In den letzten Monaten hat sich bei Legida und Pegida eine Menge getan, meist hieรŸ die Richtung abwรคrts. Einerseits traten vor allem in Leipzig immer deutlicher rechtsradikale bis rechtsextreme Kreise auf, andererseits konnte man am 2. Mai 2016 vielleicht noch 250 Teilnehmer zรคhlen. Dies kรถnnte sich am 6. Juni รคndern, da man auch bei Pegida in Dresden verstanden hat, dass das Partnerbรผndnis in der Messestadt gerade zusammenfรคllt. Um den Trend zu drehen, schickt man wieder einmal Frontfrau Tatjana Festerling nach Leipzig. Zweimal, um genau zu sein, denn am 3. Juni versuchte sie, Oberbรผrgermeister Burkhard Jung mit einer Mistgabel im Rathaus zu besuchen.

Apropos Mistgabel โ€“ da war doch was am 11. Januar 2016 in Leipzig gewesen? Zuerst einmal ist den Leipzigern der Abend des 11. Januar 2016 wohl als รœberfall und Zerstรถrungsorgie von etwa 250 rechtsextremen Hooligans in Connewitz in Erinnerung geblieben. Und dem anschlieรŸenden Schweigen seitens Legida und Pegida. Diese waren am gleichen Abend unter der Anwesenheit des rechten Hooligan-Musikers Hannes Ostendorf (Kategorie C-Hungrige Wรถlfe) damit beschรคftigt gewesen, vor etwa 2.000 Teilnehmern gegen Parlamente, Presse und Kirchgemeinden zu hetzen.

Wรถrtlich hatte Tatjana Festerling dabei auf der Legida-Kundgebung am Naturkundemuseum Leipzig gesagt: โ€žWenn die Mehrheit der Bรผrger noch klar bei Verstand wรคre, dann wรผrden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehรคusern prรผgeln.โ€œ In weiten Teilen der Medien als Aufruf zur Gewalt verstanden, hatte es anschlieรŸend Anzeigen, unter anderem vom Deutschen Journalistenverband (DJV) und vom Verband der Zeitungsverleger, aber auch von Privatpersonen und Kirchenverbรคnden gegeben.

Diese Anschuldigungen sind nun erst einmal vom Tisch. Der Staatsanwaltschaft Leipzig war das Wort โ€žElitenโ€œ zu undefiniert, um darin einen konkreten Aufruf zu Gewalt gegen andere Menschen zu erkennen โ€“ im Amtsdeutsch seien โ€œElitenโ€ in den genannten Institutionen โ€žkein taugliches Angriffszielโ€œ, wie der MDR berichtet. Volksverhetzung sei es ebenfalls nicht und von der Meinungsfreiheit gedeckt. Weitere Ermittlungen soll es dazu nicht geben.

Tatjana Festerling & Edwin Wagensveld auf dem Weg ins Leipziger Rathaus. Quelle: Youtube/Legida

Was Festerling anschlieรŸend prompt zu einer kalkulierten Posse trieb. Am 3. Juni 2016 betrat die laut Wiki gebรผrtige Wuppertalerin (die WAZ-Gruppe schreibt, es sei Hagen) an der Seite von Ed, โ€ždem Hollรคnderโ€œ (Edwin Wagensveld) das Leipziger Rathaus und begehrte โ€“ beide mit Mistgabeln in der Hand, dabei filmisch begleitet und anschlieรŸendem Video-Upload bei Youtube โ€“ Einlass beim Leipziger Oberbรผrgermeister Burkhard Jung. Ihre Ankรผndigung am Empfang: โ€žDas Rathaus ausmistenโ€œ. Auf Schildern vor der Tรผr wurden weitere Gegner der Islamfeinde gezeigt: Connewitz, die Antifa, aber auch der Leipziger Polizeiprรคsident, die Ahmadiyya-Gemeinde Leipzig und allgemein โ€žder Parteienfilzโ€œ stehen auf der Rรคumliste.

Ein โ€žArbeitseinsatzโ€œ, welcher letztlich im Vorzimmer des Leipziger OBM dankend abgelehnt und ein Termin verwehrt wurde. Dass sie so weit kamen, hat damit zu tun, dass grundsรคtzlich das Rathaus allen Bรผrgern offen stehen soll und im engeren Sinne nicht โ€žbewachtโ€œ wird. Was natรผrlich nicht einschlieรŸt, dass man mal eben einen Ad-hoc-Termin zum Mistgabelschwingen bekommt.

Ein paar Querfront-Vorschlรคge

Hintergrund der Aktion war natรผrlich, auf den Bescheid der Staatsanwaltschaft aufmerksam zu machen und gleichzeitig fรผr die Legida-Veranstaltung am 6. Juni 2016 ab 19 Uhr am Naturkundemuseum Leipzig zu werben. So war es wohl auch zu verstehen, dass Festerling dem Bรผndnis โ€žLeipzig nimmt Platzโ€œ ein Gesprรคch am Abend des 3. Juni 2016 angeboten hatte. Die Ablehnung kommentiert die Pegida-Frontfrau neben den รผblichen Gehรคssigkeiten vor allem mit einem bemerkenswerten Satz auf ihrer eigenen Webseite, welcher an die Querfront-Strategie der Nazis in den 30er Jahren angelehnt scheint.

โ€žEs ist wirklich schade, denn im Fall der Bilderberger wรผrde ein Dialog und ein temporรคrer Zusammenschluss von Linken und Patrioten ja sogar mal Sinn machen โ€“ wenn es ihnen denn wirklich um die Sache ginge.โ€œ รœber 40 Demonstrationen sind bereits angekรผndigt, wenn sich โ€ždie Bilderbergerโ€œ vom 9. bis 12. Juni 2016 im Dresdner Taschenberg-Palais treffen. Darunter unzรคhlige Veranstaltungen ohne Pegida, einige mit.

Am 2. Mai war Legida auf dem Ring sogar blockiert und auf eine Ausweichroute gezwungen worden.

Das preisgekrรถnte Netzwerk โ€žLeipzig nimmt Platzโ€œ (LnP) hatte bereits im Vorfeld des 3. Juni die Annรคherungsversuche von Pegida als unannehmbar eingestuft. Carolin Franzke fรผr das LnP in Richtung der GIDA-Bewegung: โ€žGrundlage jeder Diskussion sind die Menschenrechte. Wer Menschenrechte in Abrede stellt, stellt sich auรŸerhalb eines demokratischen Diskurses. Mit Menschenfeind_innen kรถnnen deshalb in einer offenen und toleranten Gesellschaft keine Gesprรคche stattfinden. Menschenrechte sind nicht disponibel. Eine Diskussion darรผber wertet Ideologien der Ungleichwertigkeit aufโ€œ.

Eine โ€žRรผckeroberungโ€œ gegen den Schwund

Wie sehr das Wasser lรคngst am Hals der Legida/Pegida-Bewegung steht, kann man auch am mittelalterlich entlehnten Veranstaltungstitel โ€žReconquista โ€“ Wir holen uns Leipzig zurรผckโ€œ erkennen. Nun also Pegida in der Tradition der christlichen Rรผckeroberer der iberischen Halbinsel zwischen 722 und 1492. Von wem? Natรผrlich von den Muslimen, welche mit der Besetzung einst auch unzรคhlige Grundlagen heutiger Kulturtechniken nach Europa brachten. Getreu dem Namen gehtโ€™s eben nicht ohne Islambezug bei den patriotischen Europรคern gegen die Islamisierung.

Ja, das sind wirklich alle? Legida am 2. Mai 2016 beim Abgang am Wagnerplatz. Foto: L-IZ.de
Ja, das sind wirklich alle? Legida am 2. Mai 2016 beim Demostart am Wagnerplatz. Foto: L-IZ.de

Auch die teilweise Benennung โ€žPegida Leipzigโ€œ auf Festerlings eigener Internetseite gibt einen weiteren Fingerzeig, dass man in Dresden bei gleichzeitig eigenem Teilnehmerschwund die neueren Wege der Leipziger Schwester eher kritisch sieht und nun doch lieber wieder helfen kommt. Was von manchen Legida-Anhรคngern im Netz bereits mit Argwohn betrachtet wird. Offenbar ist die Pegida-Fรผhrung erst einmal damit beschรคftigt, Legida โ€žzurรผckzuerobernโ€œ.

Die L-IZ.de wird wie gewohnt am 6. Juni live dabei sein und รผber den Kreuzzug sowie die Gegendemonstrationen berichten. Leider fehlt dadurch wieder etwas Zeit und Kraft fรผr die Berichterstattung รผber weitere oft ehrenamtlich organisierte Integrationsprojekte und Initiativen in Leipzig. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

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