Am Mittwoch, 20. Mai, wurde in einer doch sehr kontroversen Diskussion im Stadtrat auch die Entwurfsplanung zur Dieskaustraße abgestimmt. Die Straße, die von Kleinzschocher bis Großzschocher als alternativlose Hauptstraße durch den Südwesten führt, soll ab 2023 umgebaut werden. Und eigentlich war sich die Ratsversammlung über fast den gesamten Straßenumbau einig. Nur ein 200 Meter langes Stück zwischen Windorfer Straße und Eisenbahnüberführung wurde heftig diskutiert.

Die Debatte vom 20. Mai 2020 im Stadtrat zur Dieskaustraße

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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Am Ende mit einem mehr als seltsamen Ergebnis – zumindest, was das Abstimmungsergebnis betrifft. Die meisten Redner/-innen bezogen sich dabei auf eine Bürgerinformationsveranstaltung am 13. Juni 2016, an der die diversen Stadträt/-innen wohl auch teilgenommen haben. Seltsam ist nur, dass sie dort alle etwas völlig unterschiedliches wahrgenommen haben, was die Wünsche und Einwände der Bürger/-innen betraf.

Was freilich so ungewöhnlich nicht ist. Auch Stadträte sind nicht unvoreingenommen. Schön wär’s ja. Aber sie gehen auch als ganz normale Bürger in solche Runden, die selbst betroffen sind – mal als Autofahrer, die hier jeden Tag durch müssen, als Anwohner, als Straßenbahnnutzer oder Radfahrer. Wer das alles ausprobiert hat, weiß, dass die Perspektive jedes Mal eine völlig andere ist.

Dass die Straße stark befahren ist, ist dabei auch mit Zahlen belegt, wie sie die Stadt in ihrer Vorlage beziffert hat: „Im Bestand ist im Untersuchungsbereich eine Verkehrsbelastung von 7.430 Kfz/24h bis ca. 20.050 Kfz/24h sowie 210 Rad/24h bis ca. 1.330 Rad/24h vorhanden. Die einzelnen Straßenabschnitte weisen dabei variierende Verkehrsbelastungen auf. Für das Jahr 2030 wurde eine Verkehrsbelastung der Dieskaustraße zwischen 7.410Kfz/24h bis ca. 20.170 Kfz/24h im betrachteten Bereich prognostiziert.“

Ob das so eintrifft, weiß kein Mensch. Zu Recht erwähnte Ute Köhler-Siegel, dass die neuen Verkehrsprognosen für Leipzig überfällig sind. Leipzigs Verkehrsplaner gehen zwar immer wieder von steigenden Kfz-Zahlen aus. Aber gleichzeitig merkt die Vorlage auch an, dass mit einem deutlichen Anstieg der Straßenbahnnutzer zu rechnen ist und die Linie 3 künftig mit größeren Bahnen hier fahren muss.

Und Jessica Heller, die sich für die CDU ins Scharmützel warf, merkte ebenso berechtigt an, dass es auf der ganzen Bahnverbindung von Plagwitz bis Hartmannsdorf-Knautnaundorf an S-Bahn-Punkten fehlt. Denn hier fährt eben keine S-Bahn, sondern nur die Zeitzer Bahn. Und wichtige Haltepunkte werden einfach ignoriert (bzw. wurden vom ZVNL nicht bestellt), sodass die Anwohner der angrenzenden Ortsteile keine Chance haben, auch mal auf die hier durchaus mögliche S-Bahn umzusteigen.

Hier haben sich einige Planungsfehler der Vergangenheit regelrecht aufgeschaukelt.

Das geplante Gleisdreieck an der Windorfer Straße. Karte: Stadt Leipzig
Das geplante Gleisdreieck an der Windorfer Straße. Karte: Stadt Leipzig

Deshalb stehen in der Vorlage der Stadt auch so wenige Radfahrer/-innen. Denn auf dem heiß diskutierten Abschnitt zwischen Windorfer Straße und Eisenbahnüberführung gibt es tatsächlich Radwege. Aber davor und dahinter hören sie auf, wird Radfahren zu einer Zumutung, durch den kaputten Straßenzustand genauso wie durch die Tatsache, dass sie sich in einen dichten Kfz-Verkehr einordnen müssten und dabei auch noch Slalom um ziemlich wild geparkte Autos fahren müssen, worauf Linke-Stadtrat Mathias Weber einging.

Weshalb eigentlich zu erwarten gewesen wäre, dass der Verwaltungsvorlage recht einhellig zugestimmt wird, die nicht nur eine Modernisierung von Straße und Straßenbahnanlage vom Adler bis nach Großzschocher vorsieht, sondern endlich auch durchgehende Radwege.

Aber deutlich wie selten zuvor wurde die Diskussion eine, die sich um das Thema Auto drehte. Die Befürchtung – geäußert von FDP-Stadtrat Sven Morlok genauso wie von Jessica Heller aber auch von Ute Köhler-Siegel und dem Ortschaftsrat Matthias Kopp (Hartmannsdorf-Knautnaundorf): Wenn der Änderungsantrag von Linken und Grünen angenommen wird, gibt es im Abschnitt Windorfer-Eisenbahnüberführung bei einer möglichen Straßenbahnhavarie keine Überholmöglichkeit mehr. Dann würden auch Rettungsfahrzeuge nicht mehr vorbeikommen.

Das letzte Argument entkräftete dann Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal: Auch im Südwesten werden die Hilfsfristen bei Rettungseinsätzen heute schon zu über 70 Prozent eingehalten, mit Ausbau der Rettungswache Südwest sollen es über 95 Prozent werden. Einsatzzeiten von 35 Minuten seien hier ganz bestimmt nicht die Norm.

Aber auch der Auftritt von Kopp machte deutlich: Hinter der Vehemenz des Änderungsantrages der CDU-Fraktion zum Änderungsantrag von Linken und Grünen steckt vor allem eine Unterschriftensammlung in Hartmannsdorf-Knautnaundorf und eine gewisse Ratlosigkeit vor allem von Autofahrern, die auf dieser Strecke regelmäßig unterwegs sind. Wird sich der Verkehr da künftig stauen hinter den Straßenbahnen?

Was hatten Linke und Grüne eigentlich so Besonderes beantragt?

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Vorplanung von April 2016 in der Variante 4 für den Abschnitt Eisenbahnüberführung (EÜ) und Windorfer Straße als weitere Planungsgrundlage heranzuziehen. Dabei besteht im Rahmen der Entscheidung zum Bau- und Finanzierungsbeschluss die technische Möglichkeit, unter Verzicht auf Baumstandorte und ruhenden Verkehr den gesamten Bereich zwischen den Gehwegborden für den Fahrradverkehr (Rad, ÖPNV, Kfz) zu nutzen.“

Aber das bedeutet eben trotzdem, dass sich die Fahrbahn von 5,50 Meter in der Verwaltungsvorlage auf 3,25 Meter verringert, wie Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau betonte. Aus einem anderthalbspurigen Abschnitt wird ein einspuriger – übrigens so wie auch sonst im geplanten Straßenverlauf der Dieskaustraße. Logisch, dass sich Autofahrer lieber die breitere Variante wünschen, weil sie hoffen, dann wenigstens an dieser Stelle überholen zu können.

Wobei der Linke/Grüne-Antrag die Option offenlässt, auf Stellplätze und Bäume an dieser Stelle zu verzichten. In ihrer Variante wären die Baumscheiben zwischen den Stellplätzen angeordnet worden. In der Vorzugsvariante der Verwaltung beschneiden die Baumscheiben den Fußweg, der dann zu schmal werden würde.

In ihrem Änderungsantrag zum Antag von Grünen und Linken hatte die CDU-Fraktion also beantragt: „In die weiteren Planungen sind die Zusagen der Stadtverwaltung bezüglich der Beibehaltung der Anderthalbspurigkeit zwischen Eisenbahnüberführung und Windorfer Straße mit aufzunehmen, sodass PKW und Straßenbahn in diesem Bereich ggf. aneinander vorbeikommen. Denn diese Zusagen beruhen auf dem mit großer Mehrheit geäußerten Bürgerwillen der 1. Informationsveranstaltung am 13. Juni 2016.“

Wobei dieser „mit großer Mehrheit geäußerte Bürgerwille“ dann von Grünen-Stadtrat Michael Schmidt deutlich infrage gestellt wurde, genauso wie die Behauptung, es hätte damals keine vierte Planungsvariante gegeben, sondern nur die drei Varianten, die von den Bürgern tatsächlich vehement abgelehnt wurden. Doch die vierte Variante gab es und sie ist auch Grundlage für die überarbeitete Planungsvariante der Stadt geworden, die jetzt schon – so Dorothee Dubrau – auch förderfähig ist. Bei dem Vorschlag von Linken und Grünen ist das noch offen. Das müsse mit den Fördergeldgeber erst noch diskutiert werden, so Dubrau.

Abstimmungsergebnis zur Verwaltungsvorlage Dieskaustraße. Screenshot: L-IZ
Abstimmungsergebnis zur Verwaltungsvorlage Dieskaustraße. Screenshot: L-IZ

Ergebnis nach 45 Minuten Diskussion: Beide Änderungsanträge der CDU-Fraktion wurden mehrheitlich von der Ratsversammlung abgelehnt. Wobei schon auffiel, dass die AfD-Fraktion sich dabei hinter dem CDU-Antrag einreihte. Einmal hieß das Ergebnis 28:36:1, einmal 29:37:1.

Völlig umgekehrt dann das Ergebnis zum gemeinsamen Antrag von Grünen und Linken, der mit 37:29:1 Stimmen positiv gevotet wurde.

Und noch deutlicher war dann das Ergebnis für den Verwaltungsvorschlag, der 51 Ja-Stimmen bekam und 16 Gegenstimmen. Und die kamen fast alle aus der CDU-Fraktion. Was schon verblüfft.

Hat der Stadtrat jetzt also zwei Vorschläge beschlossen? Ja. Der Verwaltungsvorschlag und der Änderungsantrag von Linken und Grünen werden jetzt gleichermaßen geprüft, so Dubrau, auch auf die Frage der Förderfähigkeit hin. Denn wenn der Vorschlag von Linken und Grünen nicht förderfähig ist, sollte die Stadt noch die Option besitzen zu entscheiden, ob man mit oder ohne Fördermittel baut.

Ökolöwe kritisiert Pfusch bei der Planung: Kein Platz für Straßenbäume in der Dieskaustraße?

Ökolöwe kritisiert Pfusch bei der Planung: Kein Platz für Straßenbäume in der Dieskaustraße?

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