Am Mittwoch. 13. Februar, diskutierte der Leipziger Stadtrat über den Antrag der Linksfraktion, auch die Herstellung eines Flusslaufs im Elsterbecken zu prüfen. Eine Stadtratsmehrheit stimmte dann gegen den Prüfauftrag. Einige Argumente hatte zuvor Sportbürgermeister Heiko Rosenthal geliefert. Und die stärksten waren: Der Stadtrat selbst hat in den letzten Jahren zwei Mal für die Herrichtung des Elsterbeckens zum Ruderbecken gestimmt. Da dürfte so mancher Stadtrat verblüfft seine Erinnerung bemüht haben? Stand das je auf der Tagesordnung?
So explizit natürlich nicht. Das ist ja die bewährte Arbeitsmethode einer Verwaltung, die im großen Paket von wichtigen Abstimmungen auch gleich mal die Grundsatzbeschlüsse für andere Projekte mit unterbringt. So wie 2004 der Bau der Alten Elster erstmals mit ins Hochwasserschutzprogramm gerückt wurde, obwohl sie im Hochwasserschutz keine Rolle spielt. Aber seitdem wird sie so verkauft und verweist die Stadt auch immer wieder auf die Einmütigkeit mit der Landestalsperrenverwaltung.
Die natürlich 2004 auf den Wunsch der Stadt einging: Die Fußball-WM stand vor der Tür und die Jahnallee musste gebaut werden. Und wenn Leipzig die Alte Elster als Vorzugsvariante will, soll sie die kriegen – irgendwann in der Zukunft, wenn der Freistaat die 50 bis 100 Millionen Euro hat, um diesen Kanal zu bauen.
Dass Sachsen das Geld bis heute nicht hat, deutete Rosenthal in seiner Stadtratsrede an. Der Freistaat möge das Geld doch bitte alsbald zur Verfügung stellen, sagte er.
Und belehrte die Stadträte dann auch gleich mal, dass sie das nicht nur 2004 so beschlossen haben, sondern auch 2012. Die Jahreszahl nannte er nicht. Aber am 21. März 2012 bekam der Stadtrat wieder eine dicke Vorlage, in der vor allem abgestimmt wurde, in welcher Reihenfolge die alten Mühlgräben geöffnet werden sollten. Das war das Integrierte Gewässerkonzept, wobei der Laie natürlich fragen darf, was daran integriert war: Man hatte halt die Volte von 2004, die Öffnung der innerstädtischen Gewässer als Hochwasserschutz zu verkaufen, auch gleich noch ins Gewässerkonzept integriert.
Nur deshalb hatte ja der Freistaat 2004 mitgespielt und sich bereiterklärt, die Öffnung der Alten Elster zu bezahlen.
Der Freistaat zahlt 200 Millionen Euro?
Und 2012 widersprach die Landestalsperrenverwaltung (LTV) ebenfalls nicht, sondern unterschrieb auch diese prominente Geldzusage. Wortlaut der Stadt in der Meldung dazu: „Die Vereinbarung beinhaltet die Überleitung der Parthe über die Weiße Elster zur Neuen Luppe (beides Gewässer 1. Ordnung), die Offenlegung des alten Elsterbettes zur Rückverlegung der Weißen Elster (1. Ordnung) sowie die Beräumung und Profilierung des Elsterbeckens im wasserwirtschaftlich zwingend notwendigen Umfang für den künftigen Betrieb als Gewässer im Nebenschluss.“
Ein dickes 200-Millionen-Euro-Paket. Erstaunlich, dass die LTV dem so widerstandslos zugestimmt hat.
Und 2016 ließ der Sportbürgermeister Heiko Rosenthal den Stadtrat noch einmal darüber abstimmen. Diesmal hatte er das Thema ins „Sportprogramm 2024“ der Stadt Leipzig gesteckt. Auch das so ein dickes Paket, dass man bezweifeln darf, dass die für Sport zuständigen Stadträte es wirklich ganz gelesen haben. Die Änderungsanträge der Ratsfraktionen drehten sich dann eher um Sporthallen und Radwege. Deutlich genug: Bis zum Thema Ruderbecken hatte sich wohl keiner durchstudiert.
Im Ergebnis nahm der Stadtrat das Sportprogramm an und beschloss damit auch, das Elsterbecken künftig für den Rudersport herzurichten. Oder besser: herrichten zu lassen. Denn ausbaggern soll es ja die Landestalsperrenverwaltung, die augenscheinlich auf Bergen von Geld sitzt.
In der zugehörigen „Sportstättenentwicklungsplanung Sportprogramm 2024 für die Stadt Leipzig“ kann man dann auf Seite 52 lesen:
„Wassersportanlagen: A) Rudern und Kanurennsport
Mit der zu erwartenden Verstärkung der wassertouristischen Nutzung auf dem Schleußiger Abschnitt der Weißen Elster und auf dem Elsterflutbett werden die Trainingsbedingungen für Ruderer und Kanuten in den nächsten Jahren stärker beeinträchtigt. Störend wirkt sich eine hohe Frequentierung der Wasserflächen vor allem auf das leistungssportliche Training aus. Als innerstädtische Ausweichfläche für das leistungssportliche Training kann nur das Elsterbecken zur Verfügung stehen und das könnte mittel- oder langfristig sogar dafür geeignet sein.
Die beabsichtigte Reaktivierung des alten Elsterverlaufes entlang der Friedrich-Ebert-Straße im Rahmen des sächsischen Hochwasserschutzkonzeptes wird dazu führen, dass das Elsterbecken künftig ein stehendes Gewässer wird (ohne Sedimentausfall). Sollte der Freistaat Sachsen als zuständiger Träger dieses ruhende Gewässer nachhaltig auf eine Tiefe von mindestens 2,5 Metern ausbaggern lassen, wäre dem Grunde nach dort ein Trainings- und u. U. sogar ein Wettkampfbetrieb möglich. Im Mai 2014 fand im Amt für Sport ein Gespräch mit den Beauftragten des Landesruderverbandes Sachsen statt.“
Der Ruderverband war natürlich happy
Darüber, dass Leipzig ihm ein großes Trainingsbecken spendieren will, auch wenn sich Leipzigs Ruderer auf dem Elster-Saale-Kanale längst eine ruhige Ausweichstrecke besorgt haben. Wo sie derzeit nicht vom „Wassertourismus“ gestört werden. Aber Heiko Rosenthal ist ja auch Wassertouristiker und kämpft beharrlich um den Ausbau des Elster-Saale-Kanals.
Was dann in weiteren Beschlüssen des Stadtrates abgesegnet wurde, auch wenn es auch dort wieder um dreistellige Millionenbeträge geht.
Weiter kann man in der Sportstättenplanung lesen: „Bei einem Umbau des Elsterbeckens durch den Freistaat Sachsen im Rahmen des Hochwasserschutzkonzeptes zu einem ruhenden Gewässer kann ein hervorragendes Trainingsrevier für die Sportarten Rudern und Kanu entstehen, wenn:
– die Wassertiefe zwischen Zeppelin- und Landauer Brücke für 81 Meter Gewässerbreite (mittig) auf 2,5 bis 3 Meter erhöht wird und
– am südwestlichen (Nähe Palmengartenwehr) oder am östlichen Bereich des Elsterbeckens (Höhe Red Bull Arena) neue Infrastruktur für Ruder- und Motorboote errichtet wird (Bootshalle, Steganlagen).
Darüber hinaus sollten, für eine langfristige Nutzbarkeit als Wettkampfstrecke, Flächen am Ostufer des Elsterbeckens freigehalten werden, die sich perspektivisch als Wettkampfanlagen eignen (temporär/stationär). Alle Maßnahmen stehen allerdings unter dem Vorbehalt des Prüfungsergebnisses umweltrechtlicher Belange.“
Die Chance, genau diese Umweltbelange prüfen zu lassen, hatte der Stadtrat am Mittwoch – und entschied sich mehrheitlich dagegen.
Und so euphorisch, wie Heiko Rosenthal klang, hat ihm bestimmt jemand 200 Millionen Euro zugesagt, um die ganzen originellen Leipziger Sportpläne zu verwirklichen.
Sportstättenentwicklungsplanung Sportprogramm 2024 für die Stadt Leipzig.
Es gibt 2 Kommentare
“Wenn ich einen Stadtrat habe…”
Kleines Beispiel gefällig?
NuKLA stellt den Umgang mit dem Leipziger Auwald (Fällungen, Wasserdargebot, Motorboote) durch Rosenthal und Jung rechtlich und fachlich in Zweifel. Lädt die Verwaltung auch zu den Internationalen Auenökologiesymposien ein.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt eine Anfrage an die Verwaltung. Rosenthal antwortet. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen macht sich die Antwort ausdrücklich zu eigen. Kritiker dieser Art Umweltpolitik werden der Verwendung von Verschwörungstheorien bezichtigt.
Ja, wofür brauche ich dann einen Stadtrat? Der verantwortliche Politiker (Volger) ist jetzt Landeschef der Grünen….
https://www.gruene-fraktion-leipzig.de/index.php/pressemitteilungen-28/items/anfrage-forstwirtschaftliche-massnahmen-im-leipziger-auwald-mit-pflegekonzept.html
Der verwaltungsgetriggerte Umweltbürgermeister zieht die Stadtverordneten am Nasenring durch die Manege.
Sind denn tatsächlich alle Gewählten so überlastet oder uninteressiert, um diese offenkundige Taktiererei und Selbstvernebelung nicht zu erkennen?
Wer glaubt denn jetzt immer noch, das Land würde 100Mio locker machen für 2-3m tiefen Sondermüll?
Ohne “Wettkampfanlagen und RB-nahe Infrastruktur”. (das ist so krank, dazu fallen mir keine Begriffe mehr ein)
Ist im Gesamtkonzept auch das Verfüllen der Neuen Luppe mit bedacht worden? Die liegt dann trocken.
Kann ein simpler Stadtratsbeschluss ein großes fließendes Gewässer in einen Teich verwandeln, ohne jegliche Umweltprüfung???
Wie schlau ist ein Hochwasserkonzept, welches das Hochwasser hinter die ertüchtigten Deiche leitet?
Und warum fühle ich mich als Bürger Leipzigs diesen irrwitzigen, unausgegorenen und kranken Ideen hilflos ausgeliefert, obwohl ich einen Stadtrat habe?