Eigentlich rechnet sich der Leipziger Stadthafen am Elstermühlgraben nicht. Zwei Mal hat Leipzigs Umweltdezernat versucht, für dieses Hafenbecken und seine Randbebauung private Investoren zu begeistern. Sie haben sämtlich abgewinkt. Denn Bootsbetrieb ist auch in der Stadt Leipzig nur ein Saisongeschäft. Und zwar ein überschaubares. Mit Werften und Bootstankstellen kann man hier kein Geld verdienen. Jetzt wird der Hafen doch von der öffentlichen Hand gebaut.

Das gab die Landesdirektion Sachsen am Donnerstag, 10. Oktober, bekannt. Sie teilte mit, dass sie der Stadt Leipzig Fördermittel für die Errichtung eines Stadthafens („Stadthafen Leipzig“) einschließlich Zuwegung und Infrastruktur bewilligt.

Die Maßnahme wird mit einem Zuschuss in Höhe von 6.149.332 Euro durch den Bund und den Freistaat Sachsen aus dem Programm der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) unterstützt. Als Wirtschaftsprojekt zählt der Hafen, weil er im Rahmen des Gewässerkonzepts als touristische Infrastrukturmaßnahme verkauft wird – mit dem Ziel, irgendwie ein paar touristische Arbeitsplätze in entsprechenden Betrieben zu schaffen. Deswegen ist das „Wassertouristische Nutzungskonzept“ (WTNK) eben auch kein Umweltschutzkonzept, sondern eines, das versucht, „Wassertourismus“ zu schaffen. Es gibt ja noch keinen. Die Zahl der Motorboote in Privatbesitz kann man an den Fingern abzählen. Und die hohe Belastung des Gewässerknotens Leipzig schon in der normalen Bootssaison erlaubt auch nicht wirklich mehr zugelassene Motorboote.

Aber Motorboote sollen im Hafenbecken ihren Platz finden – möglichst elektrisch betrieben. Dafür soll es auch eine E-Tankstelle geben.

Leipzig hat die Gelegenheit genutzt, GRW-Mittel für den Hafenbau zu beantragen, als eine wichtige Formulierung für die Gewährung dieser Mittel 2017 geändert wurde: „Mit Novellierung der GRW-Infra vom 27.10.2017 wurden klar formulierte Voraussetzungen zur Förderung von Häfen geschaffen. Die Stadt Leipzig reichte daraufhin den Fördermittelantrag bei der zuständigen Behörde, der Landesdirektion Sachsen, im April 2018 zur Vorprüfung sowie den offiziellen Antrag am 28.05.2018 ein. Eine Förderung des Gesamtvorhabens ist damit für bis zu 90 % der Baukosten zzgl. Baunebenkosten möglich. Nicht förderfähig sind hierbei die im Stadthafen zu errichtenden Hochbauten (Servicegebäude, Gastronomie und Kanubootshäuser). Grundlage für die Förderung nach GRW-Infra ist das vorhandene Eigentum an den Flächen.“

Die Höhe der Förderung entspricht 90 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben. Die Gesamtkosten der Maßnahme betragen 7.342.567 Euro. Die erforderlichen Eigenmittel und Folgekosten werden von der Stadt getragen. Die Stadt Leipzig beabsichtigt die Errichtung eines Hafenareals mit einem Hafenbecken und öffentlichen Freiflächen (Promenade, Zuwegungen und Plätze), die barrierefrei erreichbar sein werden.

Und auch die Landesdirektion findet, dass an dieser Stelle unbedingt die Tourismuswirtschaft gefördert werden müsste: „Wassersport und -tourismus sind die Kernfunktionen des Leipziger Stadthafens. Dazu zählt der Betrieb des touristischen Anlegeverkehrs mit den gewässerangepassten ,Leipzig-Booten‘ sowie privaten Bootsfahrern und Kanuten. Es ist vorgesehen, Liegeplätze für das Aufladen von Elektrobooten sowie für private Boote und Kanus bereitzustellen. Zu diesem Zwecke werden innerhalb des Hafenbeckens öffentlich nutzbare Bootsanleger für gewässerangepasste Boote sowie eine Bootsein- und -aussetzstelle entstehen.

Der Bau des Stadthafens in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum bietet durch seine Einordnung in den Gewässerverbund und die sehr gute Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr ideale Voraussetzungen für eine Verknüpfung von Stadt- und Aktivtourismus. Der Stadthafen ist hierbei der Start- und Zielpunkt der wassertouristischen Kurse 1 bis 7 und dient der wassertouristischen Erschließung der Gewässer in und um Leipzig. Er setzt bereits jetzt deutliche Impulse für die Entwicklung von Tourismus-, Kultur- und Freizeitwirtschaft, die sich mit Fertigstellung dieses für Leipzig besonders charakteristischen Ortes noch verstärken wird.“

Der wassertouristische Kurs 1 ist der über den Floßgraben zum Cospudener See und weiter über den geplanten Harthkanal zum Zwenkauer See. Der Floßgraben kann übrigens gar nicht mit Motorbooten – auch keinen gewässerangepassten – befahren werden. Denn die vor einigen Jahren erfolgten Entkrautungen im Floßgraben waren unrechtmäßig. Man darf auch die wichtige Unterwasservegetation in so einem geschützten Gewässer (mitten im FFH-Gebiet) nicht einfach zerstören, damit Motorboote hindurchfahren können. Also ist der Kurs 1 für Motorboote gar nicht nutzbar. Dasselbe gilt für den lange Zeit als Alternative gehandelten Kurs 6 über die Pleiße zum Markkleeberger See. Das Projekt „Wasserschlange“, mit dem Motorboote eigentlich zum Markkleeberger See fahren sollten, wird gerade neu durchdacht. Noch liegt keine genehmigungsfähige Alternative zum gestoppten Planungsverfahren auf dem Tisch.

Kurs 7 ist der innerstädtische Gewässerknoten mit Weißer Elster und Elsterflutbett.

Der Nutzen des Hafens ist also mehr als fraglich. Aber nun soll er – parallel zum letzten offenzulegenden Abschnitt des Elstermühlgrabens (zwischen Lessing- und Elsterstraße) – in den Jahren 2020 bis 2022 gebaut werden.

Stadt legt neuen Baubeschluss für den Stadthafen am Elstermühlgraben vor

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Es gibt 2 Kommentare

Nach der Wahl ist vor der Wahl….
Einmal mehr entpuppt sich Gelaber über Partizipation, Bürgerbeteiligung als das, was es ist – Gelaber.
Noch schlimmer, das neuerliche “Wir haben verstanden” entpuppt als Lüge. Statt gesichtswahrend einen geordneten Rückzug aus einer von Beginn an völlig verfehlten Gewässerpolitik einzuleiten, schließlich ist auch der Bau des Harth-Kanals inzwischen mehr als fraglich, wird der Gewässerausbau weiter voran getrieben. Ungeachtet aller Proteste von Naturschützern zusammen mit Bürgern und Sportlern mit Petitionen und mehr als 11000 Unterschriften wird die weitere Gewässermotorisierung und damit verbunden der Gewässerausbau vorangetrieben. Das braucht kein Mensch, die Natur schon gar nicht, die hiermit “in Wert gesetzt werden” soll. Einen anderen Hintergrund für die Gewässerermotorisierung gibt es nicht. Wassertourismus ist es jedenfalls nicht. Es gibt ihn schlicht nicht. Motorisierten Wassertourismus gibt es nur dort, wo ehemalige wirtschaftlich genutzte Wasserstraßen nicht mehr genutzt werden. Und Paddelboote und Ruderer brauchen keinen Gewässerausbau. Häfen schon gar nicht. Angebliche Arbeitsplätze im Wasser”tourismus”, prekär, befristet, schlecht bezahlt, sind in Zeiten des Fachkräftemangels als Argument nun wirklich mit dämlich noch freundlich umschrieben.
Alle Beifallsbekundungen seitens der Stadt Leipzig (der Freistaat, also SPD und CDU, wollten schon immer den Kohleabbau und Gewässerausbau) für fridays for future erweisen sich als Lüge. Als Versuch, die Bewegung fff für die eigenen machtpolitischen Spielchen zu missbrauchen. Statt Verkehr zu reduzieren, wird dieser jetzt auch noch auf’s Wasser gebracht. Zusätzlich verhindert der Gewässerausbau dass der Auwald wieder das wird, was er mal war – ein Auwald.
Nach der Wahl ist vor der Wahl….

Fröhliche Weihnachten! Als Aprilscherz wäre es besser gewesen – glaubhafter. Haben wir keine anderen Notwendigkeiten für den Einsatz von Steuermitteln, als die in Größenordnungen in einen verschlammten, also kaum befahrbaren (und daran wird sich auch zukünftig nichts ändern, egal, wie hübsch glänzend blau die städtischen Animationsbildchen sind) Tümpel bzw. dessen Ausbau zu verklappen? Brauchen wir DAS??? Sonst nichts, alles gut? Nur ein paar Unverbesserliche, tumbe Wutbürger, die immer nur meckern und dann auch noch aus (verzweifeltem) Protest komische Kreuze auf demokratische Wahlzettel setzen? Alles klar. Niemand soll sich wundern, wenn seinem Antrag, einfach nur weiter so zu machen, entsprochen wird. Fröhliche Weihnachten!

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