Da kann ein Stadtrat 2019 zwar ganz offiziell den Klimanotstand ausrufen. Aber wirklich ernst zu nehmende Folgen hat das in der Leipziger Stadtpolitik bis jetzt nicht. Ausgerechnet beim sensiblen Thema Baumbestand tut Leipzigs Verwaltung noch immer so, als hätte man noch Jahre Zeit, um Ausgleich für die massiven Baumverluste zu schaffen.

Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Leipziger Stadtrat weist nun nach drei entsprechenden Anfragen an die Verwaltung auf den dramatischen Baum- und Grünflächenschwund in Leipzig hin. Denn nicht mal beim Ersatz der Park- und Straßenbäume, die unter Dürre und Sturmschäden gelitten haben, kommt die Stadt noch hinterher.

„Auch bedingt durch die Extremwettereignisse der letzten Jahre gibt es bei Straßen- und Parkbäumen einen Verlust, wie die Antworten auf eine Anfrage im Stadtrat zeigen“, fasst der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Jürgen Kasek die Situation zusammen. „Lediglich bei den Straßenbäumen konnte ein geringer Zuwachs erzielt werden, der allerdings weit von den avisierten 1.000 neuen Bäumen pro Jahr entfernt ist.

Baumfällungen und Baumpflanzungen in Leipziger Parks und Straßen. Grafik: Stadt Leipzig
Baumfällungen und Baumpflanzungen in Leipziger Parks und Straßen. Grafik: Stadt Leipzig

Bei den Parkbäumen hingegen gibt es sogar fast einen vierstelligen Verlust pro Jahr. Rechnet man die Rodungen auf Grün- und Brachflächen und den Verlust von Waldbäumen hinzu, verliert die Stadt pro Jahr mehr als 1.000 Bäume.“

Und dann ist da ja noch der massive Verlust durch Rodungen auf Baugrundstücken, für die oft gar keine Flächen für Ersatzpflanzungen zur Verfügung stehen. Im Stadtgebiet sind solche Flächen kaum noch zu finden. Stattdessen geht weiterhin Grünland verloren – mal durch neu ausgewiesene Gewerbegebiete, mal durch neue Wohnbebauung.

„Hinzu kommt der Umstand, dass mehr als 10 % der beantragten Fällungen als sogenannte Fiktionsgenehmigung erteilt werden, was bedeutet, dass vorher keine Tiefenprüfung stattgefunden hat. Fakt ist, dass wir keinen Zuwachs an Bäumen haben, sondern einen deutlichen Verlust“, kritisiert Kasek.

„Das Problem besteht auch darin, dass das Thema weder in Verwaltungsspitze, noch im Stadtrat ausreichend ernst genommen wird. Statt zum Beispiel wie am Beispiel des Schützenhofes an der Hans-Driesch-Straße das Zeichen zu setzen und deutlich zu machen, dass man langfristig mit dem Schützenverein eine Lösung will, damit das Gelände wieder in den Auwald integriert werden kann, gewichten alle anderen Fraktionen die Belange des Umwelt- und Naturschutzes nachrangig.“

Und so schaut man sehenden Auges zu, wie Leipzig immerfort Baumbestände und Grünflächen verliert. Obwohl das Gegenteil passieren müsste, um die Stadt im Klimawandel zukunftsfähig zu machen und kommende Hitzewellen auch nur einigermaßen erträglich zu machen.

Die Baumschutzsatzung erweist sich als zahnloser Tiger und lässt selbst da Komplettrodungen zu, wo in weiterem Umfeld kein Grünersatz möglich ist, von einem Ausweichort für die vertriebenen Tierarten ganz zu schweigen.

Und der „grünen Lunge“ der Stadt geht es auch nicht wirklich gut.

„Der Auwald täuscht dabei auch darüber hinweg, dass der Waldanteil im Stadtgebiet Leipzig mit 6,5 % deutlich unterdurchschnittlich ist und Leipzig damit zu den waldärmsten Regionen zählt. Wir brauchen ein radikales Umdenken“, sagt Kasek und redet den Verwaltungsmitarbeiterinnen ins Gewissen.

„Umweltschutz darf nicht ständig nachrangig behandelt werden und der Erhalt von Grünflächen und Bäumen muss vor den Ausgleichsmaßnahmen gelten, zumal auch die Ausgleichsflächen zu wenig kontrolliert werden. Die Folge von zu wenig Grün in der Stadt ist eine Überhitzung, der Verlust von Lebensräumen, was sich negativ auf die Artenvielfalt auswirkt und im Ergebnis auch eine Verschlechterung der Lebensqualität nach sich zieht.“

Aufgrund dieser Tatbestände hat die Grünen-Fraktion einen neuen Antrag zur Waldmehrung ins Verfahren gebracht, der das Ziel verfolgt, den Anteil der Waldfläche in Leipzig mittelfristig auf 10 Prozent zu erhöhen. Außerdem sind zwei Anträge in Vorbereitung: Zum einen soll ein Ausgleichsflächenkataster aufgebaut werden, um Eingriffe und Ausgleichsmaßnahmen im Naturhaushalt transparent zu machen.

Zum anderen soll der Umsetzung von Bäumen der Vorrang vor Fällung und Neupflanzung eingeräumt werden, denn große alte Bäume sind für den Klima- und Artenschutz wesentlich bedeutsamer als junge und noch trockenheitsanfällige Bäume. Bei den kommenden Haushaltsverhandlungen soll zudem der Bereich Baumschutz in der Stadtverwaltung personell stärker untersetzt werden.

Die Debatte vom 15. März im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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Wer Baum sagt, muss auch Lebensraum meinen. Nicht umsonst sagt das BNatSchG unter anderem im § 39 und 44, dass Lebensstätten, Fortpflanzungs- sowie Ruhestätten geschützt sind und nicht zerstört werden dürfen, andernfalls ein Ausgleich zu erfolgen hat. Damit wird auch klar, dass die Baum-Ab-Zeit von Oktober bis Februar (ebenso § 39) eigentlich keine solche ist, denn das Verbot der Zerstörung der Lebensstätten gilt gleichzeitig. Die Stadt hat die Pflicht, bei jeglichem Antrag auf Eingriff in den Baumbestand zu prüfen ob solche Lebensstätten vorhanden sind, unabhängig der Jahreszeit, sei es die Spatzenkolonie im Efeugehölz oder eben die Baumhöhle als Ruhestätte außerhalb der Brutsaison für Grünspecht und Co; aber nicht nur Vögel profitieren, auch Fledermäuse, Insekten, Kleinsäuger usw.

Ganz perfide wird es ja dann, wenn der Bürger, wie man ja im Artikel lesen kann, Fällerlaubnis stellt und ohne Kontrolle oder sonstiges eine solche Lebensstätte zerstört wird, wenn nicht gar einen höhlenreichen Einzelbaum und damit geschütztes Biotop nach § 21 SächsNatSchG. Es darf doch nicht in der Verantwortung der Bürger liegen einzuschätzen ob der Baum da vor ihm evtl. auch eine geschützte Lebens-, Ruhe- oder Fortpflanzungsstätte enthält und dann bei entsprechender Leistungsunfähigkeit der Behörde diese dann zulässt in Fiktion Genehmigungen zu erteilen. Das erfordert sachverständige Einschätzung, die hier wohl wie es scheint aufgrund personeller Unzulänglichkeiten lediglich ab und an genutzt werden kann. Es muss mehr Personal geben und dann auch solches, die nicht nur “den” Baum betrachten, sondern auch seine Funktion.

Und wenn man dann an dem Punkt ist – und das betrifft vorrangig wegen der entsprechenden Vorlaufzeit Areale die im Bauplanungsverfahren mit B-Plan belegt werden sollen – muss man auch für VORGEZOGENE Ausgleichsmaßnahmen sorgen, die bereits zum Zeitpunkt der Fällung der Bäume den selben funktionellen Wert entfalten. Man stelle sich mal vor, Mietshaus A wird abgerissen und erst wenn das dortige Neubauprojekt errichtet wird, kümmert man sich um die Anlage von Ersatzwohnraum. Wohin mit dem Mensch? Würde man sich sofort fragen. Bei den Tieren heißt es unisono: Die haben noch Platz. Aber das stimmt nicht. Denn diese Argumentation stellt man ja auch beim Mensch nicht an. Dort wo bereits Wohnflächen vorhanden sind, sind diese belegt, sei es nun Mensch oder Vogel. Prominentes Beispiel ist der Leuschnerplatz. Das Stadtplanungsamt hat (nachzulesen hier ab Seite 10 bzw. ab 21 sehr konkret https://buergerbeteiligung.sachsen.de/portal/leipzig/beteiligung/themen/1024448/1039548) wohl damit argumentieren wollen, dass die dortigen Brutvögel ja ganz bequem in den Schillerpark sowie die anderen Parks ausweichen können. Man kann schön lesen, was das fachlich versierte Umweltamt sagt, nämlich: So ein Quatsch, das stimmt nicht, alles belegt! Und, was passierte? Der Leuschnerplatz wurde dennoch gerodet. Wo sind die Ersatzlebensräume? Wo sollen die Vögel jetzt hin, wenn diese aus den Winterquartieren zurückkehren? Was ist mit den Vögeln, die in den Bäumen ihre Ruhe- und Lebensstätten hatten?

Da bringt Waldmehrung nix, wenn Projektentwickler die Axt schwingen lassen dürfen wie verrückt und der Ausgleich – sofern überhaupt – erfolgt, dann viel zu spät. So verhindert man kein Artensterben, so verstärkt man es!

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