Schon mehrfach ist das Leipziger Ordnungsamt in den vergangenen Jahren mit einigen unverstรคndlichen amtlichen Verhaltensweisen aufgefallen. Zumeist wurde das ziemlich รคrgerlich fรผr Menschen, die tatsรคchlich nur ihre Rechte als Staatsbรผrger in Anspruch nahmen. Ein solcher Fall sorgt jetzt fรผr richtig รrger. Denn LEGIDA wird von Leipzigs Ordnungshรผtern augenscheinlich anders behandelt als die Gegendemonstranten. Den Vergleich bietet ein seinerzeit heiร diskutiertes Demo-Verbot fรผr LEGIDA am 9. Februar 2015.
Lang ist das her. Schon damals begann klarzuwerden, dass LEGIDA niemals den Zulauf erhalten wรผrde, wie Pegida in Dresden. Die Teilnehmerzahlen sanken. Man fing schon an so seine Spielchen zu spielen, um รผberhaupt noch genรผgend Teilnehmer fรผr einen Termin zu finden. Ein solcher Termin war der 9. Februar 2015. Fรผr den Tag war die LEGIDA-Demo dann aber โ wegen fehlender Polizeikrรคfte โ eigentlich verboten worden.
Aber an diesem 9. Februar 2015 versammelte sich trotz Versammlungsverbot eine dreistellige Zahl LEGIDA-Anhรคnger in der Leipziger Innenstadt. Zwar wurden 141 LEGIDA-Teilnehmer erkennungsdienstlich behandelt, im weiteren Verlauf blieb der Versuch, den verbotenen Aufmarsch trotzdem durchzufรผhren, jedoch ohne Konsequenzen. Denn am 22. Mai 2015 teilte die Landesdirektion Sachsen der stรคdtischen Versammlungsbehรถrde mit, dass man das Versammlungsverbot fรผr diesen Tag noch einmal auf seine Rechtsmรครigkeit geprรผft habe.
Ergebnis: Der Versammlungsbehรถrde wurde davon abgeraten, die ursprรผnglich angedachten Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen des rassistischen Aufmarschs einzuleiten.

Aber wenn es um die rechtliche Bewertung der LEGIDA-Demonstrationen und des Gegenprotests geht, messen die Stadt Leipzig und die Landesdirektion Sachsen augenscheinlich mit zweierlei Maร. Dies ergab jetzt die Antwort auf eine Anfrage der Grรผnen-Fraktion im Leipziger Stadtrat. Die Leipziger Versammlungsbehรถrde kam in zwei vergleichbaren Fรคllen zu dramatisch unterschiedlichen Einschรคtzungen. Was fรผr LEGIDA in Bezug auf den 9. Februar eine bloรe Anekdote blieb, wurde fรผr die Gegenproteste eine รผber 50.000 Euro teure Angelegenheit. Denn die Ordnungsstrafen gegen die Gegendemonstranten wurden rigide weiterverfolgt.
Dass die Behรถrden mit zweierlei Maร messen, wurde anhand des 2. Mai 2016 sichtbar.
โDieser Tag bedeutete fรผr die knapp 150 Teilnehmenden einer friedlichen Sitzblockade gegen den monatlichen LEGIDA-Aufmarsch mehr als bloรen Stress. Auf die groรangelegte Personenkontrolle folgte eine Lawine von Buรgeldbescheiden und Strafbefehlenโ, berichtet Sascha Kaur, Pressesprecherin der Solidaritรคtskampagne โDazusetzen!โ von diesem Tag.

โStellt man beide Fรคlle nebeneinander, kann das Vorgehen der Behรถrden als nicht verhรคltnismรครig eingestuft werden. Obwohl im Mai die LEGIDA-Demonstration durch die Blockade nicht verhindert werden konnte, wird einigen Personen sogar die Begehung von Straftaten vorgeworfen. Auch die von der Stadt Leipzig geforderten Buรgelder รผbersteigen die durchschnittliche Hรถhe deutlich.โ
Fรผr die Kampagne โDazusetzenโ ein inakzeptables Verhalten: Gleichbehandlung und Verhรคltnismรครigkeit sind sichtlich nicht mehr gegeben. โAnscheinend ist es den sรคchsischen Behรถrden doch mรถglich, Verhรคltnismรครigkeiten abzuwรคgenโ, kommentiert Kaur die Zahlen aus der Leipziger Ordnungsbehรถrde.
โSelbstverstรคndlich wollen wir zwei Jahre nach dem Vorfall nicht darauf hinwirken, die Entscheidungen hinsichtlich der ursprรผnglich verbotenen LEGIDA-Demonstration noch einmal zu รผberdenken. Vielmehr schockiert es uns, mit welcher Leichtigkeit es anscheinend mรถglich war, Entscheidungen zu treffen, die sowohl auf einzelne Menschen als auch auf das Demonstrationsgeschehen groรe Auswirkungen haben. Diese Entscheidungen fรผgen sich nahtlos in das Bild eines Sachsens, in dem rechtsradikale Demonstrationen verharmlost werden, wรคhrend der dringend notwendige Gegenprotest kriminalisiert wird.โ
Das Bรผndnis โDazusetzen!โ fordert von der Stadt Leipzig, die Buรgeldbescheide zurรผckzunehmen und die Vorwรผrfe gegen die Protestierenden fallenzulassen.
Video: L-IZ.de
โAngesichts der Tatsache, dass die Leipziger Stadtgesellschaft sich damit rรผhmt, LEGIDA aus der Stadt vertrieben zu haben, ist die Ungleichbehandlung der Demonstrationen blanker Hohn fรผr die Betroffenen der Repressionenโ, meint Kaur und ergรคnzt: โUnsere Kampagne hat innerhalb von zwei Monaten ein โDazusetzen!โ bewirkt und nicht nur in Leipzig, sondern auch bundesweit Solidaritรคt gefรถrdert. Wir freuen uns, der Stadtratsanfrage auch entnehmen zu kรถnnen, dass รผber die Hรคlfte der Betroffenen Einspruch gegen die fragwรผrdigen Bescheide eingelegt hat.โ
โDazusetzen!โ sammelt weiterhin Spenden zur praktischen Unterstรผtzung und organisiert Solidaritรคtsaktionen. Noch immer fordert die Stadt Leipzig von den mindestens 143 Betroffenen eine Summe insgesamt von weit รผber 50.000 Euro. Zur Planung von Spendensammel-Aktionen laden die AktivistInnen am Dienstag, 23. Mai, um 19:30 Uhr, wieder zum offenen Treffen ins Pรถge-Haus (Hedwigstraรe 20) ein.
Die Anfrage der Grรผnen und die Antworten des Ordnungsdezernats.
Warum der Verfassungsschutz LEGIDA nicht beobachtet, lesen Sie ua. in der neuen LZ Nr. 43
Leipziger Zeitung Nr. 43: Leipzig zwischen Wissen und Glauben
In eigener Sache: Lokaler Journalismus in Leipzig sucht Unterstรผtzer
In eigener Sache (Stand Mai 2017): 450 Freikรคufer und weiter gehts
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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