Auch diese Abstimmung im Leipziger Stadtrat ging am 9. Juli schnell über die Bühne und zeigte eigentlich, wie völlig aus der Zeit gefallen das Autodenken von AfD und CDU mittlerweile ist. Im April, mitten im Corona-Shutdown, hatte die AfD-Fraktion im Stadtrat die Aussetzung der Leipziger Umweltzone beantragt. Auf die Idee muss man erst einmal kommen, wenn nur noch 3,5 Prozent aller registrierten Fahrzeuge keine Grüne Palette haben. Die Zahl sinkt seit Jahren.
Und die Wirtschaftsfahrzeuge, deren Halter noch kein neues Fahrzeug mit Grüner Plakette erwerben konnten, haben in der Regel eine beantragte Sondergenehmigung zum Einfahren in die Stadt.
Wenn Sylvia Deubel für die AfD-Fraktion ausgerechnet den Wirtschaftsaspekt vorbrachte, war das ziemlich genauso wirklichkeitsfremd wie das wiederholte Argument von den nicht gesunkenen Stickoxidwerten an den Messstellen. Dazu hatte ja die CDU-Fraktion extra nachgefragt, nachdem deutschlandweit darüber diskutiert worden war, dass die gemessenen Stickoxidwerte an den Messstellen einiger westdeutscher Städte nicht zurückgegangen sind im Corona-Shutdown.
Doch die Verwaltung rechnete auch der CDU-Fraktion vor, dass die Messwerte in Leipzig-Mitte sehr wohl zurückgegangen sind. Ohne die speziellen Wettereinflüsse, die man immer mit berücksichtigen muss, wären sie sogar noch stärker zurückgegangen.
Wobei das nicht einmal das Entscheidende ist. Denn viel wichtiger ist, dass die 2011 eingeführte Umweltzone über die Jahre ihre Wirkung entfaltet hat und Leipzig es so geschafft hat, seit drei Jahren unter den von der EU gesetzten Grenzwerten für Stickstoffdioxid zu bleiben.
„In der Zeit der aktuell herrschenden COVID-19-Pandemie ist von – auf das Infektionsrisiko bezogen – berechtigten Vorbehalten vieler Leipziger Bürger gegenüber dem ÖPNV und einem wohlbegründeten Interesse auch am motorisierten Individualverkehr auszugehen. Dem muss die Stadt Leipzig mit Rücksicht auf die geschwächte hiesige Wirtschaft und die zu erwartende generell angespannte Wirtschaftslage Rechnung tragen“, hatte die AfD-Fraktion in ihrem Antrag geschrieben.
„Eine temporäre Aussetzung der Umweltzone wäre eine gangbare Lösung, das Infektionsrisiko in der Zeit der Coronavirus-Pandemie zu schmälern und dabei sichere Arbeits- und Versorgungswege zu gewährleisten.“
Eine Argumentation, von der schon in der Stellungnahme des Dezernats Umwelt, Ordnung, Sport nicht viel übrig blieb. Denn selbst das von der AfD imaginierte Interesse irgendwelcher Firmen außerhalb der Stadtgrenzen, für Aufträge in der Stadt eine Sondergenehmigung zu bekommen, ist gleich null.
„Mit der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland bzw. einer ersten bekannt gewordenen Infektion in Leipzig (Anfang März) sind bei der Stadt Leipzig keine Anfragen hinsichtlich möglicher Ausnahmen vom Fahrverbot eingegangen“, stellte das Ordnungsdezernat fest.
„Dies lässt darauf schließen, dass es keinen Bedarf gibt, auf welchen ein Tätigwerden der Stadtverwaltung gestützt werden könnte. Im Übrigen gelten die bisherigen Regelungen zur Erteilung einer Ausnahme vom Fahrverbot in der Umweltzone zwecks Vermeidung sozialer oder wirtschaftlicher Härten unverändert fort (vgl. Information auf der Webseite der Stadt Leipzig). Gegenwärtig gibt es noch zwei Einzelausnahmegenehmigungen, die für Pkw zum Befahren der Umweltzone erteilt sind.“
Die AfD hat also ein Problem ausgemalt, das so gar nicht existiert – und eine Lösung vorgeschlagen, die überhaupt keinen Sinn macht.
Normalerweise hätte die CDU-Fraktion an dieser Stelle auch einmal mit SPD, Grünen und Linken stimmen können. Sie hat ja die Antwort auf ihre NOx-Anfrage ganz sicher gelesen. Doch verblüffenderweise stimmte die CDU-Fraktion wieder einmal mit der AfD-Fraktion. Die anderen Fraktionen sahen nicht einmal die Notwendigkeit, auf so einen schrägen Antrag mit Gegenrede einzugehen. Ergebnis: Der AfD-Antrag wurde am Donnerstag, 9. Juli, mit 37 : 17 Stimmen abgelehnt.
Die Debatte vom 9. Juli 2020 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
Antrag der AfD-Fraktion zur Aufhebung der Leipziger Umweltzone macht nicht mal aus Gesundheitsgründen Sinn
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