Selbstständige sind nicht gleich Selbstständige. Es gibt auch in Leipzig die selbstständigen Unternehmer, die ein florierendes Unternehmen leiten und dabei in der Regel recht gut verdienen. Das sind meist die Unternehmer, die auch medial sichtbar werden. Dass aber der größte Teil der Selbstständigen Kleinstunternehmer sind, regelrechte Selbstausbeuter, das haben auch Leipzigs Statistiker lange Zeit nicht gesehen. In der „Bürgerumfrage 2017“ haben sie es zum ersten Mal thematisiert.
Die Umfrage macht übrigens auch sichtbar, wie viele Selbstständige Leipzig hat. Denn von 3.075 Erwerbstätigen erwiesen sich nach Auswertung der Umfrage 422 als Selbstständige. Das sind fast 14 Prozent. In den Vorjahren wurden sie alle in einen Topf geschmissen, sodass man mit den abgefragten Median-Einkommen der Selbstständigen in Leipzig praktisch nichts anfangen konnte. Die Werte schwankten zum Teil ohne Begründung, lagen anfangs immer im Niedriglohnbereich zwischen 1.080 und 1.316 Euro.
Erst ab 2012 ist ein signifikantes Anwachsen zu verspüren, wobei aber nicht nachprüfbar war, woran es lag. Haben sich die Unternehmensinhaber jetzt – parallel zum Lohnanstieg in der Gesamtwirtschaft – auch mehr Geld auf dem Konto gönnen können? Oder stieg der Wert einfach, weil immer mehr Selbstständige, die seit 2005 zwangsweise in die Selbstständigkeit gegangen waren, nun wieder in Festanstellungen zurückkehrten?
Wenigstens eines ist nun seit Herbst 2018 klar: Die meisten Selbstständigen in Leipzig sind nach wie vor Selbstausbeuter. Erstmals wurden die Selbstständigen nach solchen mit und nach solchen ohne Angestellte sortiert. Das Ergebnis ist eindeutig. Während die Chefs von Unternehmen in Leipzig im Schnitt 2.394 Euro an Einkommen hatten, kamen die Solo-Selbstständigen im Median nur auf 1.388 Euro.
Das ist kein ganz so übler Wert als Nettoeinkommen – für Leipziger Verhältnisse. Er liegt ein wenig überm Gesamtmedian aller Einkommen in Leipzig (1.328 Euro), aber eben schon deutlich unterm Median der Erwerbseinkommen, der lag nämlich bei 1.640 Euro. Selbstständige verdienten also deutlich weniger als Beamte und Angestellte, die in der Regel deutlich über 2.000 Euro kamen. Selbst einfache Angestellte und Beamte hatten mit 1.475 Euro ein höheres Medianeinkommen, Facharbeiter mit 1.506 Euro ebenfalls.
Im Detail wird es dann noch deutlicher, denn während Facharbeiter zu 90 Prozent über der 1.000-Euro-Schwelle lagen, schafften das von den Solo-Selbstständigen nur 70 Prozent. 30 Prozent dieser Selbstausbeuter hatten also im Monat weniger als 1.000 Euro zur Verfügung. In welchen Branchen sie tätig waren, wurde nicht erfasst. Denn natürlich schwanken die Einkommensmöglichkeiten nach Branche enorm. Es gab auch 18 Prozent der Solo-Selbständigen, die locker über 2.300 Euro Monatseinkommen kamen. Bei den leitenden Beamten und Angestellten schafften das freilich über 50 Prozent.
In der Statistik wird also auch sichtbar, dass auch Leipzig eine geteilte Stadt ist mit einer kleinen Schicht Vielverdiener – bei den Erwerbstätigen immerhin 22 Prozent. Zu denen kommen 30 Prozent, die mit 1.600 bis 2.300 Euro eher Normalverdiener sind. 35 Prozent verdienen in der eher unsicheren Zone zwischen 1.000 und 1.600 Euro. Und 13 Prozent sind – trotz Arbeit – einfach arm, kämpfen sich prekär durchs Leben. Und zu diesen gehören eben sehr viele Solo-Selbstständige.
Solo-Selbstständige machen übrigens mit 63 Prozent den größten Anteil an allen Selbstständigen aus.
Und in einem Nebensatz geht die Auswertung der Bürgerumfrage auch darauf ein, dass es auch unter den Selbstständigen mit Mitarbeitern gravierende Unterschiede gibt. Denn in den 53 Prozent, die in der Tabelle in der höchsten Klasse ab 2.300 Euro Nettoeinkommen auftauchen, sind wieder 20 Prozent in der Spitzenklasse ab 4.200 Euro zu finden, wo auch nur wenige höhere Beamte und Angestellte hinkommen. Wenn der Laden also richtig läuft, kommen einige erfolgreiche Unternehmer in Leipzig tatsächlich über die Spitzengehälter des öffentlichen Dienstes hinaus.
Die Bürgerumfrage bietet zum ersten Mal überhaupt so ein differenziertes Bild. Sie bestätigt aber auch, wie groß die Kluft zwischen den 60 Prozent der Selbstständigen ist, die mit ihrem Einkommen knapsen und knausern müssen, und den wenigen Gutverdienern in florierenden Unternehmen. Und man ahnt, dass die prekär lebenden Solo-Selbstständigen noch längst nicht Anteilhaben am allgemeinen Einkommensanstieg – ganz ähnlich wie die Niedriglöhner in Festanstellung.
Im Grunde gehört jeder zweite Leipziger noch immer zu den working poor
Im Grunde gehört jeder zweite Leipziger noch immer zu den working poor
Es gibt 2 Kommentare
ein Hinweis, ob generell von Brutto- oder Nettoeinkommen gesprochen wird, wäre hilfreich
Mit diesem Artikel wird endlich mal gezeigt, warum so wenige Firmen einen Nachfolger finden. Ich weiß gar nicht warum sich mancher darüber wundert und öffentlich jammert. Der hält die Augen und Ohren mit Gewalt geschlossen. Denn welcher Mensch will schon für viel Aufwand wenig Nutzen haben. Und nur die Liebe zum Beruf oder irgendwelcher Berufsstolz macht nicht satt. Das wird auch nicht finanziell belohnt. Sie die Artikel zur Lage der Selbständigen in Sachsen. Es ist und bleibt eine Frage des Geldes. Leider.