"Rundfunkrat vertritt Interessen der Allgemeinheit", behauptet doch der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) feucht-frรถhlich auf seiner Website zum Rundfunkrat, der seit Kurzem wieder mal im Licht der ร–ffentlichkeit steht. Aber nicht durch besonders wirksame Arbeit. Sondern durch die offenkundig gewordene Tatsache, dass die Landesregierungen der drei zustรคndigen Bundeslรคnder sich mit Hรคnden und FรผรŸen gegen eine Reform strรคuben.

โ€œDer Rundfunkrat ist das oberste Beschlussorgan des MDR, das รผber Fragen von grundsรคtzlicher Bedeutung entscheidet. Die Mitglieder des Rundfunkrates vertreten dabei die Interessen der Allgemeinheit und sind nicht an Auftrรคge von Parteien oder Organisationen gebundenโ€, erklรคrt der MDR zur Funktion des Gremiums. Was schlicht falsch ist. Zwรถlf Mitglieder des Gremiums sind eindeutig parteilich gebunden und teilweise sogar direkt Mitglieder von Staatsregierungen.

Und selbst das Gruppenfoto macht รผberdeutlich, dass der MDR-Rundfunkrat ein Mรคnnergremium ist โ€“ mit vier Frauen als Alibi.

Und genau das kritisiert jetzt der Landesfrauenrat Sachsen. Die Neuwahl des Gremiums โ€“ noch nach dem alten, eigentlich nicht mehr gerichtsfesten Modus โ€“ steht an. Und es droht wieder das, was die Zusammensetzung des Gremiums in den vergangenen Jahren jedes Mal bestimmt hat: Eine Besetzung mit Mรคnnern, die sich aus diversen Gremien und Netzwerken schon bestens kennen und die in der Regel eines gar nicht vor haben: den MDR unabhรคngig zu kontrollieren. Dazu fehlt fast allen selbst die mindeste Kompetenz.

Was das Gremium noch suspekter macht, denn es soll ja auch kontrollieren, ob der MDR seinen รถffentlichen Auftrag erfรผllt. Zum Beispiel auch anhand des so genannten Drei-Stufen-Tests, mit dem geprรผft wird, ob ein Angebot zur Aufgabe des MDR gehรถrt oder nicht.

Die Kriterien sind windelweich: โ€œ1. inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedรผrfnissen der Gesellschaft entspricht,2. in welchem Umfang durch das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird, 3. welcher finanzielle Aufwand fรผr das Angebot erforderlich ist.โ€

Aber um selbst das einschรคtzen zu kรถnnen, lรคsst man sich Gutachten von auรŸerhalb erstellen. Es fehlt also unรผbersehbar fachliche Kompetenz in diesem Gremium. Es lรคsst aber auch genau das vermissen, was die รœberschrift behauptet: โ€œRundfunkrat vertritt Interessen der Allgemeinheitโ€. Es ist ein Mรคnnergesangsverein mit vier Frauen als Blume am Revers.

Der Journalistinnenbund e. V. hat die Zusammensetzung der Rundfunkrรคte aller รถffentlich rechtlichen Medienunternehmen untersucht. Insgesamt erreicht nur die Hรคlfte dieser Unternehmen eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent. Der NDR als seltene Ausnahme erreichte eine Quote von 51,7 % Frauenanteil, Radio Berlin-Brandenburg 33,3 %, weit abgeschlagen landete der MDR-Rundfunkrat auf dem letzten Platz. Von 43 Sitzen werden nur vier von Frauen besetzt.

Heidemarie Werner vertritt den Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt e. V., Dorothee Bodewein den Caritasverband Sachsen-Anhalt und Anne-Marie Keding die Landesregierung Sachsen-Anhalt, aus Thรผringen wurde Prof. Dr. Gabriele Schade vom Bund fรผr Umwelt und Naturschutz entsandt, die derzeit auch dem Gremium vorsitzt. Aus Sachsen ist keine einzige Frau in diesem Gremium vertreten.

Zusammensetzung und Kompetenzen des MDR-Rundfunkrates regelt der Staatsvertrag zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thรผringen. Paragraph 19 legt fest, dass neben Landesvertreter_innen von gesellschaftlich relevanten Gruppen, wie Glaubensgemeinschaften, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbรคnden, kommunalen Spitzenverbรคnden, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen und auch Parteien Mitglieder in den Rundfunkrat entsandt werden. Der Rundfunkrat entscheidet รผber die grundsรคtzliche Programmausrichtung und wรคhlt die Intendanz. Er entscheidet รผber Stellen- und Haushaltsplรคne und hat damit eine ganz wesentliche Funktion in der Medienlandschaft.

โ€œMit der vorliegenden massiven Unterreprรคsentanz von Frauen kรถnnen wichtige Gestaltungsmรถglichkeiten auf die Inhalte des Hรถrfunks, Fernsehens sowie Internetberichterstattung, aber auch auf Personalentscheidungen nicht wahrgenommen werden, dies zu Lasten der gesamten Gesellschaftโ€, kritisiert nun der Landesfrauenrat Sachsen die Zusammensetzung, die natรผrlich nichts damit zu tun hat, dass es nicht genug kompetente Frauen gebe. Die Zusammensetzung des Gremiums aber zeigt, dass die Entscheidungspositionen in Mitteldeutschland vor allem von Mรคnnervereinen in verschiedenster Form besetzt sind. Und Mรคnner bringen Mรคnner an die entscheidenden Schaltstellen.

Der Landesfrauenrat: โ€œDer MDR-Rundfunkrat kann mit einem Frauenanteil von 11,7 Prozent nicht den Anspruch erfรผllen, reprรคsentativ fรผr die Gesellschaft zu sein. Die Mรถglichkeit der Verรคnderung besteht jetzt, da im Herbst 2015 die beteiligten Organisationen erneut ihre Vertreterinnen und Vertreter fรผr die Besetzung des MDR-Rundfunkrates vorschlagen. Bisher belegt der MDR-Rundfunkrat im deutschlandweiten Vergleich den letzten Platz.โ€

โ€œArgumente wie: den Institutionen ist es nicht mรถglich, qualifizierte Frauen in Gremien zu entsenden, kรถnnen nicht akzeptiert werden. Der Landesfrauenrat Sachsen geht davon aus, dass dafรผr bei allen, nicht nur bei den sรคchsischen Organisationen, eine Vielzahl von geeigneten Kandidatinnen vorhanden sindโ€, erklรคrt dazu Susanne Kรถhler, Vorsitzende des Landesfrauenrats Sachsen e. V. โ€œIm รœbrigen gibt es keine Festlegung dahingehend, dass nur Personen aus Entscheidungsfunktionen in den Rundfunkrat entsendet werden sollten. Wichtig ist, dass fachlich qualifizierte Personen der jeweiligen Organisation im Rundfunkrat vertreten sind. Nur am Rande ist auch hier zu hinterfragen, warum in den jeweiligen Organisationen Frauen in den verschiedenen Funktionen unterreprรคsentiert sind.โ€

Der Landesfrauenrat Sachsen e. V. will sich ausdrรผcklich dafรผr einsetzen, dass mehr Frauen entsandt werden, denn die paritรคtische Besetzung dieses wichtigen Gremiums sei nicht nur ausschlaggebend fรผr die Qualitรคt und Vielfรคltigkeit der Arbeit, sondern eine grundlegende Entscheidung fรผr Geschlechtergerechtigkeit.

Klingt schรถn. Aber allein schon die Vorgabe des MDR-Staatsvertrages, welcher Verband, welche Kirche und welche Partei Vertreter entsenden dรผrfen, wird dafรผr sorgen, dass der Mรคnneranteil nicht wirklich sinkt. Der Altersdurchschnitt รผbrigens auch nicht.

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โ€œdeutschlandweit das absolute Schlusslichtโ€
Und nicht nur mit dem derzeitigen Frauenanteil!
In Selbstgefรคlligkeit haben sich die Herren des MDR unbemerkt ins Aus befรถrdert.
In aller Freundschaft sei mal erwรคhnt, sรผรŸe Tiere und/oder Sex, funktionieren alleine auch nicht wirklich.

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