Ein Hausbesuch bei der muslimischen Gemeinschaft Ahmadiyya. Gegrรผndet von einem Mann, der im 19. Jahrhundert den Anspruch vertrat, der verheiรŸene Messias zu sein. Das trennt Ahmadiyya von anderen Muslims, die in Mohammed den letzten Propheten sehen. Eine in Pakistan verfolgte Gruppe. Die Wohnung ist zu klein fรผr die 60 Mitglieder. Deshalb wollen sie in Gohlis bauen. Noch gibt es Streit mit dem Nachbarn. Doch gibt es wirklich Grund zur Sorge?

Ein kleiner Raum in einer Mietwohnung. 15 Mรคnner knieen, ein Teil kniet im Flur. Das Fenster ist mit einer hellblauen Decke verhรคngt. Oberhalb hรคngt ein Tuch:

ู„ุง ุฅู„ู‡ ุฅู„ุง ุงู„ู„ู‡ ู…ุญู…ุฏ ุฑุณูˆู„ ุงู„ู„ู‡

There is none worthy of worship except Allah, Mohammed is the messenger of Allah.

Es ist die Schahada, das muslimische Glaubensbekenntnis: โ€žEs gibt keinen Gott auรŸer Gott, Mohammed ist der Gesandte Gottes.โ€œ

Ich bin stiller Gast des Freitagsgebetes der Ahmadiyya Muslim Jamaat in der EisenbahnstraรŸe. Ich bin hier als katholischer Theologe, der an einem interreligiรถsen Dialog teilnimmt. Mit mir sitzen hier zwei weitere Christen. Fรผr uns wurden Stรผhle hingestellt. Die Glรคubigen tragen eine Kopfbedeckung, uns wurde es freigestellt. Die Frauen treffen sich samstags.

Die Schahada im Gebetsraum. Foto: Ernst-Ulrich Kneitschel
Die Schahada im Gebetsraum. Foto: Ernst-Ulrich Kneitschel

Es ist auch so viel zu eng. Fรผr alle wรคre der Raum zu klein. Die geplante Moschee in Gohlis soll dies รคndern. Dort sollen dann alle Platz finden. 60 Mitglieder hat die kleine Gemeinde.

Der ruhige Sprechgesang des Freitagsgebetes rezitiert die erste Sure aus dem Koran:

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen

Alles Lob gebรผhrt Allah, dem Herrn der Welten ,

dem Allerbarmer, dem Barmherzigen

dem Herrscher am Tage des Gerichts!

Dir (allein) dienen wir, und Dich (allein) bitten wir um Hilfe.

Fรผhre uns den geraden Weg,

den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast,

nicht (den Weg) derer, die (Deinen) Zorn erregt haben,

und nicht (den Weg) der Irregehenden.

Gebetssprache ist arabisch. SchlieรŸlich hat Mohammed in dieser Sprache verkรผndet. Doch der Name des wichtigsten Propheten des Islam steht nicht im Vordergrund. Stil und der Inhalt sind mir nicht fremd. Lob Gottes, seine Alleinstellung, Bitte um den rechten Weg und auch die schroffe Abgrenzung gegen andere, die nicht Gott folgen, findet sich in den Psalmen.

Wie ein Refrain wirkt der meditativ vorgetragene Ausruf:

โ€žAllahu akbar!โ€œ Gott ist der AllergrรถรŸte.

Ein Kampfruf in einer Schlacht? Bei Ahmadiyya lรคsst sich dies eindeutig verneinen. Es geht um einen inneren Kampf. Nicht politische Ziele werden verfolgt, sondern spirituelles Wachstum erfleht. Aus dem Meer arabischer Worte ragt ein AMEN hervor. Die hebrรคische Bekrรคftigung dessen, was zuvor gebetet wurde. Nein, ich bete nicht mit, aber ich erkenne viele Formen wieder. Das ist nicht รผberraschend. Nehmen doch Christen und Muslime auf jรผdische Wurzeln Bezug.

Nach dem Gebet spricht Imam Said Arif. Thema an diesem Tag ist der Prophet Mohammed. Von seiner Geduld ist die Rede, von Situationen, in denen er nicht nachtragend war. Die Botschaft: Es gibt keine Rechtfertigung fรผr die Taten von Extremisten. Ihr Handeln kรถnnen sie nicht mit dem Propheten begrรผnden. Das steht im Kontrast zu dem, was Islamkritiker Mohammed vorwerfen. Im Interview werde ich den Imam dazu befragen.

Die Kalifen der Ahmadyya. Foto: Ernst-Ulrich Kneitschel
Die Kalifen der Ahmadyya. Foto: Ernst-Ulrich Kneitschel

Im Anschluss wechselt die Gemeinde ins Wohnzimmer. Die Trennung zum Mainstream der Muslime wird sichtbar. Man ist Live mit dem Freitagsgebet in London verbunden. Dort sitzt der Kalif in der vollen Hauptmoschee der Gemeinschaft. Er ist der Nachfolger von Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad. Dessen Anspruch: der VerheiรŸene Messias des Islam und von allen groรŸen Religionen. Mohammed ist nicht der letzte Prophet, aber der wichtigste und bedeutendste. Der Messias bezieht sich in seinem Auftreten und seiner Lehre allerdings deutlich auf Jesus, aus muslimischer Sicht der vorletzte Prophet vor Mohammed.

Der Anspruch, Messias zu sein, fรผhrte in Pakistan zu Verfolgung und Ausgrenzung, die bis heute anhรคlt. Natรผrlich dรผrfen sie sich auch im Machtbereich des IS nicht blicken lassen.

Wichtige Elemente der Lehre: Gewaltlosigkeit, Trennung von Religion und Staat, Ablehnung von Todesstrafe und Zwangsheirat.

Im Wohnzimmer wird es gemรผtlich. Es gibt Kaffee und Kekse. Ein Gemeindemitglied kommt zu mir und betont frรถhlich, dass wir doch einen gemeinsamen Glauben haben. Wรคhrend der Kalif spricht, wird getrunken. Die Gemeinde ertrรคgt geduldig die holprige deutsche รœbersetzung des Senders aus London. Der Kalif erzรคhlt eine Geschichte aus dem Leben des Messias. Messias im Dialog mit islamischen Rechtsgelehrten, die ihm Vorwรผrfe machen, weil er mit Christen unter einem Dach gesehen wurde. Mich erinnert das an Geschichten im Neuen Testament.

Der Gebetsraum ist schmal, klein und schmucklos. Foto: Ernst-Ulrich Kneitschel
Der Gebetsraum ist schmal, klein und schmucklos Foto: Ernst-Ulrich Kneitschel

Nach der Schalte aus London versammelt sich die Gemeinde wieder im Gebetsraum. Es werden Gedichte und Gebete vorgetragen. Man spricht รผber praktische Fragen. Am Schluss wird dann gewรคhlt. Ein Vertreter der Gemeinde soll zur nationalen Shura geschickt werden. Eigenwerbung findet nicht statt. Es werden Kandidaten vorgeschlagen. Durch Handhebung wird gewรคhlt. Am Ende findet sich eine einfache Mehrheit.

Danach wird im dritten Raum gespeist. Die Gรคste sind herzlich eingeladen, leider musste ich aber an dieser Stelle gehen. Eindrรผcke fรผr Diskussionen habe ich vorerst genug gesammelt. Nun steht ein Interview an, welches in Kรผrze hier an dieser Stelle zu lesen ist.

 

 

Empfohlen auf LZ

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar