Was glauben Muslime? Die Frage ist zu pauschal. Es gibt im Islam viele Strรถmungen. Im Bahnhofcafรฉ traf ich Iman Said Ahmed Arif von der Ahmadiyya-Gemeinde. Sie wollen in Gohlis eine kleine Moschee bauen. Im Gesprรคch ging es um das Bild des Islam in der ร–ffentlichkeit, die Deutung des Koran und die Struktur der Ahmadiyya. Mit dabei seine Frau. Auch sie sprach von ihrem Glauben, ihrem Selbstverstรคndnis als Muslimin und warum sie das Kopftuch trรคgt.

Im dritten Teil des Gesprรคches geht es um Strukturen, um Formen und Grenzen der Mitbestimmung sowie um die Rolle des Kalifen. Und noch einmal wird von Frauen die Rede sein.

Sie hatten am Ende des Freitagsgebetes auch eine Wahl abgehalten. Welche Beteiligungsmรถglichkeiten gibt es in ihrer Religion und wo sind die Grenzen der Mitbestimmung?

Imam: Wir sind sehr glรผcklich, dass wir eine einheitliche Theologie haben, durch den Kalifen, der in London ist. Das gibt uns einen Rahmen. Bei uns ist es nicht so, dass irgendjemand aufsteht und seine eigene Theologie verbreitet und auf Ideen kommt, die nichts mit dem Islam zu tun haben. Es kann keiner den Islam ausnutzen, um seine eigenen politischen Ziele oder Begierden zu verfolgen. Das verhindern wir durch das spirituelle Kalifat. Da gibt es Spielrรคume, aber es kann keiner einfach aufstehen und seine eigene Theologie vertreten. Da wรผrde man sich automatisch von der Gemeinde entfernen.

Aber es gibt Wahlen in allen Unterorganisationen fรผr alle ร„mter. Dabei wird nicht fรผr sich geworben, also es finden keine Kampagnen statt, sondern man betet und gibt demjenigen seine Stimme, von dem man meint, dass er am aufrichtigsten ist. Das muss nicht die Person selbst von sich behaupten, das kรถnnen die anderen Menschen an der Person sehen. Wenn ich nun auf eine theologische Idee komme, die nicht in unserer sehr umfassenden Lehre vorhanden ist, dann schreibe ich diese Idee an den Kalifen. Ich habe darรผber nachgedacht und bin zu diesem Resultat gekommen. Und wenn er sagt, ok, das steht nicht im Widerspruch zu unseren Lehren und zum Koran, dann ist das ok. Andernfalls wird das dann widerlegt.

Der Kalif entscheidet das allein?

Imam: Es gibt ein Gremium [Darul-Ifta], das genau รผber diese theologischen Fragen nachdenkt und dann ihre Gedanken dem Kalifen vorlegt. Am Ende entscheidet dann der Kalif, ob das ok ist oder nicht. Das Gremium ist da, aber die Entscheidung liegt beim Kalifen, weil wir der รœberzeugung sind, dass es eine Person ist, die von Gott geleitet ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Wahl des Kalifen, die stattfindet, zwar von Menschen gemacht wird, aber dass es Allah ist, der den Kalifen wรคhlen lรคsst.

Durch wen wird der Kalif gewรคhlt?

Imam: Das sind die Vertreter der verschiedenen Gemeinden. Das sind dann ca. 300 Vertreter, die nach dem Tod des Kalifen zusammenkommen und den neuen Kalifen wรคhlen. Die Wahl findet innerhalb von 3 Tagen nach dem Ableben eines Kalifen statt und dauert nur ein paar Stunden. Es ist das gleiche Prinzip. Niemand wirbt fรผr sich, sondern man betet und wรคhlt den, zu dem das Herz einen bewegt.

An der Wahl nehmen nur Mรคnner teil?

Imam: Der Kalif kann nur ein Mann sein. Genauso wie die Propheten nur Mรคnner sind, so ist es auch bezรผglich dem Kalifen. Die Aufgabe der spirituellen Leitung der Gemeinde wurde Mรคnnern รผbertragen.

Mich erinnert die Argumentation an die katholische Kirche, in der ja auch nur Mรคnner bestimmte Positionen bekleiden kรถnnen. Zugleich gibt es in der katholischen Kirche derzeit auch Diskussionen, welche stรคrkere Rolle Frauen spielen kรถnnten. Gibt es eine entsprechende Diskussion bei Ahmadiyya?

Imam: Wir haben ja praktisch diese Frauenorganisation. Sie sind eigenstรคndig, auch finanziell und strukturell. Und sie haben ihre eigenen Wahlen.

Frau Arif: Wir sind unabhรคngig!

Imam: Genau, absolut unabhรคngig und eigenstรคndig unter der Leitung des Kalifen. Wir haben daher die Diskussion in diesem Sinne nicht. Sie haben ihre eigenen Bรผros. Sie arbeiten auf ihren eigenen Wegen, unter dem Kalifen direkt. Es gibt auch keine Diskussion, ob Frauen den Kalifen stellen kรถnnen. Nicht etwa, weil Frauen minderwertig wรคren, sondern weil Frauen einfach ihre eigenen Aufgaben haben. Das Amt des Kalifen ist eine Aufgabe, die Gott den Mรคnnern รผbergeben hat, ein Grund dafรผr ist auch die Geschlechtertrennung im Islam. Frauen kรถnnen das Gebet fรผr Frauen leiten, die die Frauenunterorganisation leiten. Die Frau des Propheten, Aischa, Friede sei mit ihr, war sehr, sehr belesen. Und der Prophet, Friede sei mit ihm, hat gesagt, die Hรคlfte des Glaubens kรถnnt ihr von ihr lernen.

Vielen Dank fรผr das Gesprรคch.

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