Um die Überschrift einzuordnen, die Aussagen von Jens Spahn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und einer der stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-CDU fungiert, sind keine Privatmeinungen. Er vertritt zumindest einen Teil der CDU. Wenn Jens Spahn also jetzt im ZDF meint, man müsse das Grundgesetz ändern, um „Jobverweigerern“ das Bürgergeld dauerhaft komplett zu streichen, dann drückt das wohl die Meinung von nicht unerheblichen Teilen der CDU und des Parteivorstandes aus.
„Wenn hier eine generelle Streichung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt ist, sollten wir eben die Verfassung ändern“, sagte Spahn im ZDF.
CDU fordert „strikte Verfassungstreue“
Das fordert sie gern und oft, sie will das sogar in den „Kanon der Leitkultur“ aufnehmen. Besonders betrifft das Migranten, die sollen sich dazu bekennen – wenn der CDU dann mal etwas nicht passt, dann wird das Grundgesetz eben geändert.
Geht es aber um Initiativen zu Änderungen, die der CDU nicht passen, dann heißt es immer „Das steht nicht im Grundgesetz“, zum Beispiel bei Bildung.
Zum Glück für alle stehen einer Änderung des Grundgesetzes hohe Hürden entgegen. So bedarf nach Artikel 79 des Grundgesetzes eines Gesetzes, das wiederum der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestags und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrats bedarf.
Warum das Ganze gerade jetzt?
Im Jahr 2024 finden drei wichtige Landtagswahlen und die Europawahl und 2025 schon wieder die Bundestagswahl statt. Die Populisten sind auf dem Vormarsch, wenn man den Umfragen traut, und die Stimmung gegen „Jobverweigerer“ und das Bürgergeld, übrigens befeuert von der CDU, erreicht einen Höhepunkt.
Da stellt man gern diese „Arbeitsverweigerer“, die angeblich zu hunderttausenden Bürgergeld beziehen, an den Pranger und fordert Sanktionen.
Wie viele Menschen verweigern Jobannahme?
Da scheiden sich die Geister, es gibt noch keine wirklich aussagefähigen Statistiken für den Bezug von Bürgergeld. Nimmt man aber die Pressemeldung der Bundesagentur für Arbeit vom 11. April 2023 „Minderungen in der Grundsicherung gehen 2022 weiter zurück“ dann ergibt sich ein anderes Bild, als das von den massenhaft faulen Bürgergeldempfängern.
Rund 97 % der Leistungsberechtigten bleiben von Minderungen unberührt, heißt es dort. Das bedeutet, für rund 5,2 Millionen Anspruchsberechtigten in 2022 wurden 148.488 Sanktionen ausgesprochen (lt. PM).
Zieht man Sanktionen für verspätete Meldungen und ähnliche Gründe ab, dann ergibt sich eine Zahl an sogenannten „Totalverweigerern“, die wohl nicht weit von den 52.000, die für 2021 ermittelt wurden, abweicht.
Bedarf es für diese Anzahl einer Grundgesetzänderung?
Was wird das Nächste?
Mit der Forderung nach einer Grundgesetzänderung wegen einer geringen Anzahl von Menschen, die keinen Job annehmen, wobei die Gründe dafür immer noch fraglich bleiben, treibt die CDU im Fahrwasser der Populisten.
Was wäre die nächste Forderung, im Falle eines Wahlergebnisses mit einer AfD als stärkster Partei?
Wäre es eine Wiederkehr des § 361 RstGB Abs. 7 „Mit Haft wird bestraft: wer, wenn er aus öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung empfängt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der Behörde angewiesene, seinen Kräften angemessene Arbeit zu verrichten“?
Oder des § 249 des StGB der DDR, mit Arbeitserziehung und Freiheitsstrafe?
Fazit: Die CDU sollte sich solche Forderungen gut überlegen. Wehret den Anfängen!
Keine Kommentare bisher