„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen“ sagte Heinrich Heine. Die Stempelaktion der Leipziger Städtischen Bibliotheken und der Schulbibliotheken greift dieses Zitat auf, um an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 zu erinnern.
Bücher von jenen kritischen Autorinnen und Autoren, die auf den sogenannten „Schwarzen Listen“ standen und damit im Feuer landeten, werden mit einem Stempel versehen, der auf die damalige demonstrative Zerstörung hinweist. In einer Präsentation in den Bibliotheken werden diese Bücher gezeigt und können ausgeliehen werden. An der Aktion, für die sich der Stadtrat mit einem Beschluss im Herbst 2020 ausgesprochen hat, beteiligen sich sechs bekannte Personen aus und um Leipzig. Dabei stempeln sie einen Titel aus dem Bibliotheksbestand, der ihnen persönlich sehr am Herzen liegt.
OBM Burkhard Jung wählte das Werk „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ von Erich Kästner aus. Der Roman trägt autobiografische Züge und entwirft ein Gesellschaftsbild Berlins am Vorabend des Amtsantritts Adolf Hitlers. „Ich beteilige mich sehr gern an dieser Aktion, denn es ist für uns alle sehr wichtig zu zeigen, welche Bücher warum im Feuer landeten. Ich habe den Titel „Fabian“ gewählt, denn einer meiner Söhne trägt wegen dieses Buches diesen Namen.“
Auch Dr. Katrin Schumacher von MDR Kultur ist bei der Aktion gern dabei. Sie wählte das Buch „Die Waffen nieder“ der Autorin Bertha von Suttner. „Als erste Frau wurde Bertha von Suttner mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, und dieses Buch ist nur ein Teil ihres lebenslangen Kampfes gegen den Krieg. Über 130 Jahre nach Erscheinen immer noch ein Ereignis: dieses Buch ist eine so vehemente wie friedliche Waffe gegen den Krieg. Ein Beweis dafür, dass Literatur die Kraft und Macht hat, unser Zusammenleben zu gestalten.“
Küf Kaufmann, Direktor des Kultur- und Begegnungszentrums „Ariowitsch-Haus“ e.V., entschied sich für „Jud Süß“, ein 1925 erschienener Roman von Lion Feuchtwanger. „Ich habe dieses Buch gewählt, weil man es zwei Mal hingerichtet hat: Einmal mit der Bücherverbrennung und ein zweites Mal in der missbräuchlichen Propaganda-Verfilmung mit der antisemitischen Botschaft, sich der Juden durch präventiven Mord zu entledigen. Wir müssen alles Praktische dafür tun, dass jegliche Art von intellektueller Finsternis nicht noch einmal über uns kommt. Nie wieder!“.
Den Titel „Aufstand der Fischer von St. Barbara“ von der Autorin Anna Seghers nahm sich Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke mit ins Büro. „Anna Seghers gehört zur Gründungsgeneration der DDR. Ihr kämpferisches Engagement im Schriftstellerverband, dem sie lange vorstand, beeindruckt mich bis heute ebenso wie ihre aus den Erfahrungen von Krieg, Flucht und Exil gespeiste Überzeugung, dass eine bessere Welt und eine gerechtere Gesellschaft möglich sind.“
Dr. Thorsten Ahrend, Geschäftsführer des Literaturhaus Leipzig e.V. wählte den Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque, der die Schrecken des Ersten Weltkriegs aus der Sicht eines jungen Soldaten schildert. „Ein Buch über geschundene Menschen, die einer Maschinerie ausgesetzt sind, die ihnen alles bestreitet, für das sie leben, die ihnen das Menschsein bestreitet. Er gibt ihnen die Würde zurück, macht sie wieder zu Subjekten. Darauf gründet der anhaltende Erfolg des Buches bis heute.“
Das Buch „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun liegt auf dem Schreibtisch von Susanne Metz, der Direktorin der LSB. Der Roman im Stile eines Tagebuches erzählt die Geschichte der 18-jährigen Doris und wie sie sich über Wasser hält. „Ich habe mich für ein Buch von Irmgard Keun entschieden, weil Keun über Frauen schreibt, die ihr Leben selbständig und unabhängig leben wollen, und damit nicht dem Frauenbild der Nazis entsprachen.“
Diese und weitere Titel befinden sich im Bestand der Leipziger Städtischen Bibliotheken. Für Inhaber des Bibliotheksausweises ist die Ausleihe und Rückgabe in den Bibliotheken möglich. Weitere Informationen unter stadtbibliothek.leipzig.de/.
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