Wie erkennt ein Journalist, dass er Neonazis, Rassisten und sonstigen Extremisten mit seinen Recherchen, zumal als Lokalreporter, so richtig nahe kommt? Wenn sie Kampagnen gegen ihn starten, fingierte Fahndungsaufrufe im Netz platzieren, sein Bild garniert mit flotten Sprรผchen verbreiten und sich so auf jede denkbare Weise um Einschรผchterung bemรผhen. Nicht selten versuchen sie ihm nachzustellen, ihn zu bedrohen oder gleich an irgendeiner Ecke zusammenzutreten. Die Motivation ist meist leicht zu erahnen: sie wollen seinen Lebenskreis einengen, ihn einschรผchtern und mรถglichst so unter Druck setzen, dass er sich zurรผckzieht. Nun ist der nรคchste Fall eines solchen missglรผckten Versuchs dieser Art vor Gericht gelandet.
Besonders abgesehen hatte es eine Zeit lang gleich eine ganze Gruppierung von stadtbekannten Neonazis auf den L-IZ โ Kollegen Martin Schรถler. Er arbeitet seit nunmehr 8 Jahren als Reporter fรผr die Leipziger Internet Zeitung und recherchierte unter anderem jahrelang รผber die lokale und regionale Neonazi-Szene. Das brachte dem heute 31-Jรคhrigen auch eine Menge Nachstellungen und รผble Nachreden aus eben dieser rechtsradikalen bis -extremen Szenerie ein: Neben physischen Angriffen und Drohungen wurde der Journalist im Mรคrz 2015 Opfer eines perfiden Online-Feldzugs, der ihn mit einem gefรคlschten Fahndungsaufruf der sexuellen Belรคstigung von Kindern bezichtigte.
Als Tรคter wurde Benjamin B. (27) aus Wurzen Anfang des Jahres rechtskrรคftig verurteilt. Mรถglicherweise machte der Kampfsportler Schรถler dafรผr verantwortlich, dass ihm wegen seiner Verbindungen ins rechtsextreme Milieu ein Profi-Vertrag in den USA versagt blieb. Wahrscheinlicher ist wohl, dass ein Lokaljournalist einfach leichter โgreifbarโ war, als viele Kollegen, die bereits รผber Benjamin B. berichteten.
Just das gleiche Foto von Schรถler wie aus dem fingierten Steckbrief bei Benjamin B. tauchte am 10. Mรคrz 2015 auf dem Facebook-Profil von Thomas P. auf, versehen mit den Worten โMartin Schรถler, ein Kรคmpfer fรผr Weltoffenheit und Toleranz.โ Wie lobend er dies gemeint haben kรถnnte, war nun Gegenstand vor Gericht. Denn auch Thomas P. ist kein Unbekannter: Der 35-Jรคhrige gilt als ein bekannter Akteur der hiesigen Neonazi-Szene, fรผhrte unter anderem gemeinsam mit Benjamin B. eine Firma und war Vertreiber von โFront Recordsโ. Eine lange Palette an Vorstrafen durchzieht die Vita des Selbstรคndigen seit 2007, unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Bedrohung, Kรถrperverletzung und Volksverhetzung.
Martin Schรถler setzte sich gegen die unerlaubte Verbreitung seines Facebook-Profilbildes zur Wehr und erstattete Strafanzeige. Das Amtsgericht Leipzig verhรคngte im Dezember 2016 eine Geldstrafe von 1.200 Euro gegen Thomas P., wogegen dieser in Berufung ging.

Runde 2 ohne Thomas P.
Zur Neuauflage des Verfahrens am Dienstag vor dem Leipziger Landgericht erschien Thomas P. nicht persรถnlich, sondern wurde per Vollmacht von seinem Anwalt Tim Brรคuer vertreten. Dieser hatte im ersten Prozess noch versucht, Schรถler wegen seiner journalistischen Arbeit zur โPerson der Zeitgeschichteโ zu erklรคren, die eine Verbreitung ihres Fotos ohne Einwilligung hinnehmen mรผsse.
Nachdem dies bereits gescheitert war, schien im zweiten Termin keine klare Verteidigungsstrategie mehr erkennbar: Erst befragte Brรคuer Schรถler, der als Nebenklรคger und Belastungszeuge auftrat, nach angeblichen Verbindungen in die linke und linksextremistische Szene. Ein sonst beliebtes Mittel bei Verteidigern von Rechtsextremen, da so der Anschein einer Gegnerschaft und somit eine Rechtfertigung fรผr Attacken gegen Journalisten versucht wird. Anschlieรend nahm Rechtsanwalt Brรคuer jedoch den ermittelnden Polizeibeamten Sven S. (41) ins Visier: Wurden die Screenshots, die Schรถler als Beweismittel einreichte, auf eine Verfรคlschung hin รผberprรผft? Und kรถnne sich nicht jeder unter irgendeinem Namen bei Facebook anmelden?
Hatte es zunรคchst den Anschein, als wollte der Verteidiger die Tรคterschaft seines Mandanten in Zweifel ziehen und Schรถler unglaubwรผrdig erscheinen lassen, รผberraschte er dann mit einem Zitat aus den Allgemeinen Geschรคftsbedingungen (AGB) von Facebook. Jeder Nutzer des sozialen Netzwerks erteile mit seiner Anmeldung eine Lizenz fรผr die Verbreitung von Bildmaterial, argumentierte Brรคuer.
Damit stieร er auf entschiedenen Widerspruch von der Richterbank: Nicht das einfache Teilen eines zur Verfรผgung gestellten Fotos auf Facebook stรผnde zur Debatte, sondern dessen unerlaubte Bearbeitung und Weiterverwendung fรผr eigene Ziele. โIch darf mit fremden Bildern nichts ohne Erlaubnis machen,โ stellte der Vorsitzende Richter Klaus Kรผhlborn klar.
Davon unbeirrt hielt Verteidiger Brรคuer am Ziel des Freispruchs fรผr Thomas P. fest, unterstellte unserem Kollegen Martin Schรถler Belastungseifer und der Polizei lasche Ermittlungen. So sei weder die Authentizitรคt der Screenshots noch das Urheber-Profil auf Facebook รผberprรผft worden.
Staatsanwรคltin Anne-Kristin Meier sah das vรถllig anders. Ein falsches Konto auf Facebook รผber lange Zeit zu betreiben, nur um einmal Schaden zuzufรผgen, sei lebensfremd, Schรถlers Einlassung zudem sachlich und nachvollziehbar gewesen. Nicht zuletzt auch die unter dem Profil Thomas P.s getรคtigte Aussage โIch habโ den bei Facebook reingemachtโ in einem Chat mit Benjamin B. hรคtten einen Tatnachweis erbracht.
Der Angeklagte rรคume seine Tat ja quasi ein, wenn er diese mithilfe der AGB von Facebook plรถtzlich fรผr legal erklรคren lieรe, fรผgte Schรถlers Anwรคltin Doreen Blasig-Vonderlin hinzu. Und versuchte etwas, was fรผr extreme Mitmenschen so verdammt schwer zu verstehen ist โ das Dasein als Journalist zu erlรคutern. So verwies sie auf die Anfeindungen gegen ihren Mandanten auch vom linken Rand, denen sich Schรถler aufgrund seiner journalistischen Arbeit in der Vergangenheit bereits ausgesetzt sah. Fรผr die Aussage des Verteidigers, der im Foto eingearbeitete Spruch sei lobend und nicht sarkastisch, zeigte sie kein Verstรคndnis.
Das Gericht folgte diesen Argumenten und verhรคngte eine Geldstrafe von insgesamt fรผnfzig Tagessรคtzen. Wegen eines den Betrag mindernden Hรคrteausgleichs โ Thomas P. hatte zwischenzeitlich noch eine weitere Geldstrafe wegen anderer Delikte kassiert โ kommen im Gesamtergebnis 1.250 Euro Geldstrafe fรผr das Verbreiten des Fotos auf ihn zu. Zudem trรคgt er nun die Verfahrenskosten und die Honorare fรผr zwei Anwรคlte.
Gegen das Urteil ist noch eine Revision mรถglich.
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Richtig so, Glรผckwunsch.
Viel gelernt hat der Knabe aus der Sache mit seinem Kumpel anscheinend nicht.^^