Seit ein paar Monaten gehen die Akademiker aus dem Mittelbau der sächsischen Hochschulen an die Öffentlichkeit, schreiben Offene Briefe, veranstalten Demonstrationen. Sie haben die Nase voll von den herrschenden prekären Beschäftigungsverhältnissen, mit denen sie den Hochschulbetrieb am Laufen halten - ohne eine sichere Perspektive für die eigene wissenschaftliche Laufbahn zu haben. Zeit für eine Grünen-Anfrage an die zuständige Ministerin.
Gefragt hat Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. Geantwortet hat Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange (SPD). Und was die Ministerin als Antwort gab – mit umfangreichem Statistik-Anhang – das zeigt Maicher, dass die Zahl der nur befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter an Sachsens Hochschulen alarmierende Höhen erreicht hat.
“Die Situation für das wissenschaftliche Personal unserer Hochschulen ist dramatisch. Nicht einmal jeder zehnte wissenschaftliche Mitarbeiter an Universitäten und Fachhochschulen verfügt noch über einen unbefristeten Arbeitsvertrag”, stellt Claudia Maicher fest. “Dazu kommt, dass die Zahl der Kurzzeitverträge weiter zunimmt. Jeder fünfte befristete Arbeitsvertrag hat Laufzeiten von unter sechs Monaten. Wissenschaft lebt von neuen Ideen und Dynamik, aber diese Entwicklung ist alarmierend. Hier wird Unsicherheit und fehlende Perspektive zur Regel und der ‘Traumjob Wissenschaft’ zum Albtraum. Man muss die Nachwuchswissenschaftler für ihre Leidensfähigkeit bewundern, ein Erfolgsrezept für die Zukunft ist das nicht.”
Eine Statistik, die zu denken gibt. Die aber auch ihre Tücken hat. Denn die sächsische Statistik wird seit Jahren auch durch immer mehr studentische Hilfskräfte aufgebläht, die zunehmend Aufgaben im Lehrbetrieb übernehmen. Die sind logischerweise selten länger als sechs Monate befristet. Da aber die Statistik nicht zwischen ausgelernten Akademikern und noch Studierenden unterscheidet, steigt die Zahl der kurzzeitig Beschäftigten immer weiter.
Auf der anderen Seite kaschiert das natürlich auch die zunehmende Verlagerung von Aufgaben im Lehrbetrieb von hauptamtlich bestellten Professoren und Dozenten auf befristet beschäftigtes Personal, Folge einer über Jahre knapp gehaltenen Personaldecke bei zunehmenden Studierendenzahlen, verschärft noch durch die unbegründete Kürzungsanweisung für 1.042 Vollzeitstellen 2011 durch die damalige Wissenschaftsministerin.
So kann auch die auf den ersten Blick sehr detaillierte Statistik, die Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange ausgereicht hat, nicht wirklich erhellen, wer denn nun tatsächlich auf welche Weise im sächsischen Hochschulbetrieb beschäftigt ist und wer eigentlich als Teilzeitkraft essentielle Aufgaben von Dozenten und Professoren übernimmt. Eigentlich ein gewaltiges Aufräum-Vorhaben, das da auf dem Tisch der Wissenschaftsministerin liegt, die aber durch die rigiden Sparvorgaben aus dem Finanzministerium kaum Spielräume hat, die über Jahre aufgebaute Malaise zu bereinigen.
Einziger Hoffnungsschimmer derzeit: dass per Koalitionsvertrag zumindest der geplante Stellenabbau ab 2017 gestoppt ist. Aber das löst das existierende Dilemma der Hochschulen nicht, die schon aus finanziellen Zwängen seit Jahren dazu übergegangen sind, immer mehr Angebote mit befristeten Arbeitsverträgen abzudecken. Das reicht von den teilweise über 30 Prozent von zumeist studentischen Hilfskräften, die Verträge unterhalb von 6 Monaten bekommen, bis hin zu akademischen Lehrkräften, die für besondere Projekte über mehrere Jahre befristete Verträge erhalten.
“Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange hat bei der Vorstellung der 2. Sächsischen Absolventenstudie mehrmals betont, dass sie die Wirtschaft in der Pflicht sieht, attraktive Arbeitsbedingungen für die Absolventen zu schaffen, damit sie dem Freistaat erhalten bleiben”, kommentiert Claudia Maicher die Lage. “Ich fordere die Ministerin auf, das Gleiche für die Hochschulen in ihrer Verantwortung zu tun. Wir brauchen jetzt Mindeststandards für Arbeitsverhältnisse an unseren Hochschulen. Das schließt unbefristete Arbeitsverträge für Daueraufgaben ein. Die Laufzeit von Arbeitsverträgen bei Drittmittelprojekten muss an die des Projektes gekoppelt sein. Ohne finanzielle Untersetzung dieser Maßnahmen geht es nicht. Eine solide Grundfinanzierung der Hochschulen ist der entscheidende Schlüssel. Das hat meine Fraktion in den jüngsten Haushaltsverhandlungen gefordert. Wir werden auch weiterhin für eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der sächsischen Hochschulen streiten.”
Fazit: Das Dilemma im akademischen Lehrbetrieb ist noch längst nicht gelöst. Der Regierungswechsel hat bisher nur eine Verschlimmerung der Lage gestoppt. Allein die in den vergangenen Jahren eingerissenen Defizite zu bereinigen, braucht es auch eine finanzielle Kraftanstrengung.
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