Wenn am kommenden Samstag Neonazis aus mehreren Bundesländern nach Leipzig reisen, werden sie wohl auch wieder gegen angeblich kriminelle Ausländer hetzen. Doch ein Blick auf das zu erwartende Personal zeigt: Ein kriminelles Verhalten haben bislang vor allem die Anreisenden an den Tag gelegt. Während einige Redner bereits mehrere Jahre im Gefängnis verbrachten, sollen sich Mitglieder einer Neonazikameradschaft an den Zerstörungen in Connewitz beteiligt haben. Das Verwaltungsgericht bestätigt unterdessen, dass Rechtsmittel gegen die Routenänderung eingelegt wurden.

Update: Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag der Partei „Die Rechte“ abgelehnt. Dies gab die Stadt am Donnerstagabend bekannt. Die Anmelder könnten nun die nächste Instanz anstreben, ansonsten bleibt es bei der Route von der Kurt-Eisner-Straße zum Bayrischen Platz. Anmelder Christian Worch hat diesbezüglich eine Anfrage der L-IZ vorliegen.

Wer eine Vorstellung davon bekommen möchte, welche Klientel am kommenden Samstag in Leipzig für „Heimat“, „Familien“ und „Zukunft“ demonstrieren möchte, sollte einen Blick auf die Seiten der Neonazikameradschaft „Brigade Halle“ werfen.

Mal findet man dort eine per Bildbearbeitung auf einen Antifa-Flyer gesetzte Handgranate, mal ein Foto von Adolf Hitler, mit dem die Demonstration am 18. März beworben wird. Bereits am 11. Januar richtete die „Brigade“ auf Facebook eine öffentliche Todesdrohung an den Grünen-Landesvorsitzenden Jürgen Kasek: „Er geht auch bald für immer.“ Radikale Islamisten möchte die Kameradschaft ins Vernichtungslager schicken („Zyklon B ist billig“) und das NSU-Opfer Mehmet Turgut verhöhnte sie an dessen Todestag als vermeintlichen Drogenhändler, der von Dealern ermordet worden sei.

Jedoch beschränken sich die Aktivitäten der Neonazis nicht auf den digitalen Raum. Einige von ihnen beteiligten sich laut „Mitteldeutscher Zeitung“ am 11. Januar 2016 an den Zerstörungen in Connewitz. In Halle selbst hetzt die wohl etwa 30 Personen umfassende Gruppe vor allem gegen Roma und Geflüchtete im Stadtteil Silberhöhe.

Jede Menge Vorstrafen

Anmelder der Demonstration am 18. März ist allerdings nicht die „Brigade“, sondern die Neonazipartei „Die Rechte“, vertreten durch ihren Bundesvorsitzenden Christian Worch. Dieser kommt nicht zum ersten Mal nach Leipzig. Bis 2007 hatte er versucht, hier sein „Frontstadt“-Konzept durchzusetzen, scheiterte jedoch am antifaschistischen Widerstand und wegbleibenden Teilnehmern. Am 12. Dezember 2015 zählte er ebenfalls zu den Organisatoren.

Worch, der am Dienstag 61 Jahre alt wurde, musste bereits zweimal ins Gefängnis: wegen Volksverhetzung, Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda und Fortführung einer verbotenen Organisation. Er gilt unter anderem als konzeptioneller Wegbereiter der „Freien Kameradschaften“. Auch bei der Gründung der Partei „Die Rechte“ im Mai 2012 spielte er eine entscheidende Rolle. Die Partei rekrutierte sich dabei vor allem aus ehemaligen Mitgliedern teils verbotener Kameradschaften und der DVU, welche gerade mit der NPD fusionierte. Derzeit hat „Die Rechte“ etwa 650 Mitglieder in Deutschland. Ihr Schwerpunkt liegt in Nordrhein-Westfalen.

Viele Experten schätzen die Partei im Vergleich zur NPD als radikaler ein. Ihr sächsischer Landesverband beispielsweise verbreitete Fotos im Internet, auf denen Personen vor einem Banner mit der Aufschrift „Ein Platz für Nazis!“ zu sehen sind. Der Twitter-Account des Landesverbandes teilte zudem ein Bild mit der zentralen Botschaft: „Israel vernichten“.

Die Redner am 18. März

Für die Demonstration am 18. März wurden bislang fünf geplante Redner präsentiert – allesamt Landesvorsitzende der Partei. In Sachsen ist dies mittlerweile nicht mehr der frühere NPD-Stadtratskandidat Alexander Kurth, sondern Uli Bayer. Über diesen ist nicht viel mehr bekannt als dass er im Dezember 2016 am Bundesparteitag der „Rechten“ in Erfurt teilnahm und dort – laut Parteihomepage – eine „Anwendung vorstellte, die die zukünftige Mitgliederorganisations- und Finanzbuchhaltung vereinfachen soll“.

Ebenfalls angekündigt sind die Landesvorsitzenden von Nordrhein-Westfalen (Sascha Krolzig), Niedersachsen (Holger Niemann), Bayern (Philipp Hasselbach) und Thüringen (Enrico Biczysko). Der 29-jährige Krolzig war bis zu ihrem Verbot im August 2012 führendes Mitglied der „Kameradschaft Hamm“. 2005 wurde Krolzig zu einer sechsmonatigen Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt, weil er auf einer Kundgebung einen an die SA angelehnten Ausdruck verwendet hatte. 2013 wurde er erneut verurteilt – diesmal wegen Beleidigung eines schwarzen Polizisten.

Aktuell läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren, weil er im vergangenen Dezember einen Mann rassistisch beleidigt haben soll und angeblich versucht hat, diesem ein Glas ins Gesicht zu schlagen. Anschließend soll er Widerstand gegen die polizeilichen Maßnahmen geleistet haben.

Auch der gleichaltrige Bayern-Chef Hasselbach hat eine bewegte Nazigeschichte. Der ehemalige Kameradschaftsführer ist bereits als Minderjähriger zu einem Arrest verurteilt worden. Einen Sinneswandel hat diese Maßnahme jedoch nicht herbeigeführt. Es folgten unter anderem Angriffe auf Polizisten und Pressefotografen, Volksverhetzung, gewerbsmäßiger Betrug, Sachbeschädigung, Beleidigung und Hausfriedensbruch. Für einen Überfall auf einen Aussteiger aus der Neonaziszene verurteilte ihn ein Amtsgericht zu einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung. Einen großen Teil seines Lebens verbrachte Hasselbach im Gefängnis.

Die Leipziger Szene ziemlich ruhig

Ein weiterer Mann mit reichlich Vorstrafen wird dem Demogeschehen am Samstag womöglich fernbleiben: Alexander Kurth. Dieser hatte sich in den vergangenen Monaten zunächst in der „Offensive für Deutschland“ von Ex-Legida-Organisator Silvio Rösler engagiert und fährt mittlerweile gemeinsam mit dem nach eigenen Angaben aus der NPD ausgetretenen David Köckert als „Wir lieben Sachsen/Thügida“ durch Ostdeutschland.

Während Rösler auf Facebook zumindest Interesse an der Demo am 18. März zeigt, ist von Kurth und Köckert diesbezüglich nichts zu vernehmen. Andere lokale Akteure wie Enrico Böhm und dessen sogenannte Bürgerbewegung „Wir für Leipzig“ mobilisieren ebenfalls nicht für die Veranstaltung. Es hat also den Anschein, als würden in Leipzig vor allem jene für „ihre Heimat“ demonstrieren wollen, die eigentlich „Fremde“ in dieser Stadt sind.

Die genaue Strecke für den Neonaziaufzug ist noch offen. Am Dienstag hatte Anmelder Worch der L-IZ mitgeteilt, dass er Rechtsmittel gegen die Routenänderung einlegen möchte. Das Verwaltungsgericht bestätigte nun am Donnerstagvormittag den Eingang. Mit einer Entscheidung sei im Laufe des Tages oder am Freitag zu rechnen.

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