In zwei Wochen ist es so weit: Neonazis der Partei โDie Rechteโ, der โOffensive fรผr Deutschlandโ und von โThรผgidaโ wollen am 12. Dezember ausgerechnet im linksalternativ geprรคgten Stadtteil Connewitz aufmarschieren. Die Planungen fรผr den Gegenprotest laufen ebenfalls schon auf Hochtouren. Auf beiden Seiten ist eine รผberregionale Mobilisierung zu erwarten. Ob der rechtsextreme Sternmarsch รผberhaupt in gewรผnschter Form stattfinden kann, ist jedoch noch offen.
Selbstbewusstsein, Grรถรenwahn, Todessehnsucht oder schlicht die Lust an der Provokation โ die Ankรผndigung von Neonazis, am 12. Dezember in Connewitz und der Sรผdvorstadt demonstrieren zu wollen, hat vor allem in den sozialen Medien schon vielfรคltige Interpretationsversuche hervorgerufen. Fakt ist: An diesem Tag wollen zwischen 14 und 16 Uhr drei Gruppierungen im Rahmen eines Sternmarsches im Leipziger Sรผden aufmarschieren und sich an der HTWK in der Eichendorffstraรe vereinen.
Die Neonazipartei โDie Rechteโ mรถchte am Alexis-Schumann-Platz in der Sรผdvorstadt loslaufen. An der Spitze des sรคchsischen Landesverbandes, der nach Erkenntnissen des hiesigen Verfassungsschutzes รผber kaum mehr als zehn Mitglieder verfรผgen soll, steht der Leipziger Alexander Kurth. Noch vor einem Jahr bewarb er sich als Mitglied der NPD fรผr ein Stadtratsmandat. Weil er wegen einer Vorstrafe gar nicht hรคtte antreten dรผrfen, musste die Kommunalwahl teilwiederholt werden. Kurz darauf wechselte er zur โRechtenโ. Im Mai dieses Jahres machte Kurth Schlagzeilen, als linke Aktivisten auf der Plattform โIndymediaโ umfangreiches Datenmaterial verรถffentlichten, das Verbindungen zu Polizisten und seine schlechte Meinung รผber viele rechtsextreme Kameraden aufzeigte. Im Mรคrz hatten mehrere Vermummte bei einem รberfall auf ihn und seine Frau sein Smartphone erbeutet.
Kurth war in den vergangenen Wochen gern gesehener Gast, Redner und Megafonhalter bei der โOffensive fรผr Deutschlandโ (OfD), einer Art Abspaltung von Legida. Nachdem der einstige Orgachef Silvio Rรถsler das rassistische Bรผndnis im Frรผhling verlassen hatte, hielt er bundesweit Ausschau nach neuen Verbรผndeten. Diese fand er zunรคchst im โWiderstand Ost Westโ (WOW) der rechten Aktivistin Ester Seitz. Gemeinsam planten beide Organisationen fรผr Ende September eine Groรkundgebung in Leipzig. Wegen interner Querelen bei WOW und Rรถslers Verbindungen zu NPD-Funktionรคren scheiterte die Zusammenarbeit jedoch.
Die ursprรผnglich als โGida-Dachverbandโ an den Start gegangene โ und als solche weder von Pegida noch von Legida anerkannte โ โOffensive fรผr Deutschlandโ fรผhrt ihre Kundgebungen seitdem in Eigenregie durch. Folgten dem ersten Aufruf noch etwa 300 Neonazis, Hooligans und besorgte Rassisten, verlor die OfD rasch an Anziehungskraft. Statt im Stadtzentrum demonstrierte sie fortan in Grรผnau, Markkleeberg und Gohlis. Dabei mussten Rรถsler und seine Kameraden jedes Mal eine Halbierung der Teilnehmerzahl hinnehmen โ die bislang letzte Kundgebung in Leipzig besuchten gerade einmal noch etwa 20 Personen. Eine ursprรผnglich fรผr den Simsonplatz geplante Demonstration Anfang November verlegte die OfD daraufhin wenige Kilometer sรผdรถstlich von Leipzig, in die Kleinstadt Groรpรถsna. Mit dabei: das Umfeld von โThรผgidaโ.
Anders als etwa Pegida, das in Sachsen nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, wird Thรผgida als rechtsextrem eingestuft. Zahlreiche Orgamitglieder und Redner sollen laut thรผringischem Innenministerium Verbindungen ins Neonazispektrum aufweisen. Einer der Verantwortlichen ist beispielsweise David Kรถckert, den das antirassistische Blog โThรผringen Rechtsauรenโ als โZugpferd der NPDโ in der Region bezeichnet. In Altenburg brachten die Ultrarechten im Oktober mehr als 1.000 Menschen auf die Straรe. Nun zieht es zumindest das Umfeld von Thรผgida nach Sachsen. Wer genau hinter der Anmeldung fรผr die Route von der August-Bebel-Straรe zur Karl-Liebknecht-Straรe steckt, ist unbekannt. Laut Ordnungsamt handelt es sich dabei um eine private Person. In den offiziellen Ankรผndigungen wird Thรผgida als Mitorganisator genannt. Die offizielle Facebookseite der Thรผringer verweist ebenfalls auf die geplante Neonazidemo in Leipzig.
Das Hauptaugenmerk der meisten Beteiligten dรผrfte an diesem Tag jedoch auf dem Aufzug der โOffensive fรผr Deutschlandโ liegen. Dieser startet nach aktuellen Planungen in der Selneckerstraรe und fรผhrt dann รผber das Connewitzer Kreuz Richtung Norden. Offiziell soll es laut OfD darum gehen, auch mit den politisch links stehenden Menschen โins Gesprรคch zu kommenโ. Was Silvio Rรถsler unter Dialog versteht, war jedoch schon im Anschluss an die OfD-Kundgebung in Markkleeberg zu sehen, als er schreiend einem L-IZ-Fotografen hinterher rannte. Neonazigruppierungen wie die โBrigade Halleโ, die ebenfalls fรผr den Sternmarsch am 12. Dezember mobilisieren, lassen jedenfalls keinen Zweifel am eigentlichen Anliegen. So heiรt es in einem Facebookeintrag: โSei dabei! Connewitz in Schutt und Asche legen!โ
Welche konkreten Personen hinter dem Neonaziaufmarsch stecken, zeigte sich unter der Woche, als die OfD auf Facebook ein Foto des angeblichen Orgateams prรคsentierte, das eigenen Angaben zufolge gerade den Veranstaltungsort besichtigt hatte. Darauf sind neben Kurth und Rรถsler auch die beiden OfD-Fรผhrungsfiguren Erhard Kaiser und Anne Zimmermann sowie der fรผhrende Thรผringer Neonazi-Hooligan Michael Fischer zu sehen. Zu letzterem kursiert auf YouTube ein Video, das ihn im Nahkampf auf einer Autobahnraststรคtte zeigt. In der Vergangenheit beteiligte er sich unter anderem an Kundgebungen der Neonaziparteien NPD und โDer III. Wegโ sowie an Protesten gegen Geflรผchtetenunterkรผnfte. Mittlerweile ist er wie Kurth Mitglied in der Partei โDie Rechteโ. Zimmermann wiederum war bis vor kurzem fรผr die rassistische โInitiative Heimatschutzโ in Meiรen aktiv und nennt auf ihrer Facebookseite als besuchte Schule die โWehrmachtโ. Das Ankรผndigungsvideo fรผr die Demonstration in Connewitz kommentierte sie mit dem Satz: โMรถgen die Spiele beginnen.โ
Ob OfD, โRechteโ und โThรผgidaโ so demonstrieren dรผrfen, wie sie das mรถchten, ist derzeit noch offen. Das Groรvorhaben weckt Erinnerungen an einen vor fรผnf Jahren geplanten Sternmarsch von Neonazis, der unter anderem ebenfalls durch Connewitz fรผhren sollte. Damals hatte Ordnungsbรผrgermeister Heiko Rosenthal (Linke) erklรคrt, mit den vorhandenen Polizeikrรคften einen Aufzug aus dem rechtsradikalen Spektrum schรผtzen zu kรถnnen, aber nicht mehrere. Das Verwaltungsgericht Leipzig folgte dieser Argumentation. Allerdings sollten 2010 mehrere Routen aus verschiedenen Himmelsrichtungen quer durch die Stadt bis ins Zentrum fรผhren. Diese wurden letztlich zu einer stationรคren Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz beauflagt.
Linke-Stadtrรคtin Juliane Nagel hรคlt es fรผr mรถglich, dass die Demonstrationen auch diesmal zusammengelegt werden, etwa wenn der Versammlungsbehรถrde Zweifel an der Mobilisierungsfรคhigkeit einzelner Anmelder kommen. Insgesamt sind mehr als 1.000 Teilnehmer angekรผndigt. Deutlich mehr dรผrften es in jedem Fall auf der Gegenseite werden. Nicht nur kรผndigt sich hier bereits รผberregionale Unterstรผtzung an, auch geht es diesmal um das Selbstverstรคndnis eines gesamten Stadtteils, dessen Bewohner eine solche Machtdemonstration der Rechtsextremen wohl mit allen Mitteln zu verhindern versuchen werden. Entsprechende, teils martialische, Aufrufe finden sich im Internet bereits zur Genรผge. Auf Indymedia heiรt es etwa: โAm 12. Dezember alle Nazis angreifen, รผberall! Hetzjagd auf Kurth!โ
Die Initiative โRassismus tรถtet! Leipzigโ plant bereits fรผr den Vorabend eine Demonstration. Am 12. Dezember soll es dann unter anderem eine Kundgebung von โLeipzig nimmt Platzโ vor der 3. Grundschule in der Scharnhorststraรe geben. Dort leben seit einigen Monaten etwa 200 Geflรผchtete. Zudem verbreitet der Stadtbezirksverband Leipzig-Sรผd der โLinkenโ einen Aufruf an Kneipen, Lรคden und Anwohner, an diesem Tag Position zu beziehen. Weitere Kundgebungen befinden sich derzeit in der Planung.
โEs wird eine Vielzahl von kreativen Aktivitรคten verschiedener Spektren geben, auch fรผr die Sicherheit von im Sรผden lebenden Geflรผchteten wird gesorgtโ, fasst Nagel die derzeitigen Planungen zusammen. Die finale Entscheidung รผber die Demonstrationsrouten der Neonazis werden die anstehenden Kooperationsgesprรคche mit dem Ordnungsamt bringen. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass Angehรถrige gegensรคtzlicher politischer Spektren an jenem Wochenende einen Ausflug nach Leipzig planen.
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 4 Kommentare
โEbenso wie ich eingeschrรคnkt habe, dass nicht alle Aufrufe so martialisch wie die โHetzjagdโ ausfallen, habe ich auch nicht behauptet, dass alle Connewitzer diese Form der Auseinandersetzung suchen wรผrden.โ
Connewitz hat rd, 25.000 Einwohner. Es wird davon kaum jemanden geben, der in zwei Wochen die Demonstration der Partei โDie Rechteโsowie der โOffensive fรผr Deutschlandโ und von โThรผgidaโ fรผr gut findet. Ich auch nicht.
Wer mir jedoch beibringen will, dass ein sehr groรer Teil der Connewitze bereit ist, den Weg des gewalttรคtigen Protestes zu wรคhlen, der zieht doch die Schuhen mit dem Spaten an. Es ist doch immer der gleiche harte Kern, der rd. 1000. Personen umfasst. Dazu kommen dann noch die โangereisten Sympathisantenโ. Diese Personen haben nach meiner Ansicht, wie Herr Weise sehr schรถn zum Ausdruck gebracht hat, mit linken Ideen nichts am Hut. Gar nichts.
Obwohl das so ist, werden solche Auftritte dazu fรผhren, dass โDie Linkeโ bald weder im Sรคchsischen Landtag, noch im Leipziger Stadtrat vertreten sein wird. So weit reicht aber der Blick nicht. Man sรคgt sich lieber die Fรผรe des Stuhles ab auf den man sitzt.
Ich sehe eigentlich nicht die Notwendigkeit, zum ersten Kommentar in irgendeiner Form Stellung zu beziehen. Ich betrachte ihn als Ergรคnzung zu meinem Artikel.
Ebenso wie ich eingeschrรคnkt habe, dass nicht alle Aufrufe so martialisch wie die โHetzjagdโ ausfallen, habe ich auch nicht behauptet, dass alle Connewitzer diese Form der Auseinandersetzung suchen wรผrden. Im Moment dominieren jedoch (noch) diese Reaktionen auf die Ankรผndigungen der Neonazis.
Auf Reaktionen zu diesen angenehm sachlichen Kommentar bin ich gespannt. Sehr gespannt.
Achtung, mit Polemik ist da aber nichts zu holen.
Hallo Rene Loch,
ich wohne in Connewitz. Ihre Schilderung vom โSelbstverstรคndnis eines gesamten Stadtteils โฆ โรผber โmartialische Aufrufeโ zu โ Indymedia ! Hetzjagd auf Kurth!โ ist nicht richtig.
Wohl sind wir Connewitzer mehrheitlich gegen rechte Provokationen, aber nicht mit allen Mitteln, nicht mit Hetzjagd usw. Die chaotischen Krรคfte dieser extremistischen politischen Einstellung (wie man die รผberhaupt in einem Zuge mit Linken nennen kann, ist mir ein Rรคtsel), sollten begreifen, dass sie damit den Stadtteil im Protest gegen Rechts auseinanderdividieren und nicht etwa starkmachen.