Auch nach der Absage der Legida-Demonstration am Freitag gab es bei Teilnehmern der Demos und interessierten Bรผrgern noch genug Gesprรคchsbedarf am gestrigen 3. Februar in der Volkshochschule. Deutlich wurde im Rahmen der zweiten Dialogveranstaltungung an der Lรถhrstraรe, dass nicht unbedingt Politikverdrossenheit herrscht im Lande. Mehrfach wurde zudem ausgedrรผckt, wie positiv es empfunden wird, dass Menschen fรผr politische Vorstellungen auf die Straรe gehen. Es ist wohl eher eine Mischung aus Enttรคuschung und Resignation, die derzeit intensiv bewegt.
Aus dieser Enttรคuschung kann im ungรผnstigsten Fall auch Verรคrgerung erwachsen. Gerade diese wird durch aktuelle Vorgรคnge auch rings um das Demonstrationsgeschehen von Legida und Nolegida in Leipzig weiter verstรคrkt. Etliche Herren mittleren Alters berichteten am gestrigen Abend von Bedrohungen, die ihnen auf Hรถhe des Schwanenteiches auf dem Weg zur Legida-Demonstration begegneten. Bei den Rufen โHaut ab ihr Nazi-Schweine!โ fรผhlten sie sich missverstanden. Glaubwรผrdig konnten sie auch in Gesprรคchen nach dem Diskussionsabend versichern, dass es ihnen eigentlich um Themen wie mehr Bรผrgerbeteiligung und Mitwirkung gehe.
Die Frage, was dies mit der im Namen der Veranstalter enthaltenen โIslamisierung des Abendlandesโ zu tun hat, blieb ungeklรคrt. Teilweise stellt sich aber immerhin die Erkenntnis ein, dass man โdiese 500 Neonazis und Hooligansโ gerne los wรคre. Auch dass die Redner bei der Demonstration von Legida in groรen Teilen Schwachsinn erzรคhlt hรคtten, sah Handwerker Timo bei einem Gesprรคch vor der Volkshochschule so. Die Asylpolitik bewegte allerdings weiterhin und auch die Unsicherheit รผber die vielen dazu kursierenden Zahlen. Hier konnte Student Marcel mit Erklรคrungen etwas Licht ins Dunkel bringen.
Wรคhrend des offenen Forums wurde dieses Mal deutlich mehr auf die Positionen der Vorredner eingegangen und sich auch stรคrker mit den Argumenten auseinandergesetzt als bei der ersten Auflage. Auch das Interesse der Kommunalpolitiker war hรถher. Mit Skadi Jennicke, Renรฉ Hobusch und Axel Dyck waren schon drei Stadtrรคte vor Ort, hinzu gesellte sich Marco Bรถhme von der Landtagsfraktion der Linken. Auch Kulturbรผrgermeister Michael Faber hรถrte dem Gedankenaustausch am 3. Februar aufmerksam zu.
Die Redner waren noch stรคrker zur Einhaltung ihrer vereinbarten Redezeit von 3 Minuten gezwungen, da eine Sanduhr mitlief. Eine rote Karte, ebenso eine Neueinfรผhrung, kam nicht zum Einsatz. Aufgrund einiger รuรerungen beim letzten Termin vor zwei Wochen, hatte Moderator Rolf Sprink vorgesorgt und schon bei seiner Begrรผรung als Direktor der Volkshochschule erklรคrt, dass fremdenfeindliche Wortmeldungen rigoros unterbrochen wรผrden. Es kam dieses Mal nicht dazu.
โฆ und Marco Bรถhme von der Landtagsfraktion der Linken diskutierten mit. Foto: Sebastian BeyerThematisch ging es durchaus querbeet, manches blieb etwas unscharf. Neben der Asylpolitik waren das Freihandelsabkommen TTIP, Formen direkter Demokratie und eben die Gewalt von beiden Seiten bei den Demonstrationen die bewegenden Punkte. Bei bestimmten Themen lieรe sich sicher sogar eine Einigkeit erzielen. Unter Anderem dabei, dass es einiges verbessern kรถnnte, wenn auf Seiten von Legida eine deutliche Distanzierung vom Fremdenhass stattfinden wรผrde. Zumal es darum den Teilnehmern des gestrigen Dialogs eher nicht geht.
Doch welche Alternativen bestehen derzeit?
Auch auf No Legida-Seite scheinen auรer dem โWir gegen Euchโ die Themen dรผnn gesรคt. Vielleicht wรคre etwas konstruktivere Kritik an den Verhรคltnissen auch hier gewinnbringend und brรคchte auf beiden Seiten die Vernรผnftigen einen Schritt nรคher zueinander. Dass dies grundsรคtzlich denkbar ist, bewies der Abend. Auch der Wunsch danach wurde geรคuรert: โWir reden hier von den Problemen, aber warum sollten wir nicht mal รผber Lรถsungsansรคtze diskutieren?โ, fragte eine junge Frau.
Michael Faber erklรคrte gegenรผber der L-IZ, was ihn zum Besuch der Veranstaltung bewegte: โZunรคchst bin ich als Bรผrger der Stadt hier und neugierig auf die polarisierte Meinung. Ich nehme viele Fragen, aber wenige Antworten wahr. Als Vertreter der Stadtverwaltung bin ich zunรคchst glรผcklich, dass sich die Volkshochschule fรผr diesen Dialog รถffnet. Sich einander zuhรถren ist der wichtige erste Schritt. Es werden natรผrlich viele Punkte angesprochen, an denen die Kommunalverwaltung wenig Spielraum hat. Das Demonstrationsrecht setzen wir bestmรถglich um, die Regularien werden auf hรถherer Ebene beschlossen.โ
Der viel gehรถrte Ruf: โHaut ab!โ sei laut Faber โinsofern gefรคhrlich, da er keine Bereitschaft zeigt, sich mit teilweise berechtigten รngsten auseinanderzusetzen.โ
Basisdemokratisch konnten sich alle Zuhรถrer zur gewรผnschten Form einer Fortsetzung รคuรern. Von โDie Politiker brauchen wir nicht, es mรผssen die Bรผrger zu Wort kommenโ รผber โEs mรผsste ein alternativer Stadtrat gebildet werden!โ bis โDie derzeitige Form ist gut, aber es mรผssen Gegenfragen an den Redner erlaubt seinโ, reichte das Spektrum der Wรผnsche. Rolf Sprink kann sich sogar ein monatliches Seminar zu bestimmten Schwerpunktthemen aus den Dialogveranstaltungen vorstellen. Wie schon vor zwei Wochen berieten die Ausrichter anschlieรend รผber die Form einer Fortsetzung. Dass es eine geben wird, ist hingegen angesichts der nach wie vor vorhandenen Grรคben sicher.
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Es gibt 2 Kommentare
Danke fรผr die Lorbeeren. Das mag daran liegen, dass die Kollegen es nicht fรผr nรถtig hielten, bis zum Schluss zu bleiben und dann sogar noch zusรคtzliche Zeit fรผr ein paar Gesprรคche zu finden.
Sehr geehrter Herr Beyer, Ihre Darlegungen heben sich wohltuend von denen zu dieser Veranstaltung in der LVZ ab. Ich hoffe Sie auch begrรผรen zu dรผrfen, falls die Volkshochschule mein gestriges Angebot annimmt, รผber die erheblichen Mรคngel bei der Kontrolle der Steuergelder in einer gesonderten Veranstaltung zu sprechen. Gegen eine Live-รbertragung durch die L-IZ hรคtte ich nichts einzuwenden, falls die Volkshochschule das gestattet.
Da das eine hochexplosive Thematik ist , bin ich gegenwรคrtig noch nicht davon รผberzeugt, dass es diese Veranstaltung geben wird, Sollte diese doch zustande kommen, was ich mir sehr wรผnsche, wรคre das ein sehr positives Signal (aus Leipzig).