilienhausquartieren. Der Umbau vieler kleiner Gebäude mit wenigen Bewohner/-innen in Bezug auf erneuerbare Energien ist dabei wesentlich langwieriger als beispielsweise die Umrüstung eines Gebäudes mit vielen Bewohner/-innen“, hatte die Linksfraktion dabei auf zentrale Klima-Aspekte bei Wohnungsbau hingewiesen.
„Aufgrund des Flächenverbrauches erhöhen sich speziell die Kosten für die flächige öffentliche Erschließung wie Wasser, Abwasser, Strom und Datenleitungen sowie die Kosten der Herstellung für Verkehrsinfrastruktur und soziale Infrastruktur wie Kitas und Schulen. Neben dem Neubau vorgenannter Infrastruktur, fällt vor allem deren finanzielle Unterhaltung ins Gewicht und muss durch die öffentliche Hand jährlich vorgehalten werden, was eine Mehrbelastung künftiger Generationen nach sich zieht.“
Denn Tatsache ist: Der Lebensstil der Eigenheimbewohner kommt die Allgemeinheit genauso selbstverständlich teuer zu stehen wie der individualisierte Autoverkehr. Es ist der Lebensstil eines verschwenderischen Jahrhunderts, in dem Wohlstand stets mit einem rücksichtslosen Raubbau an den natürlichen Ressourcen einherging. Und Leipzigs Verwaltung steckt ganz unübersehbar noch in diesem rücksichtslosen Weltverständnis fest.
„In Würdigung der vorgenannten Entwicklung des sich weiterhin anspannenden Wohnungsmarktes in Leipzig müssen aus Sicht der Antragstellenden alle Ressourcen in die Schaffung von quantitativen und qualitativen Wohnraum fließen. Diese Zielstellungen verfehlen die langwierigen Bauleitverfahrensprozesse insbesondere bei der Planung von Einfamilienhaussiedlungen und stellen zurzeit eine kritische Bindung von Ressourcen wie Arbeitszeit und Geld dar“, betonte die Linksfraktion.
„Die weiterhin hohe Nachfrage nach Einfamilienhäusern könnte, auch wenn alle Ressourcen der Stadtverwaltung in dieses Segment gelenkt würden, nicht im Leipziger Stadtgebiet befriedigt werden. Des Weiteren stehen zur Deckung der Nachfrage nicht genügend Flächen zur Verfügung. Bis zum Jahr 2027 sehen wir die Probleme auf dem Wohnungsmarkt in Leipzig als so groß an, dass wir mit diesem Antrag ein Moratorium für Einfamilienhaussiedlungen vorschlagen, um die finanziellen und personellen Ressourcen der Verwaltung und nicht zuletzt auch Grundstücksressourcen zu schonen und diese an den effektivsten Stellen zur Vermeidung von Wohnungsknappheit einzusetzen.“
Der seltsame Wettbewerb um Eigenheimbesitzer
Die Verwaltung hatte zwar betont, es stünden bis 2030 genug Flächen für den mehrgeschossigen Wohnungsbau zur Verfügung. Doch dieser konkurriert auch bei Baufirmen und Baumaterial mit den deutlich ressourcenaufwendigeren Eigenheimbauten.
Wobei der Mangel an Wohnungen in Leipzig eben nicht im teuren Segment besteht, sondern im preiswerten und bezahlbaren Wohnungsbau, der genau für jene Nutzer/-innen in Betracht kommt, die sich den Erwerb von Wohneigentum überhaupt nicht leisten können.
Doch die Argumente der Linksfraktion hat das Stadtplanungsamt, das jetzt die ablehnende Stellungnahme der Stadt geschrieben hat, völlig ignoriert. Und es dreht die Argumentation regelrecht um, wenn es schreibt:
„In der Begründung des Antrags wird als Ursache des verlangsamten Einwohnerwachstums auf die Limitierung durch den angespannten Wohnungsmarkt abgestellt. Hierzu ist anzumerken, dass das reduzierte Wachstum neben den sinkenden Geburtenzahlen auf eine zunehmende Suburbanisierung zurückzuführen ist. So haben sich die Fortzüge in die umliegenden Landkreise insbesondere von Familienhaushalten in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Gegenüber den angrenzenden Landkreisen Nordsachsen und Leipzig verlor die Stadt Leipzig im Jahr 2021 mehr als 3.500 Einwohner (vgl. Quartalsbericht IV/2021).“
Das klingt, als empfinde das Stadtplanungsamt die Suburbanisierung regelrecht als Kritik an der eigenen Wohnungspolitik. Und als müsste Leipzig mit seiner längst unübersehbaren Knappheit an Bauplatz jetzt alles tun, um ausgerechnet die Eigenheimbauer in der Stadt zu halten – koste es, was es wolle.
Die Wünsche der Besserverdienenden
„Aus den Ergebnissen der Befragung, die im Rahmen des Forschungsprojektes Interko2 in verschiedenen Umlandkommunen Leipzigs durchgeführt wurden, lässt sich ableiten, dass ein Großteil der Abwanderung ins Umland im Kontext des Bezuges von Einfamilienhäusern steht“, begründet das Stadtplanungsamt seine Ablehnung weiter.
„So gaben in der Befragung 70 % der Bewohner, die zuvor in Leipzig in einem Mehrfamilienhaus gewohnt haben, an, nun im individuellen Wohnungsbau zu leben. 28 % gaben als hauptsächlichen Umzugsgrund ‚Erwerb von Wohneigentum‘ und weitere 16 % ‚Wunsch nach Leben außerhalb der Großstadt‘ an. Dabei spielen sowohl die mangelnde Verfügbarkeit an bebaubaren Grundstücken bzw. Immobilien als auch die hohen Kaufpreise in Leipzig eine Rolle.“
An der Stelle verweisen wir einfach auf unseren Artikel „Warum Einkommensreiche in einer völlig anderen Welt leben als Geringverdiener“, in dem wir auch analysiert haben, wer da eigentlich Wohneigentum kauft und ins Eigenheim zieht.
Leipziger Normalverdiener sind es nicht, sondern – auch nach Definition der Leipziger Statistiker/-innen – vor allem Einkommensreiche ab 3.200 Monatseinkommen für einen Ein-Personen-Haushalt. Drunter bekommt man nämlich meist nicht einmal ein Kreditangebot der Bank.
Es sind gleichzeitig Haushalte, sie sich in Leipzig locker jede Mietwohnung leisten können. Sie leiden nicht unter dem verknappten Wohnungsmarkt. Weshalb die Priorität ganz und gar nicht darauf liegen sollte, ausgerechnet die Eigentumsträume dieser Bevölkerungsgruppe zu erfüllen, während der soziale Wohnungsbau vor sich hin tröpfelt.
Denn augenscheinlich ist das Interesse auch in der Leipziger Verwaltung viel größer, die Sorgen der Einkommensreichen zu erfüllen, als die der Niedrig- und Normalverdiener, die die Enge des bezahlbaren Wohnungsmarktes tatsächlich erleben.
Es gibt 6 Kommentare
Verstehe diesen kommunistischen verbalen Ausbruch nicht. Die DDR gibt es nicht mehr!
Da werden hier im Artikel Leute madig gemacht, die sich selber ein Haus bauen wollen. Leipzig ist dazu nicht in der Lage! Über die tollen Wohnquartiere wird seit Jahren nur gelabert! Ein einziges neues Wohn-Hochhaus ist seit der Wende in Grünau gebaut worden! Leipzig verhindert seit Jahren den Abriss der alten Wohnblocks, die Leute sollen gefälligst mit dem zufrieden sein was zu DDR-Zeiten gebaut wurde. Anständige neue Wohnquartiere hätte es in Leipzig schon längst geben können, aber man will ja nicht und vergrault damit viele potentielle Mieter oder Wohneigentümer.
Finde den Artikel einfach nur blöd!
Also die jungen Familien mit Kindern müssen ein Fett verdienen, alter Falter….
Ich höre und lese immer dass ausgerechnet junge Familien sind die auf’s Land oder am Stadtrand ihr Häuschen bauen wollen. Hr. Julke, ihr erster Satz ist so was von daneben. Die Stadt ist selbst schuld, keine Wohnungen für Familien mit Kindern und wenn welche verfügbar sind. Für die Miete kann man sich ein Haus bauen….
Übrigens sind die Deutschen diejenigen die am wenigsten Wohneigentum besitzen in Europa.
@Tobias: Es geht hier auch um Flächengerechtigkeit. Welcher im Einkommensmedian liegender Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin soll sich denn derzeit ein EFH leisten können? Du zäumst das Pferd von hinten auf; warum sollen für die Leute, die nur einen kleinen Prozentteil der Bevölkerung ausmachen, Flächen langfristig einer Nutzung für andere entzogen werden? Das entspricht in keiner Weise den Zielkriterien des integrierten Stadtentwicklungskonzepts und eine anachronistische Maßnahme. Die Stadt kann nicht den Zuzug der Bewohner weiter beobachten und dann 400 m² für lediglich 3 Leute versiegeln und einziehen lassen. Dann doch lieber Mehrfamilienhäuser / Wohnanlagen bauen und den Leuten über sozial faire Finanzierungsmöglichkeiten den Weg zu Wohneigentum sichern. So baut man auch die Eigentumsquote auf. Und in ner Stadt weiterhin EFH zu fordern find ich einfach absurd.
Man kann auch eine Eigentumswohnung erwerben und damit vererben.
Ein Mehrfamilienhaus kann man auch mit “moderner Technik” ausstatten.
Beides keine Argumente.
Ich finde es nicht mehr zeitgemäß, dass kommunale Flächen verkauft werden, egal zu welchem Zweck. Wenn es sein muss, dann verpachten.
Im Übrigen soll doch jeder so wohnen, wie er will, auch gern im eigenen Haus. Das geht keinen was an.
Für mich passt nicht zusammen, dass man sich einerseits ein großes Haus hinstellt, mit entsprechendem Umwelt-Fußabdruck, gern auch außerhalb der Stadt. Andererseits aber die Wallbox, Photovoltaikanlage oder Wärmepumpe steuerlich (für die Umwelt!) gefördert wird.
Es gibt Darlehen von der KfW-Bank, die sehr zinsgünstig sind, das muss reichen.
Was ein elendiger Neidartikel.
Warum sollen nur westdeutsche Großvermieter Immobilien besitzen dürfen und die Leipziger schön Miete bezahlen sollen?
Zudem sind EFH meist mit moderner Technik ausgestattet und brauchen eben nicht russisches Erdgas zu verheizen, sondern nutzen idealerweise selbst produzierten Solarstrom und Wärmepumpe.
Geht halt im sozialistischen Plattenbau nicht so einfach.
„Es sind gleichzeitig Haushalte, die sich in Leipzig locker jede Mietwohnung leisten können“.
Ja, das könnten die, wollen es aber nicht und stimmen lieber mit den Füßen ab. Haben sie doch verinnerlicht, dass alle, die nicht mit dem goldenen sondern mit dem Plastiklöffel im Mund geboren wurden einmal im Leben die Wohnung oder das Haus bezahlen, worin sie wohnen. Nur stehen die einen am Ende im Grundbuch, die anderen nicht. Aktuell wird in der sommerlochigen Diskussion um ein staatliches Grunderbe beklagt, dass es in der hiesigen Region im Vergleich zu westlicheren Gefilden wenig zu erben gibt. Um daran etwas zu ändern, muss eine Generation mit der Vermögensbildung anfangen. Wohneigentum ist der klassische erste Schritt. Ist das geschafft und kommen keine beruflichen oder gesundheitlichen Katastrophen dazwischen und auch keine teure Scheidung, dann landet die bisher bezahlte Rendite des Vermieters dort, wo sie im Interesse einer ausgeglicheneren Vermögensverteilung im Land besser aufgehoben ist, nämlich in der eigenen Tasche. Der Nachwuchs startet bereits mit dem versilberten Löffelchen und weiß es hoffentlich zu schätzen.
Und ja, für viele liegt Wohneigentum beim derzeitigen Preisniveau außerhalb ihrer finanziellen Reichweite, freistehende EFH´s sind wegen ihres Flächenverbrauchs in einer großen Stadt suboptimal und im unteren Preissegment muss sich bei Miete und Eigentum dringend was tun, da ist viel zu viel Gier und Spekulation eingepreist. Immerhin macht jeder, der ins Umland abwandert, eine Wohnung in Leipzig frei. Ist doch auch was, oder?