Am 19. Mรคrz 2015, 14 Uhr, saรen alle im groรen Versammlungsraum der Polizeidirektion Leipzig an der Dimitroffstraรe 1 zusammen, der Polizeiprรคsident von Leipzig, Bernd Merbitz hatte sie eingeladen. Die Presse aus Sachsen, BILD, LVZ, Sรคchsische Zeitung und viele mehr. Das einzige Thema der vorab etwas diffus zur Aussprache angekรผndigten Runde: LEGIDA und die Medien. Binnen weniger Minuten wurde klar, worum es eigentlich ging. Merbitz warb um Vertrauen und versuchte die Regeln zwischen Presse, Polizei und Demonstranten aus Sicht seiner Beamten zu definieren.
Tenor damals: Wir kรถnnen nicht jeden schรผtzen, die Journalisten mรผssten sich doch zurรผckhalten. Dieser Tenor hat sich lรคngst zu einer Haltung entwickelt, welche vor allem lokale Journalisten in Leipzig allein lรคsst, da sie schlicht oft erkannt werden. Bereits Anfang 2015 hatte es ausreichend Grund zum Treffen gegeben, denn bereits zu diesem Zeitpunkt hatten Einsatzbeamte am 21. Januar 2015 einen gezielten Angriff auf Fotojournalisten geschehen lassen und anschlieรend den Vorgang im Lagebericht an die zentrale Einsatzleitung vergessen zu erwรคhnen. Minutenlang konnten sich an der Spitze des Versammlungszuges teils vermummte Hooligans und Rechtsradikale ohne Eingreifen der Polizei auf die anwesenden Journalisten konzentrieren, kurz darauf kam es zu Jagdszenen, spรคter flogen Steine. Bis heute ist keiner der Tรคter vor Gericht gestellt worden.
Ein Vorgang, welcher in รผber 10 Jahren Demonstrationsbeobachtungen der L-IZ nicht einmal auf NPD-Versammlungen mรถglich schien.

Ein Dauerzustand wird Normalitรคt
Das Versprechen damals seitens der Leipziger Polizei lautete, Vermummte umgehend anzusprechen, notfalls aus der Versammlung auszuschlieรen und stรคrker auf die Sicherheit der anwesenden Journalisten zu achten. Was folgte, war eine endlose Aneinanderreihung von gezielten Beleidigungen, Bedrohungen, Tรคtlichkeiten und รbergriffe auf Journalisten durch verschiedene Teilnehmer der seit langer Zeit durch Markus Johnke angemeldeten Demonstrationen unter den Augen der Polizei.
Neben den Dauerrufen โLรผgenpresseโ (โauf die Fresseโ) unter den Augen der zur Absicherung des friedlichen Verlaufes eingesetzten Polizeibeamten und Versuche rechtsextremer Teilnehmer, Journalisten in Portraitaufnahmen zu fotografieren und anschlieรend in den sozialen Netzwerken zu verunglimpfen, hat sich dabei in den vergangenen Monaten die Palette der Attacken weiter ausdifferenziert. Darunter auch gezieltes Sprรผhen mit Wasser, Limonaden oder รคhnlichem, um Kameratechnik zu beschรคdigen, das Schlagen nach Kameratechnik, teils mit dem Ziel, auch die fotografierende Person an der Kamera zu verletzen.
Neue Varianten der Aggression
Die seit einigen Wochen neuere Variante ist zudem das Ausleuchten mittels transportabler Baulampen (blaues Blendlicht) in Richtung der Kameras, teils zur einfachen Behinderung der Berichterstattung bis hin zum Vertuschen von offensichtlich gemeinsam geplanten Straftaten. Neu auch ist das Mitbringen von Angelruten aus Fiberglas, neben Vermummungen und den Baulampen eher kein von den รผblichen Demonstrationsauflagen gedecktes Mittel der friedlichen Meinungsรคuรerung unter freiem Himmel.
Wรคhrend sich LEGIDA-Teilnehmer unter den Augen der eingesetzten Polizeibeamten erneut zunehmend aufmunitionieren und sich auch durch polizeiliches Handeln bestรคrkt sehen, gilt Markus Johnke der Stadt Leipzig, dem Ordnungsamt und der Polizeidirektion Leipzig offensichtlich nach wie vor als verlรคsslicher Anmelder der LEGIDA-Aufmรคrsche in Leipzig. Die gegebene Mรถglichkeit, die Anmeldetรคtigkeit von Markus Johnke aufgrund von Vorfรคllen auf seinen Demonstrationen einzuschrรคnken oder zu unterbinden, hat bis heute nicht stattgefunden. Ebenso Fehlanzeige: Die konsequente Verfolgung der Tรคter trotz Strafanzeigen. Das Zeichen seitens derer, die es sich aufgrund der Rundfunkgebรผhr leisten kรถnnen: seit Neuestem ist der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) dazu รผbergegangen, seinen Mitarbeitern gebรผhrenfinanzierte Bodyguards an die Seite zu stellen.

Nicht zuletzt kam und kommt es darรผber hinaus zu Behinderungen von Pressearbeit durch Polizeibeamte selbst. Hierbei ist zu beobachten, dass ein normales Vorgehen seitens der betroffenen Journalisten keine Ergebnisse zeitigt โ die entsprechenden Einsatzbeamten werden gedeckt, immer wird versucht, im Falle eines Fehlverhaltens durch sogenannte โGegenanzeigenโ Journalisten selbst zu kriminalisieren, wenn es um Polizeibeamte geht. Lรคngst sind Vernetzungen von Polizeibeamten in die rechtsextreme Szene in Sachsen zu konstatieren โ entgegen der politischen Neutralitรคt der Polizei fรผhren auch diese Vorgรคnge zu keinen nachvollziehbaren Reaktionen seitens der Polizeifรผhrung Leipzigs. Denn auch diesen Vorgรคngen wird seitens der Polizei nicht konsequent nachgegangen, die Beamten werden offenbar geschรผtzt und sind weiterhin im aktiven Dienst.
Keine รnderung in Sicht
Bislang richten sich regelmรครig Verwarnungen bis hin zu Platzverweisen unter den Augen von LEGIDA-Teilnehmern seitens der Polizei nach Bedrohungen vor allem gegen Journalisten. Das โDanke Polizeiโ am Ende manches Aufmarsches ist neben der versuchten Solidarisierung seitens LEGIDA auch das Echo auf dieses Vorgehen. Umgekehrt weigern sich oft genug vor Ort eingesetzte Polizeibeamte, Strafanzeigen von Seiten der Journalisten aufzunehmen, das Fehlverhalten einiger Beamter wird hingegen nicht verfolgt, die Verfahren verlaufen intransparent im Sande.
Mittlerweile Normalitรคt in Leipzig: Das Unterlassen von normalem polizeilichem Handeln wird zu einem vorgeblich unmรถglichen Schutz von Journalisten uminterpretiert, da diese sich selbst in Gefahr bringen wรผrden. Dies mag fรผr Kriegs- und Krisengebiete gelten, in denen sich staatliche Gewalt bereits aufgelรถst hat, Sicherheitskrรคfte nicht vorhanden oder heillos รผberfordert sind. Wie es in Leipzig auf Demonstrationen von LEGIDA aussieht, zeigt eine Chronik der รbergriffe, welche am Freitag, 12. Januar 2016, erstmals in der LEIPZIGER ZEITUNG verรถffentlicht wurde und nun auch hier auf L-IZ.de nachzulesen ist.
Einzelne Drohungen, Beleidigungen und Verbalattacken von LEGIDA-Teilnehmern finden dabei keine Erwรคhnung. Weitere Fรคlle, in denen Polizeibeamte Informationen an Rechtsextreme weitergaben, bleiben ebenfalls unerwรคhnt und sind hier und hier auf L-IZ.de nachlesbar. Alle in der Chronik aufgefรผhrten Fรคlle beschreiben nur berichtete รbergriffe und teilweise die Reaktionen seitens der Polizei direkt vor Ort.

Inwieweit die Pressefreiheit hierbei noch gewรคhrleistet ist, bleibt vorerst unbeantwortet.
Weshalb es seitens der L-IZ.de derzeit und nach langen internen Debatten nur eine Antwort geben kann. Die Leipziger Polizeidirektion ist lรคngst aufgefordert, geeignete Maรnahmen im Sinne einer Begleitung von Demonstrationen seitens LEGIDA durch die Presse vorzuschlagen. Und diese transparent darzulegen, damit sich Demonstrationsteilnehmer bei LEGIDA ebenso wie eigene Einsatzbeamte zukรผnftig im entsprechenden Maรe daran halten.
Die Zeit fรผr Beschwichtigungen ist jedenfalls seit dem 1. Februar 2016 und dem gezielten Angriff nach vorheriger Bedrohung auf einen unserer langjรคhrig mit Demonstrationen erfahrenen Kollegen vorbei. Was die Journalisten der L-IZ.de zu einem Offenen Brief an die Polizeidirektion und eine notwendige Konsequenz veranlasst. Wir werden bis zum Vorliegen eines Maรnahmenkataloges mit prรคventiven Maรnahmen bei LEGIDA-Demonstrationen seitens der Polizeidirektion Leipzig, der Stadt Leipzig oder/und klarer Signale seitens der sรคchsischen Staatsregierung bis auf weiteres die Liveberichte vor Ort einstellen.
Ein einmaliger Vorgang nach nun knapp 11 Jahren Leipziger Internet Zeitung und unzรคhligen Demonstrationsbegleitungen in dieser Zeit. Ein Ergebnis anhaltender, polizeilich geduldeter Bedrohung und der รbergriffe seitens der LEGIDA-Demonstranten an nahezu jedem Montag, welchen wir in unserer Stadt berichteten. Wir werden auch beim Ausbleiben einer Reaktion neue Varianten finden. Doch besser wird es dadurch im Interesse einer aufgeklรคrten Gesellschaft nicht.
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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