Das Biosiegel des Mรคrkischen Wirtschaftsverbunds e. V. โFair regionalโ kรถnnte ein Vorbild sein, fand die Grรผnen-Fraktion im Mรคrz. Da reichte sie einen entsprechenden Antrag ein: Leipzig soll ein โSiegel fรผr regionale Bioprodukte entwickelnโ.
Denn eins ist Fakt: Wer regionale Produkte kauft, hilft nicht nur direkt der eigenen regionalen Wirtschaft, er schont auch gleich noch die Umwelt und das Klima. Denn das meiste Zeug, was man im Supermarkt bekommt, wurde vorher oft in Billiglohnlรคndern produziert und dann auch noch tausende Kilometer weit mit Schiff oder Flugzeug durch die Welt gekarrt.
Eigentlich sollte irgendwer im Leipziger Umweltdezernat schon lange an so etwas arbeiten. Denn schon 2017 wurde das Dezernat dazu verpflichtet, โzur Fรถrderung regionaler Bioprodukteโ ein Konzept zu entwickeln, โum den Vertrieb nachhaltig erzeugter Landwirtschaftsgรผter in der Region zu stรคrken.โ
Die Grรผnen wiesen also mal wieder darauf hin, dass die Verwaltung eine uralte Hausaufgabe immer noch nicht abgearbeitet hat.
Das zustรคndige Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport hat nun Stellung bezogen. Aber irgendwie hat mal wieder jener Sachbearbeiter das Sagen, der haufenweise tolle Begrรผndungen findet, Dinge nicht tun zu mรผssen: โBisher besteht keine Einigkeit darรผber, ob ein entsprechendes Siegel dem angedachten Zweck tatsรคchlich dienlich ist. So wird angefรผhrt, dass bereits eine Vielzahl von Siegeln mit Regional- bzw. Nachhaltigkeitsbezug im Lebensmittelhandel zur Anwendung kommt, bei denen auch umweltbewusste Verbraucher schnell den รberblick verlieren. Ein weiteres Siegel wรผrde daher keinen echten Mehrwert bringen, zumal der Begriff โregionalโ im Sinne der Land- und Ernรคhrungswirtschaft kein gesetzlich bestimmter Begriff ist und im โLeipziger Tieflandโ eine geeignete Gebietskulisse fehlt, an deren rรคumlicher Abgrenzung man sich orientieren kรถnnte.โ
Nu ja, womit der Antrag der Grรผnen ja erledigt ist, mausetot. Was dem emsigen Sachbearbeiter noch nicht genรผgte. Er legte noch eine Schippe drauf, damit die Grรผnen tatsรคchlich begreifen, dass sie ihn mit dem Vorschlag nicht noch einmal in seiner Bรผroruhe stรถren dรผrfen.
Denn: โDie Einfรผhrung eines Siegels, welches die regionale Produktherkunft und dessen nachhaltige Erzeugung belegt, wรผrde zudem aufgrund des geringen Anteils biologisch wirtschaftender Landwirtschaftsbetriebe im Leipziger Umland nur eine geringe รถffentliche Wahrnehmung erfahren. Zudem ist die Erzeugung in biologischer Landwirtschaft bereits europarechtlich geregelt und wird durch das EU-Biosiegel kenntlich gemacht, sodass die Einfรผhrung eines neuen Siegels unter Umstรคnden unzulรคssig wรคre. Wรผrde man sich des bestehenden EU-Siegels bedienen, bliebe juristisch zu klรคren, ob sich dieses um eine regionale Herkunftskennzeichnung erweitern lieรe.โ
Dabei hatten die Grรผnen vor zehn Jahren beantragt, den Anteil der โbiologisch wirtschaftenden Landwirtschaftsbetriebeโ auf Leipziger Besitz zu erhรถhen, und zwar deutlich. Ist dummerweise nur nicht passiert.
Sind die Grรผnen jetzt knockout geschlagen? Oder zuckt noch ein Augenlid? Kein Problem: Der Sachbearbeiter kennt alle Finten, die damit drohende Arbeit abzuwimmeln. Auch diese hier: โAuch wรคre eine Kontrollinstanz fรผr den produktbezogenen Verwendungsnachweis eines solchen โBiosiegels mit regionaler Herkunftโ zu definieren, um Verbrauchertรคuschungen vorzubeugen. Abschlieรend wรคre die Einfรผhrung eines โRegionalsiegelsโ als Beleg fรผr die rรคumliche Herkunft sicherlich umsetzbar, birgt aber in Verknรผpfung mit biologischen Herkunftskriterien grรถรere juristische Hรผrden.โ
Das ist also schon mal der Wink mit dem Rechtsanwalt.
Und dann hatte der Bearbeiter sogar noch Lust auf einen kleinen Streich, denn die Stadt hat ja gerade wieder eins dieser schรถnen Beteiligungsprojekte gestartet, mit denen sich ein tatkrรคftiger Bรผrgermeister alleweil gern schmรผckt: โDie Stadt engagiert sich seit Anfang 2019 im interkommunalen Forschungsprojekt โWERTvoll โ Stadt-Land-Partnerschaft Leipzig & Umlandโ, wobei landwirtschaftliche Nutzflรคchen durch produktionsintegrierte Kompensationsmaรnahmen als Grundlage fรผr eine gesunde und regionale Lebensmittelproduktion erhalten und praxisgerechte Lรถsungen zur Verbesserung der Grund- und Flieรwasserqualitรคt erarbeitet werden sollen. Hierbei ist auch die Einfรผhrung eines โRegionalsiegelsโ fรผr landwirtschaftliche Produkte geplant, welches die regionale Wertschรถpfung fรผr Leipzig und sein Umland nachhaltig erhรถhen kann. Die Stadt wird das Projekt konstruktiv begleiten und ganz sicher von den Erfahrungen hinsichtlich der Einfรผhrung eines โregionalen Bio-Siegelsโ profitieren.โ
Dass diese Aussage so komplett all dem widerspricht, was er vorher in drei Absรคtzen so รผberzeugend erklรคrt hat, ist dem etwas bรผromรผden Sachbearbeiter dann mรถglicherweise nicht mehr aufgefallen.
Ach ja, eins wollte er dann noch loswerden: โDie Leipzig Region prรคsentiert sich auf der Internationalen Grรผnen Woche in Berlin.โ
Und so wurde der eigentliche Kern des Grรผnen-Antrags, der ja eigentlich darauf zielt, dass die Landwirtschaftsbetriebe rund um Leipzig mรถglichst bald zu einer echten รถkologischen Landwirtschaft รผbergehen, vรถllig entkernt und in etwas verwandelt, was die Stellungnahme dann als โAlternativvorschlagโ bezeichnet.
Der ursprรผngliche Sinn lautete nรคmlich so: โDer Stadtrat beschlieรt die Entwicklung eines Leipziger regionalen Siegels fรผr zertifizierte Bioprodukte.โ
Das klang nach Dampf, Zielvorgabe und ein bisschen Tempo.
Der mรผde Sachbearbeiter mรถchte es aber lieber so klingen lassen: โDer Oberbรผrgermeister wird beauftragt, die Entwicklung eines โLeipziger Regionalsiegelsโ fรผr nachhaltig erzeugte Lebensmittel zu prรผfen und gegebenenfalls gemeinsam mit weiteren Projektpartnern, wie Umlandgemeinden und -produzenten sowie dem in Grรผndung befindlichen Leipziger Ernรคhrungsrat umzusetzen.โ
Das klingt dann eher nach: Immer langsam mit den jungen Pferden. Wir arbeiten doch erst zwei Jahre dran. Reicht das nicht?
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NEIN, auch wenn Ostern ist: keineswegs handelt es sich um einen โmรผden Sachbearbeiterโ die diesen Verwaltungsstandpunkt verfasste, sondern um einen der Sorte, mit der die hiesige Verwaltung gesegnet ist und die immer dann aktiv zu werden hat, wenn es gilt, konstruktive, lรคngst fรคllige und zukunftsweisende Antrรคge, Initiativen, bรผrgerschaftliches Engagement, ja selbst die โfreiwilligen Selbstverpflichtungenโ der Leipziger รmter und die selbsterfundenen โBรผrgerbeteiligungenโ komplett ins Leere laufen zu lassen und mit sprachlicher Akrobatik von Feinsten zu konterkarrieren und auszuhebeln. So fรผhrt man Demokratie ad absurdum und zementiert die allenthalben um sich greifende Diktatur der Veerwaltung. Kein Wunder, dass die Menschen zu ProtestwรคhlerInnen werden โ nun mรผssen die nur noch verstehen, wer ihre Interessen tatsรคchlich wahrzunehmen beabsichtigt und dazu die Parteiprogramme LESEN! Diejenigen, die am lautesten Bellen, sind oft die, die nur ihre eigenen Prfรผnde verteigen wollen. Also: Lesen, auch das Kleingedruckte auf den hinteren Seiten!