Es wird nicht billig. Ein halbes Jahr lang haben auch die Ausschรผsse des Stadtrates darรผber diskutiert, ob die Stadt in den sauren Apfel beiรen sollte, das ehemalige Technische Rathaus in der Prager Straรe 20โ28 fรผr 27 Millionen Euro zu kaufen und dann auch noch einmal 11 Millionen Euro fรผr den Abriss des entkernten Stahlbetongerรผsts aufzubringen. Am 24. April hat die Ratsversammlung darรผber debattiert und entschieden.
Immerhin trug die Vorlage der Stadt eine echte Zumutung in sich, weil sie eben auch gleich den Abriss des alten Stahlbetonbaus vorsieht. Aus guten Grรผnden, die in der Vorlage zumindest angedeutet wurden.
Einer ist zum Beispiel ein simpler Sicherheitsaspekt: โDie Arbeitsschutzrichtlinie (ASR) bestimmt eine vorgeschriebene Breite von Treppenhรคusern, die fรผr eine Entfluchtung im Brandfall vorhanden sein sollen. Die fรผr eine Wohnnutzung konzipierten Treppenhรคuser sind mit einer lichten Breite von 1,20 m allerdings schmaler als gefordert.
Mit einem entsprechenden Entfluchtungs- und Brandschutzkonzept kรถnnte von dieser Vorschrift unter Umstรคnden abgewichen werden. Zudem sind fรผr eine Bรผronutzung die bestehenden Aufzugskerne nicht ausreichend dimensioniert, da im Rettungsfall der Abtransport durch Rettungstragen nicht gewรคhrleistet ist.โ
Und das wurde in der Debatte dann auch deutlich โ besonders in den Redebeitrรคgen von SPD-Stadtrat Andreas Geisler und FDP-Stadtrat Sven Morlok: Wenn man hier fรผr die Zukunft plant, sollte man zwingend an die Menschen denken, die hier kรผnftig arbeiten sollen.
Und neben gutem Geld und guter Arbeitszeitregelung seien ansprechende Arbeitsplรคtze ein elementarer Entscheidungsgrund, ob jemand ein Arbeitsverhรคltnis aufnimmt oder nicht, so Morlok. Daran sollte man gerade in Zeiten des zunehmenden Fachkrรคftemangels denken. Auch als Stadt.
Ein Grundstรผck fรผr Wohnbebauung wird frei
Aber er erinnerte auch daran, dass der Kauf auch eine Option in der Semmelweisstraรe erรถffnet, wo die Stadt bislang ein neues Technisches Rathaus plante: Dort kรถnnte nun auf stรคdtischem Grund Platz frei werden fรผr Wohnbebauung durch die LWB. Denn Wohnungen braucht Leipzig ja auch dringend.
Der Kaufpreis fรผr die Prager Straรe 20โ28 sei zwar hoch โ 8 Millionen Euro hรถher, als es die รถrtlichen Bodenrichtwerte hergeben. Aber einerseits hat die Stadt das Kaufpreisangebot sogar schon von 35 auf 27 Millionen Euro heruntergehandelt. Und andererseits besitzt sie direkt neben dem ehemaligen Technischen Rathaus zwei eigene Grundstรผcke, die jetzt ebenfalls eine neue Entwicklungsperspektive bekommen kรถnnen.
Ein Punkt, auf den der Stadtbezirksbeirat Mitte mit einem รnderungsantrag hinwies, den am 24. April Falk Warnecke fรผr den Stadtbezirksbeirat vorstellte.
Darin heiร es: โMit dem Ankauf des Grundstรผckes an der Prager Straรe 20โ28 bekommt Leipzig die seltene Chance, ein groรes und verkehrlich gut angebundenes Grundstรผck mit eigenen Flรคchen zu verbinden und nach gemeinwohlorientierten Maรgaben und Ansprรผchen zu entwickeln. Insbesondere fรผr die strategische Entscheidung, die Verwaltungsunterbringung in stadteigenen Liegenschaften zu ermรถglichen, kann mit den Grundstรผcken an der Prager Straรe 20โ28 eine nachhaltige Lรถsung gefunden werden.
Doch Grรถรe und Lage der zu entwickelnden Flรคche gebieten, รผber die angedachte Verwaltungsunterbringung der Stadt Leipzig hinaus zu denken und ein hinsichtlich Nutzungsarten und Durchwegungsmรถglichkeiten anschlussfรคhiges Quartier im Zentrum Sรผd-Ost zu schaffen.
Insbesondere der rรผckwรคrtige und ruhige Bereich zur historischen Kleingartenanlage bietet sich fรผr Wohnnutzungen an. Entlang der viel befahrenen Prager Straรe fehlen zwischen Platostraรe und Johannisallee gewerbliche und soziale Nutzungen im EG, welche den รถffentlichen Raum beleben und aufwerten wรผrden.
Der groรe Riegel des ehemaligen VEB-Gebรคudes bzw. Alten Technischen Rathauses ist ein stรคdtebaulich herausforderndes Ensemble, das kleinteilige und zeitgemรครe Lรถsungen bisher erschwert hat.
Nur mit einer Neukonzipierung der ca. 19.500 qm Grundstรผcksflรคche und unter Bezugnahme der Hรถhenentwicklung Richtung Ostforum, kann Leipzig aus einer drohenden Bauruine an der Prager Straรe, ein urbanes und lebendiges Quartier und Aushรคngeschild fรผr die Stadt und ihre Verwaltung schaffen.โ
Ein Anliegen, das auch OBM Jung teilte, der die beiden entscheidenden Punkte aus dem รnderungsantrag des SBB Mitte in die Vorlage รผbernahm.
Wie umgehen mit Grauer Energie?
Genauso wie Jung den neu formulierten รnderungsantrag der Linksfraktion รผbernahm, den Linke-Stadtrรคtin Franziska Riekewald kurzerhand handschriftlich vorlegte. Darin ging es um die Prรผfung, ob und wie die entstehende COโ-Bilanz durch den Abriss mรถglichst vor Ort oder im Stadtgebiet ausgeglichen werden kรถnnte.
Immerhin war das der eigentliche Hauptstreitpunkt am 24. April. Die Grรผnen hatten beantragt, auf den Abriss zu verzichten. Immerhin bindet der alte Stahlbetonbau 13.400 Tonnen COโ. Stichwort: Graue Energie. Man sollte doch das Bauskelett mรถglichst weiter nutzen.
รhnlich argumentierte dann auch noch Udo Bรผtow von der AfD. Wieder so eine seltsame Rede, der keine Taten folgten. Denn als der Grรผnen-Antrag zur Abstimmung kam, stimmte die Grรผnen-Fraktion ganz allein dafรผr. Was eben im Ergebnis heiรt: Mit dem deutlichen โJaโ der Ratsversammlung von 36:23 Stimmen fรผr die Gesamtvorlage beschloss der Stadtrat auch den Abriss des Stahlbetonskeletts mit.
Den Kauf des Grundstรผcks sowieso, sodass die Stadt hier an einem verkehrstechnisch gut erschlossenen Abschnitt der Prager Straรe ein neues, leistungs- und zukunftsfรคhiges Verwaltungszentrum planen kann, in dem rund zwei Drittel der Verwaltung unterkommen sollen. Damit werden dann dutzende Mietvertrรคge hinfรคllig fรผr Liegenschaften, die die Stadt รผberall im Stadtgebiet angemietet hat. Das zahle sich in Zukunft natรผrlich aus, wie Andreas Geisler betonte.
Und natรผrlich kann ein Prรผfergebnis auch sein, dass das neue Verwaltungszentrum hier zum Beispiel vorwiegend in Holzbauweise errichtet wird. Wie es aussehen wird, ist natรผrlich Zukunftsmusik. Bis hier รผberhaupt an einen Neubau zu denken ist, wรผrden drei bis vier Jahre vergehen, sagte Morlok. Aber die Flรคche an der Semmelweisstraรe wird fรผr Wohnbebauung sofort frei und die LWB kann dort mit Planungen beginnen.
Und gerade der Vorstoร aus dem Stadtbezirksbeirat, hier ein ganzes Quartier homogen zu entwickeln, ist eigentlich das Plus an der Entscheidung. Denn damit wird ein Stรผck Stadt erlebbar, das bis dato hinter lauter Zรคunen abgesperrt ist. Jung nannte es dann auch gleich mal eine โhistorische Chanceโ und bedankte sich fรผr die sachbezogenen Diskussionen in den Fachausschรผssen.
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