Es gibt allerlei Relikte, die in Leipzig ziemlich beziehungslos herumstehen. Man stolpert drüber, fragt sich, was das ist – und in der Regel steht es nicht dran. Und man ist ja sowieso schon verwirt, wenn man - wie Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKLA e.V. - immerfort auf Spurensuche ist nach Leipzigs Gewässer- und Auenlandschaften. Auch das ist ein reines Rätselspiel.
Wie jüngst erst wieder nach einem Grünen-Antrag erlebt. Die Grünen hatten beantragt, mit großen Info-Tafeln im Auenwald zu erklären, was dort gerade passiert, wenn wieder einmal ganze Waldstücke abgeholzt werden und Neuanpflanzungen passieren – oder auch nicht.
Im Auenwald überschneiden sich die Projekte. Der Stadtforst versucht, den völlig vertrockneten Auenwald durch gestaltende Eingriffe wieder stärker zum Femel- und Auenwald umzubauen, wie er klassisch in der Elsteraue zu finden war. Gleichzeitig versucht die Stadt mit mehreren Projekten, überhaupt wieder Wasser in den Auwald zu bekommen – die so wichtigen Überschwemmungen, die erst für die historische Pflanzenvielfalt sorgen.
Im Innenstadtbereich wird mit Millionenaufwand das alte Mühlgrabensystem wieder freigelegt. Das nächste Stück an der Thomasiusstraße soll ja ab Oktober geöffnet werden.
Womit wir schon fast am Rosental sind, wo Wolfgang Stoiber am Wochenende unterwegs war. Dort möchte Leipzigs Umweltamt ja künftig dauerhaft Informationstafeln zum Auenwald aufstellen. Obwohl der Nutzer sich fragt: Was hat das Rosental eigentlich noch mit dem Auenwald zu tun?
Es gibt kein Stück Auenwald, das seit dem Jahr 1707 derart rigide zu einem (trockenen) Landschaftspark umgestaltet wurde. So trocken, dass auf der Großen Wiese, die ab 1707 mitten in den bis dahin dort stehenden Wald geschlagen wurde, heute immer wieder diverse Open-Air-Konzerte stattfinden können. Nass wird man dabei in der Regel nur von oben.
Kleine Zwei-Personen-Theaterstücke hingegen sind nicht gewollt, konnte der NuKla e.V. jüngst feststellen, als man so eine neue Aktion für das Auenwald-Projekt dort durchführen wollte.
Auch deshalb stutzte Stoiber, als er am Wochenende einen großen Truck mit Film-Equipment auf der Wiese sah. Zum Film hat Leipzigs Verwaltung augenscheinlich ein anderes Verhältnis und lässt auch die schweren Trucks auf die Wiese, wenn nur im Hintergrund der Weisheitszahn mit ins Bild kommt. Oder ein erkennbares Stück des seinerzeit so konsequent in den Wald gehauenen Barockparks, der sich bei den Leipzigern schnell zum Ausflugsziel entwickelt hatte. Aber eigentlich fehlte ja in der Mitte das Schloss, das sich König August gewünscht hatte.
Dafür entstanden andere Ausflugsziele, die seinerzeit legendär waren: die Eisbude des Konditors G. F. Exter am Weg nach Gohlis von 1781 und Kintschys Schweizerhäuschen, das 1824 eröffnete. Anlass für die Stadt, den Park doch etwas gefälliger zu gestalten. Das tat ab 1837 der Stadtgärtner Rudolph Siebeck, der den Park im englischen Stil umformte. Das war dann auch die Zeit, in der so langsam die östlichen Strukturen des Waldstraßenviertels entstanden und mit den neu entstehenden Straßen auch neue Brücken über Elstermühlgraben und Pleißemühlgraben entstanden.
Pleißemühlgraben? Hier? Endet der nicht vorn am Ranstädter Steinweg?
Das ist auch noch so ein offenes Projekt und eine offene Frage: Sollte man nicht auch den Pleißemühlgraben in diesem Teil wieder öffnen? Denn bis 1950 führte der Pleißemühlgraben westlich des Naturkundemuseums weiter nach Norden. Man kann ihn ablaufen. Denn zwischen den Häusern an der Rosentalgasse und der Lortzingstraße gibt es etwas, was man so in ganz Leipzig nicht noch einmal findet: Hier versperren keine Hinterhöfe den Durchgang. Ein Weg führt mittendurch – öffentlich, für jeden nutzbar. Er führt über den 1950/1951 zugeschütteten Pleißemühlgraben, der bis zur Parthe im heutigen Zoogelände führte und erst dort mündete.
Nördlich der Humboldtstraße floss er direkt rechts der Rosentalgasse, die natürlich so heißt, weil sie zum Rosental führt. Und weil hier einst die Leipziger fröhlich drauflos wanderten ins Grüne.
Und dann kommt da dieses Ding, über das sich Wolfgang Stoiber ebenfalls wunderte, weil es da steht und nicht erzählt, was es ist. Es sieht aus wie der Rest eines Kriegerdenkmals. Ist aber keins. Ein Denkmal ist es schon irgendwie, aber nicht für Krieger, sondern für ein Bauwerk, das vorher hier gestanden hatte: das Rosental-Tor. Ende des 19. Jahrhunderts war es nicht nur schon recht in die Jahre gekommen, es störte auch beim Straßenbau. Deswegen wurde es 1892 durch einen 12 Meter hohen Fahnenmast ersetzt, an dessen Spitze ein goldener Löwe glänzt. Das Gitter drumherum lässt es wie ein unfertiges Denkmal aussehen. Fahnen hat hier schon seit Ewigkeiten niemand mehr gehisst. Und als Eintrittsportal ins Rosental funktioniert der Mast auf seiner Verkehrsinsel auch nicht. Denn gleich dahinter rast der Verkehr auf der Emil-Fuchs-Straße, die ja hier auch ein bisschen hügelig ist, weil sie eigentlich den einstigen Pleißemühlgraben quert.
Der hatte hier auch seit 1866 eine eigene Brücke: die Zöllnerbrücke. Denn damals hieß die Straße Zöllnerstraße, benannt nach dem berühmten Komponisten und Chorleiter, dessen Denkmal im Rosental steht. Wer weiß, wie gründlich 1950/1951 gearbeitet wurde. Wahrscheinlich stecken Ufermauern und Brückenfundamente alle noch im Erdreich und müssten bei Gelegenheit noch freigelegt werden.
Man darf sich also zu Recht wundern über diese hilflose Fahnenstange auf der grünen Insel.
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