Seit dem 18. Jahrhundert zählt Leipzig zu den bedeutendsten Messe- und Verlagsstädten in Deutschland. Obwohl nur eine Minderheit in der Buchbranche, waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch jüdische Verleger, Autor/-innen und Künstler/-innen an diesem Erfolg beteiligt, darunter Henri Hinrichsen (Edition Peters) oder Kurt Wolff. Im Rahmen von „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ zeigt eine Sonderausstellung im Böttchergässchen jetzt einen kleinen Blick auf die jüdischen Verleger in Leipzig.

Viele andere jüdische Verleger sind heute fast vergessen. Wichtige Publikationen des liberalen Judentums entstanden um 1850 dank spezialisierter Verlagshäuser und Druckereien in Leipzig. Jüdische Verleger waren vor allem Anfang des 20. Jahrhunderts sehr vielseitig aktiv: Ihre Publikationen reichten von religiösen Schriften über die berühmten Notendrucke der Edition Peters bis zu wissenschaftlichen Werken, Stadtplänen und Zeitschriften oder Künstlerbüchern der Moderne.

Zu den in der Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums vorgestellten Verlagen zählen der Anton J. Benjamin Musikverlag, die Hebräische Buchhandlung M. W. Kaufmann, die Sortiments- und Antiquariatsbuchhandlung Gustav Fock, die Akademische Verlagsgesellschaft sowie die wissenschaftliche Antiquariatsbuchhandlung List & Francke. Der Buchhändler Schussheim richtete sich mit einem Stadtplan sowie einem Lesezirkel an ein breites Publikum.

Die in der Ausstellung vorgestellten Verlage

Der A. J. Benjamin Musikverlag wurde 1818 von Joseph Benjamin in Altona als Buchhandlung gegründet und wurde später zu einem erfolgreich und diese Verlagsbranche wesentlich mitbestimmenden Musikverlag mit zunehmend internationaler Bedeutung ausgebaut. Nach 1920 wurde Leipzig der Firmensitz.1938 wurde der Verlag von den Nationalsozialisten „arisiert“.

Das Areal Täubchenweg 20 / Göschenstraße 2–4, Fir- mensitz des Anton J. Benjamin-Verlags, um 1925. Foto: SGM Leipzig.
Das Areal Täubchenweg 20 / Göschenstraße 2–4, Firmensitz des Anton J. Benjamin-Verlags, um 1925. Foto: SGM Leipzig.

Die „Hebräische Buchhandlung in Firma M. W. Kaufmann“, Leipzig: Das 1828 in Hamburg
gegründete und ab 1862 in Leipzig wirkende Unternehmen war die älteste Leipziger jüdische Buchhandlung und gleichzeitig eine der ältesten jüdischen Buchhandlungen in Deutschland. Das Wirkungsspektrum umfasste Buchhandel, Verlag und Antiquariat, später auch noch den Handel mit Ritualien. Die Pogromnacht 1938 bedeutete trotz „Sonderzulassung“ das Ende des auch international ausstrahlenden Buch- und Verlagsunternehmens.

Die Sortiments- und Antiquariatsbuchhandlung Gustav Fock: Die Unternehmensphilosophie der 1879 von G. Fock gegründeten Buchhandlung wurde von der engen Verbindung von Wissenschaft und Antiquariat bestimmt. 1898 übernahm Leo Jolowicz, Mitarbeiter des Firmengründers, die Firma als Geschäftsführer und Gesellschafter. Seine große Fachkenntnis und kaufmännisches Geschick garantierten weiterhin, bis zu seinem erzwungenen Ausscheiden 1938, die erfolgreiche Existenz und internationale Ausstrahlung des Unternehmens.

Die Akademische Verlags-Gesellschaft m.b.H.: 1906 gründete Leo Jolowicz die „Akademische Verlagsgesellschaft mit beschränkter Haftung“. Diese konzentrierte sich auf die Herausgabe von v.a. naturwissenschaftlichen Werken und naturwissenschaftlichen Zeitschriften. Zu den Autoren, die bei der AVG veröffentlichten, gehörten u.a. die Nobelpreisträger W. Ostwald und das Ehepaar Curie. 1938 trat Jolowicz – gezwungen – auch als Geschäftsführer der AVG zurück. Im Juni 1940 verstarb er nach kurzer Krankheit.

Eine nicht alltägliche Verbindung von verlegerischer Tätigkeit und sozialem Wirken war Siegfried Sindel Schussheim: Mit seinem „Lesezirkel Schussheim“ und einem Stadtplanverlag plante und finanzierte der Verleger Siegfried Schussheim ein umfangreiches soziales Projekt: Auf der finanziellen Basis der Erträge aus diesen beiden Unternehmen schuf er ab 1931 in Leipzig-Wahren mehrere Wohn und Altenheime vorrangig für Mitglieder seines Familien-Lesezirkels. Dieses Wohnensemble umfasste 1935 sechs Häuser. Nur bis 1938 konnten diese sozialen Einrichtungen fortgeführt werden. Danach wurden sie „arisiert“.

Die wissenschaftliche Antiquariatsbuchhandlung List & Francke: Felix List und Hermann Francke gründeten 1862 in Leipzig unter dem Namen „List & Francke“ eine wissenschaftliche Antiquariatsbuchhandlung. Insgesamt umfasste deren Wirken neben dem Sortiments- und Antiquariats-Buchhandel und dem Musikalienhandel auch den Autographen-Handel, den sie für und durch ihr Haus zur Weltgeltung führten.

Und sie unterstützten verlegerische Tätigkeiten wissenschaftlichen Inhalts. Mit dem Rückzug von Hermann Francke und dem unerwarteten Tod von Felix List 1892 ging die Firma in die Hände der Söhne von Hermann Francke über. 1924 wurde die Firma aufgegeben.

Einerf derf bekanntesten jüdischen Verleger aus Leipzig: Kurt Wolff. Foto: Frank Eugene, um 1913. Deutsches Literaturarchiv Marbach
Einer der bekanntesten jüdischen Verleger aus Leipzig: Kurt Wolff. Foto: Frank Eugene, um 1913. Deutsches Literaturarchiv Marbach

Die Studioausstellung im Haus Böttchergässchen des Stadtgeschichtlichen Museums „Uns eint die Liebe zum Buch. Jüdische Verleger in Leipzig. 1815–1938“ ist vom 1. Juni 2021 bis 25. Juli 2021 zu sehen.

Begleitend zur Ausstellung erscheint das gleichnamige Buch im Stadtgeschichtlichen Museum, über den Verlag Hentrich & Hentrich Verlag Berlin Leipzig und im Buchhandel erhältlich.

Gefördert durch #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland e.V. aus Mitteln des
Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat

Die nächsten Veranstaltungen in der Ausstellung

(Für alle Termine und Angebot gilt: Vorbehaltlich der aktuellen Corona-Schutzverordnung und Öffnung der Museen.)

Donnerstag, 3. Juni, 15.00 Uhr: „Uns eint die Liebe zum Buch“. Jüdische Verleger in Leipzig – Dialogführung. Dr. Johanna Sänger und Dr. Andrea Lorz laden zum gemeinsamen Rundgang und Ausstellungsbesprechung ein. Dauer: 45 min. Anzahl der Teilnehmer begrenzt (entsprechend Corona-Schutzverordnung).

Anmeldung erforderlich stadtmuseum@leipzig.de oder 0341.9651340

Dienstag, 29. Juni, 15.00 Uhr: „Uns eint die Liebe zum Buch“ – Kurzführung und Buchvorstellung. Beim Gang durch die Studioausstellung „Uns eint die Liebe zum Buch. Jüdische Verleger in Leipzig“ führt Dr. Andrea Lorz in das Thema ein. Im Anschluss stellen Herausgeberin und Autor/-innen das gleichnamige Buch zur Ausstellung vor und besprechen ausgewählte Positionen gemeinsam mit den Gästen. Moderation Dr. Johanna Sänger.

Dauer: 1,5 h, Anzahl der Teilnehmer begrenzt (entsprechend Corona-Schutzverordnung)
Anmeldung erforderlich stadtmuseum@leipzig.de oder 0341.9651340

Samstag, 3. Juli, 11.00 Uhr: „Uns eint die Liebe zum Buch“ – Dialogführung. In der Dialogführung von Dr. Andrea Lorz und Dr. Johanna Sänger gehen die Gäste den Spuren des jüdischen Lebens in der Ständigen Ausstellung im Alten Rathaus nach. Anschließend widmen sie sich im geführten Rundgang durch die Studioausstellung „Uns eint die Liebe zum Buch“ jüdischen Verlegern und ihrem Wirken in Leipzig seit dem 19. Jahrhundert.

Ort: Altes Rathaus, 2. OG, Markt 1, Dauer: 1,5 h. Anzahl der Teilnehmer begrenzt (entsprechend Corona-Schutzverordnung) vorherige Anmeldung unter Tel.: 0341-9651340 oder stadtmuseum@leipzig.de erforderlich.

Samstag, 3. Juli, 17.00 Uhr: Auf den Spuren jüdischer Verleger in Leipzig – Geführte Radtour und szenische Lesung. Auf Erkundungstour jüdischen Lebens, insbesondere jüdischer Verleger, geht es bei der geführten Radtour. An etwa fünf Stationen, u. a. mit Brühl, Sternwartenstraße, Talstraße und Querstraße erwarten die Gäste neben allerlei Informationen und historischem Bild, v. a. auch kurzweilige szenische Lesungen aus den Werken der hier entstandenen Werke. – Etwa 20 Minuten rasten wir pro Standort. Die reine Fahrzeit beträgt weniger als eine Stunde. Wir halten uns innenstadtnah auf. Ende der Tour ist am Täubchenweg. Bitte bringen Sie ihr eigenes Rad mit.

Treffpunkt: Haus Böttchergäßchen, Böttchergäßchen 3. Dauer: etwa 2,5 h. Preis: 5 Euro pro Person. Anzahl der Teilnehmer begrenzt (entsprechend Corona-Schutzverordnung) vorherige Anmeldung unter Tel.: 0341 9651340 oder stadtmuseum@leipzig.de erforderlich.

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