Die Zahlen liegen jetzt vor. Mit 3,2 Millionen Euro haben der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig den โKirchentag auf dem Wegโ finanziert. Das ist ein neuer Rekord in der staatlichen Subvention eines Kirchenfestes, stellt jetzt die Kunstaktion โ11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!โ fest. Und die geliebte Umwegrendite? Ein Mรคrchen fรผrs Volk.
Die Leipziger โ zumindest die aufmerksamen โ haben die Kunstaktion โ11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!โ zum Kirchentag wahrgenommen. Sie war auch 2016 schon da, zum katholischen Kirchentag. Da war es der erzรผrnte Moses, der den Kirchentagsteilnehmern predigte, sie mรถchten ihren Kirchentag bitteschรถn selbst bezahlen. Die eigentlich finanziell klamme Stadt Leipzig hatte 1 Millionen Euro dazuspendiert, weil man den Stadtrรคten ausfรผhrlichst erzรคhlt hatte, wie touristisch hilfreich der Kirchentag fรผr die Stadt Leipzig sein wรผrde.
Am Ende kamen deutlich weniger Gรคste als versprochen. Das touristische Argument war geschummelt.
Zum โKirchentag auf dem Wegโ kam Luther persรถnlich nach Leipzig โ in ganzer Blรถรe und weit geรถffnetem Professorentalar mahnte er gemeinsam mit dem mitreisenden Moses die Kirchentagsteilnehmer, sie sollten ihre Party bitteschรถn selbst bezahlen.
Was den โKirchentag auf dem Wegโ zum opulenten Luther-Jubilรคum betrifft, hat jetzt der linke Landtagsabgeordnete Andrรฉ Schollbach bei der Regierung nachgefragt, was der Spaร der Festteilnehmer den sรคchsischen Steuerzahler gekostet hat.
Ergebnis: Der โKirchentag auf dem Wegโ im Mai 2017 in Leipzig wurde prozentual betrachtet so sehr mit รถffentlichen Geldern gefรถrdert, wie noch kein anderer Kirchentag zuvor. Aus der Antwort des sรคchsischen Kultusministeriums auf die parlamentarische Anfrage des Landtagsabgeordneten Andrรฉ Schollbach geht hervor, dass der Kirchentag 5,36 Millionen Euro kostete. Hiervon zahlten der Freistaat Sachsen 2,25 Millionen Euro und die Stadt Leipzig 950.000 Euro โ zusammen also 3,2 Millionen Euro und damit 59,7 % der Kosten.
Vermutlich war der Prozentsatz noch hรถher. Durch diesen neuen Rekord setzt sich der Leipziger Kirchentag an Platz 1 der Statistik. Auf ihrer Internetseite listen die Aktivisten vom โ11. Gebotโ die Kosten der Kirchen- und Katholikentage auf und geben jeweils den Anteil der staatlichen bzw. kirchlichen Finanzierung an.
Bisher lagen auf den vorderen drei Plรคtzen mit der hรถchsten Staatsquote:
Platz 1: 58 % beim Evangelischen Kirchentag Bremen 2009
Platz 2: 57 % beim Evangelischen Kirchentag Dresden 2011
Platz 3: 52 % beim Evangelischen Kirchentag Berlin/Wittenberg 2017
Die Kritik der Kรผnstler: Die Kirche stellt es immer wieder gerne so dar, als wenn sie einen Anspruch auf die Subventionen hรคtte und nennt dies โDrittelprinzipโ. Danach werde jeweils ein Drittel der Kosten von der Kirche, vom Staat und รผber Eintrittsgelder finanziert. Tatsรคchlich hat die รถffentliche Hand aber fast zwei Drittel der Kosten des Leipziger Kirchentags bezahlt, wรคhrend der Anteil der Kirche lediglich 630.000 Euro und somit nur 11,75 % betrรคgt.
David Farago, Initiator der Kunstaktion, hierzu: โZwar sinken sowohl die Zahl der Kirchenmitglieder als auch die Besucherzahlen von Kirchentagen โ trotzdem รผbernimmt der Staat einen immer grรถรeren Anteil der Kosten. Diese Praxis verstรถรt gleich gegen mehrere Verfassungs- und Haushaltsprinzipien. Wir hoffen daher nun, dass der Landesrechnungshof sich einschaltet.โ
Maximilian Steinhaus, Pressesprecher der Aktionsgruppe โ11. Gebotโ, ergรคnzt: โDie Politik kann sich nicht mehr hinter der รผberholten Rechtsauffassung vom โKooperationsprinzip zwischen Staat und Kircheโ verstecken. Diese wird nur noch von Angehรถrigen der christlichen Kirchen selbst vertreten. In der Verfassung steht aber nichts von โKooperationโ, sondern dass Kirche und Staat getrennt sind. Und das muss endlich insbesondere bei den Finanzen umgesetzt werden. Wenn der Staat immer mehr eine Ideologie fรถrdert, obwohl immer weniger Menschen diese haben wollen โ wie soll das sonst verstanden werden, wenn nicht als Missionierung, als der Versuch einer โRechristianisierung des Ostensโ?โ
Die Besucherzahlen des Kirchentages erzรคhlen aber von keiner โRechristianisierungโ. Im Gegenteil: Das magere Ergebnis zeigt, dass den Veranstaltern โ genauso wie 2016 den Katholiken โ die ganz unglรคubige Mehrheit vรถllig egal ist. Es gab keine Angebote, sich dem gesamtgesellschaftlichen Diskurs zu รถffnen. Aber nur das hรคtte eine staatliche Fรถrderung der Feste eigentlich begrรผnden kรถnnen.
Die Aktiven vom โ11. Gebotโ fordern, dass wenigstens ein Teil der Subventionen zurรผckgezahlt wird.
Maximilian Steinhaus: โDer Kirchentag hat selbst eingerรคumt, dass aufgrund der wenigen Besucher auch die Kosten geringer ausfallen als erwartet. Gerade die Zuschรผsse der Stadt dienen aber dazu, Kosten zu decken, wie zum Beispiel fรผr die Anmietung von Schulen zur รbernachtung. Wenn diese Kosten nun geringer ausfallen, muss auch Geld zurรผckgezahlt werden.โ
David Farago: โAlles spricht dafรผr, dass der Anteil der รถffentlichen Hand an der Finanzierung sogar noch grรถรer ist: Zum einen subventioniert auch der Bund in aller Regel die Kirchentage. Fรผr Leipzig liegen uns diesbezรผglich zwar noch keine Zahlen vor, der Bund hat aber allein aus dem Etat der Kulturstaatsministerin 44 Mio. Euro fรผr das Reformationsjubilรคum 2017 ausgegeben, in das auch die โKirchentage auf dem Wegโ eingebettet waren. Darรผber hinaus geht unsere bisherige Berechnung der Staatsquote von 5,36 Mio. Euro Gesamtkosten aus. Da diese aber mangels Besuchern geringer ausfallen, steigt auch der prozentuale Anteil der รถffentlichen Hand.โ
Und dann kommen sie auf das Argument zu sprechen, mit dem auch in Leipzig wieder die formidable Unterstรผtzung mit 950.000 Euro begrรผndet wurde.
Die hohe Staatsquote kรถnne nicht mit der sogenannten โUmwegrenditeโ schรถngerechnet werden: Schon fรผr den Katholikentag 2016, der ebenfalls in Leipzig stattfand, schรคtzte das Leipziger Kulturdezernat die โechtenโ Steuermehreinnahmen der Stadt aufgrund von Ausgaben der Besucher und Veranstalter auf gerade einmal 180.000 Euro. Der Kirchentag 2017 hatte aber nicht einmal halb so viele Teilnehmer wie der Katholikentag im Jahr zuvor, daher werden die Steuermehreinnahmen sicher noch geringer ausfallen.
Die Kunstaktion wird getragen von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs).
In eigener Sache: Abo-Sommerauktion & Spendenaktion โZahl doch, was Du willstโ
Abo-Sommerauktion & Spendenaktion โZahl doch, was Du willstโ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher
Die sollten das lieber in die Bildung unserer Kinder stecken! Es ist nicht mehr nachvollziehbar, die reichen Kirchen bekommen noch Geld der Steuerzahler!