Wie regelt man ein Bewohnerparken in einer sächsischen Großstadt wie Leipzig eigentlich rechtssicher? Jahrelang hat Leipzigs Verwaltung dafür eine Lösung gesucht. 2014 hatte der Stadtrat ein belastbares Verkehrskonzept fürs Waldstraßenviertel beantragt – und zwar nicht, weil im Viertel zu viele Autos parkten, sondern weil jede Arena-Veranstaltung zu Chaos in allen umliegenden Straßen führte. Und sechs Jahre waren nicht genug.

Schon 2017 hatte der Stadtrat ja genervt nachgefragt, wo das Konzept bliebe. 2018 dann teilten die Dezernate Stadtentwicklung und Bau und Umwelt, Ordnung, Sport mit, dass sie es eher nicht geschafft haben.

Der Grund? – „Zur Lösung der verkehrlichen Fragestellungen, die sich aus der vorhandenen Situation und der zu erwartenden Entwicklung der Besucherzahlen ergeben, wurde eine Untersuchung zum Bewohnerschutz mit dem Ziel in Auftrag gegeben, das Wohnumfeld vom Fremd- und Veranstaltungsverkehr zu entlasten und damit die Chance der Bewohner auf einen Stellplatz in angemessener Entfernung zur Wohnung zu erhöhen.“

Das war der Hauptgrund, warum das Thema so gründlich verfehlt wurde und es bis heute das beantragte Verkehrskonzept nicht gibt, dafür das Konzept fürs Bewohnerparken, weil die beiden emsigen Dezernate aufgrund dieser völlig veränderten Fragestellung auch eine völlig andere Antwort bekamen.

Die lautete jetzt auf einmal: „Die Auswertung der Erhebungen zeigt, dass die zur Verfügung stehenden Stellplätze im Waldstraßenviertel an dem veranstaltungsfreien Werktag bereits tagsüber mit ca. 90 % ausgelastet sind. Zweifellos animiert der mit rd. 73 % hohe Anteil an unbewirtschafteten Stellplätzen im Gebiet vor allem Berufspendler und Besucher ihr Fahrzeug hier abzustellen. Der tagsüber mit rd. 50 % erfasste Anteil an gebietsfremden Fahrzeugen liegt um 21:00 Uhr immerhin noch bei ca. 13 %. Obwohl zu dieser Zeit die höchste Belegung im Waldstraßenviertel vorliegt, werden die Stellplätze des Stadionvorplatzes nur vergleichsweise gering genutzt.“

Auf einmal wurde aus dem Problem des Besucherchaos bei Veranstaltungen im Sportforum ein Problem zu vieler geparkter Fahrzeuge.

Wenn es nach den beiden Dezernaten gegangen wäre, hätte man das neue Parksystem 2019 schon in Betrieb genommen. Die zugehörigen Zahlsäulen hat man gleich gekauft und installiert. Doch der Herbst 2019 war dann von heftigster Kritik gerade von den im Gebiet arbeitenden Unternehmen und auch von Inhabern von Zweitwohnsitzen geprägt, so heftig, dass Oberbürgermeister Burkhard Jung die Vorlage wieder einkassieren und überarbeiten ließ. Die neue Fassung war dann im Dezember fertig und sorgte dann mit Inbetriebnahme Anfang 2020 für neuen Ärger, denn weiterhin hatte das Werk seine juristischen Tücken.

Die einzelnen Zonen im Parkraumkonzept. Grafik: Stadt Leipzig
Die einzelnen Zonen im Parkraumkonzept. Grafik: Stadt Leipzig

Als die meisten Betroffenen, die keinen Anwohnerparkausweis bekamen, schon resignierten, zogen die Rechtsanwälte Klaus Füßer und Tobias Meiser erst einmal vor Gericht. Denn der Kompromiss bietet bis heute eine Stelle, die ihn juristisch anfechtbar macht.

Das Ergebnis konnten sie am Donnerstag, 27. August, vermelden: Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Vollziehung der „Bewohnerparkzone E“ im westlichen Teil des Waldstraßenviertels vorläufig ausgesetzt und dies damit begründet, diese sei voraussichtlich zu groß.

Die Parkzobne E ist das Kerngebiet des Bewohnerparkens – das komplette Quartier zwischen Waldstraße und Leibnizstraße.

„Das Bewohnerparkkonzept im Waldstraßenviertel erhitzt bereits seit einem Jahr die Gemüter der Gewerbetreibenden und Anwohner“, beschreiben die beiden Anwälte ihre Sicht auf die Dinge.

Nachdem die Einführung zunächst kurzfristig durch Oberbürgermeister Burkhard Jung ausgesetzt wurde, trat im Januar das leicht abgewandelte Konzept in Kraft. Gegen die „Bewohnerparkzonen E und F“ legten Füßer & Kollegen für einen im Waldstraßenviertel tätigen Steuerberater Widerspruch ein und stellten einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Leipzig. Nachdem dieses den Antrag im April zurückwies, hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht nun entschieden, dass jedenfalls die Bewohnerparkzone E rechtswidrig ist, da diese die maximal zulässige Ausdehnung übersteige.

Das heißt: Für eine Bewohnerparkzone ist dieses Gebiet zu groß.

Etwas anders ist es mit dem Gebiet F von der Leibnizstraße bis zur Lortzingstraße. Diese östliche Bewohnerparkzone F hat das Oberverwaltungsgericht nicht außer Vollzug gesetzt; sieht jedoch auch für die Bewohnerparkzone offene Rechtsfragen, die nun im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens geklärt werden müssen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Klaus Füßer erklärt dazu: „Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zeigt, dass unsere bereits vor Einführung der Bewohnerparkzonen geäußerte Kritik begründet ist. Auch in Zeiten der Verkehrswende und des zunehmenden Hangs Autofahren unattraktiv zu machen, sind die Vorgaben des Bundesgesetzgebers zu beachten. Kommunale Parkraumbewirtschaftung im großen Stil wie in Leipzig beabsichtigt geht nicht.“

Rechtsanwalt Tobias Meiser ergänzt: „Die konkrete Ausgestaltung des Bewohnerparkens durch die Stadt Leipzig wirft weitere interessante Rechtsfragen auf. Diese gilt es nun im Hauptsacheverfahren zu entscheiden.“

Bis zur Hauptsacheentscheidung gelte nun auch im Leipziger Waldstraßenviertel wieder das Motto: „Freies Parken für freie Bürger!“, so die beiden Rechtsanwälte. Sollte Leipzig die Regelung nicht von selbst aufheben, sei mit einem Gang seines Mandanten durch alle Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht zu rechnen, also mit einem mehrere Jahre andauernden Verfahren, kündigt Klaus Füßer schon einmal an.

Update, 28. August: Wortmeldung von FDP-Stadtrat Sven Morlok

Sven Morlok (FDP): „Nachsitzen im Waldstraßenviertel: Belange der Unternehmen und Mitarbeiter vor Ort stärker berücksichtigen!“

FDP-Stadtrat Sven Morlok im Leipziger Stadtrat begrüßt den Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts Bautzen, das Bewohnerparken im Waldstraßenviertel im Bereich westlich der Leibnizstraße (Gebiet E) vorläufig außer Vollzug zu setzen. Das Gericht hält die Größe des räumlichen Geltungsbereiches für unzulässig. Einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Vollzug der Bewohnerparkgebiete hatte der Inhaber einer ortsansässigen Steuerkanzlei im Bewohnerparkgebiet E gestellt, dessen Mitarbeiter und Kundschaft in unmittelbarer Nähe zur Kanzlei keinen Parkplatz ohne zeitliche Beschränkung und Kosten fänden.

Morlok: „Der Gerichtsweg des Steuerberaters verdeutlicht die Benachteiligung der Unternehmer im Waldstraßenviertel beim Parken. Nun heißt es, Nachsitzen in Sachen Parkraumkonzept im Waldstraßenviertel. Die Stadt muss ihre Hausaufgaben machen und neben der Anpassung der Größe des Gebietes auch die Belange der Unternehmen und insbesondere der Mitarbeiter, die dort arbeiten, stärker berücksichtigen.“

Das Anliegen des Liberalen: „Mitarbeiter sollten im Waldstraßenviertel den ganzen Tag parken dürfen – selbstverständlich entgeltlich, wie jeder andere auch. Sie sollten jedoch nicht mehrfach am Tag zum Parkautomaten rennen müssen, um ein Parkticket zu lösen.“

Die Fraktion Freibeuter, der FDP-Stadtrat Morlok vorsitzt, hatte in dem Modell der Stadt Leipzig eine Benachteiligung von ortsfremden parkenden Gewerbetreibende und deren Mitarbeiter gesehen. Eine Initiative der Fraktion Freibeuter, das Parkraumkonzept Waldstraßenviertel mit dem Ziel zu überarbeiten, den Gewerbetreibenden, Freiberuflern und deren Mitarbeitern auf Wunsch einen Mitarbeiterparkausweis auszustellen, mit dem zusammen mit einem zum Preis der Höchstparkdauer am Parkautomaten gezogenen Tagesticket tagsüber des Parken gestattet wird, war von der Mehrheit des Stadtrates abgelehnt worden.

Update, 28. August: Die Stellungnahme des Verkehrs- und Tiefbauamts

Zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes über das Bewohnerparken im Waldstraßenviertel

Die Stadt Leipzig hat den Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Bautzen zum Widerspruch gegen das Bewohnerparken im Waldstraßenviertel zur Kenntnis genommen.

Das OVG ordnet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich aller zum Betrieb des Bewohnerparkgebietes E aufgestellten Verkehrszeichen an. Begründet wird dies damit, dass das eingerichtete Bewohnerparkgebiet im Widerspruch zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung steht, wonach es sich bei Bereichen mit Bewohnerparkvorrechten um Nahbereiche handeln muss, die von den Bewohnern dieser städtischen Quartiere üblicherweise zum Parken aufgesucht werden. Die maximale Ausdehnung eines Bereiches darf auch in Städten mit mehr als einer Million Einwohner die 1.000 Meter nicht übersteigen.

Das Bewohnerparkgebiet E hat eine Ausdehnung von maximal 1.160 Metern, was den städtebaulichen Gegebenheiten und zugleich auch der Ausdehnung des bei Großveranstaltungen regelmäßig eingerichteten Sperrkreises im Waldstraßenviertel entspricht. Das Gericht hat diese Besonderheiten jedoch nicht anerkannt.

Das Gericht hat in seinem Beschluss ausdrücklich festgestellt, dass es darüber hinaus keine Anhaltspunkte sieht, dass die Anordnung des Bewohnerparkens an sich rechtswidrig wäre, etwa weil die Voraussetzung des Nachweises eines erheblichen Parkraummangels nicht gegeben sei.

Die Verwaltung wird nun die Beschilderung so anpassen, dass eine Verkleinerung des Bewohnerparkgebietes E auf die geforderte Ausdehnung von maximal 1.000 Meter erreicht wird. Geprüft wird außerdem, ob das Konzept angepasst werden muss, einschließlich aller Bekanntmachungen und ob der Stadtrat eingebunden werden muss. Anschließend wird beim OVG Bautzen ein Antrag zur Aufhebung der aufschiebenden Wirkung des Beschlusses vom 27. August gestellt. Geprüft wird außerdem, ob die zum Betrieb des Bewohnerparkens aufgestellten Verkehrszeichen zwischenzeitlich unwirksam gemacht werden.

Die Beschilderung zur Gebührenpflicht ist vom Beschluss des OVG nicht berührt, sodass davon ausgegangen werden muss, dass an den Parkscheinautomaten weiterhin Parkgebühren zu entrichten sind. Davon sind die im Besitz eines Bewohnerparkausweises, die im Übrigen weiterhin erteilt werden, befindlichen Bewohner jedoch ohnehin befreit. Die Entscheidung des OVG wird auch bei zukünftigen Kontrollen des ruhenden Verkehrs hinreichend Beachtung finden.

Rechtsanwälte Füßer & Kollegen reichen verwaltungsgerichtlichen Eilantrag gegen „Bewohnerparken“ im Waldstraßenviertel ein

Rechtsanwälte Füßer & Kollegen reichen verwaltungsgerichtlichen Eilantrag gegen „Bewohnerparken“ im Waldstraßenviertel ein

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