Erneut wird Kritik an der Unterbringung von Asylbewerbern in Leipzig geäußert. Wieder wird auf die Vernachlässigung der notwendigen Registrierungen der Menschen hingewiesen. Und wieder sollen die Zustände unhaltbar sein. Der „Initiativkreis: Menschen.Würdig“ teilte dies zusammen mit „Refugee-Support LE“ am Sonntag mit und lieferte Bilder aus der notdürftig hergerichteten Unterkunft in der Halle 4 der Leipziger Messe gleich mit.
2.000 Menschen sind es mittlerweile, die hier eilig eingerichtet, auf der neuen Messe in Leipzig untergebracht sind. Die vor knapp zwei Wochen eröffneten Notunterkunft ist hoch frequentiert und dennoch nur begrenzt geeignet, dauerhaft darin zu “wohnen”. Bei der Stadtratssitzung am vergangenen Mittwoch teilte Oberbürgermeister Burkhard Jung bereits mit, dass die Halle nun vollständig belegt ist, die Kapazität ist damit also erschöpft.
Rund 30 Bilder vom “Initiativkreis: Menschen.Würdig“ und der Initiative “Refugee-Support LE“ zeigen die Menschen in der kargen Halle. Dünne Wände trennen mehrere Liegeplätze voreinander ab. Mitunter bauen sich die derzeitigen Bewohner einen Sichtschutz mit Isolierdecken. Ebenfalls sind verdreckte Sanitäranlagen zu sehen und knapp bemessene Mahlzeiten in Aluminiumassietten. Nach Angaben der Gruppen und einem Video, in dem ein vermutlicher Bewohner in der Einrichtung die Probleme schildert, soll es kein warmes Wasser geben und nur unzureichende Waschmöglichkeiten.
Kim Schönberg vom Initiativkreis erklärt dazu: „Die Zustände in der Messehalle 4 sind menschenunwürdig, ja menschenrechtswidrig“ und zitiert die Frage eines Flüchtlings „I am an animal?“ („Bin ich ein Tier?“). Für besonders problematisch hält er die aus der Lage resultierende Isolation und sieht das Recht der Untergebrachten auf gesellschaftliche Teilhabe als verwehrt an, weil grundlegende Leistungen nicht ausgeschüttet werden würden.
„Ohne Taschengeld können sie sich keine Tickets für den ÖPNV kaufen, um der Tristesse zumindest kurzfristig zu entfliehen, Leipzig kennenzulernen, an Kulturveranstaltungen teilzunehmen, Kontakte zu knüpfen, Beratungsangebote wahrzunehmen oder einkaufen zu gehen“, so Schönberg. „Der Verweis auf die steigenden Zahlen von Zufluchtsuchenden kann die Missstände nicht entschuldigen“, will Conny Herzog von „Refugee-Support LE“ entschuldigende Begründungen nicht gelten lassen und fordert: „Auch in Sachsen müssen Menschenrechte eingehalten werden.“
Hinzu kommen die derzeitigen Verzögerungen aufgrund mangelnder personeller Kapazitäten. So teilte die Landesdirektion Sachsen in der vergangenen Woche mit, dass allein die Registrierung der Menschen aktuell zwischen vier und sechs Wochen in Anspruch nimmt.
Ebenfalls ein Problem stellt die allgemeine Verfahrensweise dar, die Personen vorrangig in Chemnitz abzufertigen, wie von diversen Stellen berichtet wird. Ärztliche Untersuchungen müssen aufgeschoben werden. Flüchtlinge werden von einer Stadt zur anderen geschafft, um das amtliche Prozedere abzuschließen. Bereits in der Ernst-Grube-Halle war bekannt geworden, dass die ärztlichen Grunduntersuchungen größtenteils nicht mehr in der dafür hergerichteten Erstaufnahmeeinrichtung Chemnitz, sondern erst vor Ort notdürftig durchgeführt werden können.
Eine weitere gefährliche Entwicklung stellt für die beiden Leipziger Initiativen mehrere Gesetzesänderungen dar, die vergangene Woche publik geworden sind. Die Organisation „Pro Asyl“ befürchtet durch weitere finanzielle Einschränkungen unter anderem eine vermehrte Obdachlosigkeit und noch stärkere Mittellosigkeit von Geflüchteten.
Sachsen erhält in diesem Jahr voraussichtlich 50 Millionen Euro Unterstützung vom Bund, so das Sächsische Ministerium des Inneren. Bisher wurden 88,7 Millionen Euro durch das Land Sachsen an die Kommunen ausgeschüttet.
Für den Betrieb von Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) von Flüchtlingen fielen 33,6 Millionen an. Sie werden meist von Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz, den Johannitern oder den Maltesern betrieben. Das Land Sachsen entrichtet nach dem Wechsel der Asylbewerber aus der Erstaufnahme in kommunale Fürsorge eine Pauschale. Sie beträgt pro Quartal 1.900 Euro, was monatlich 633,33 Euro entspricht.
Für Leipzig wird in diesem Jahr mit bis zu 5.400 Flüchtlingen gerechnet. Oberbürgermeister Jung hatte aufgrund der nach wie vor schwierigen Lage bei der Ratssitzung am 16. September deshalb erweiterte Befugnisse erhalten, um Unterbringungsmöglichkeiten schneller zu schaffen.
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