Eigentlich wäre diese Art Forschung seit 30 Jahren fällig gewesen. Denn wer aus den fossilen Energien aussteigen will, muss wissen, wie eine postfossile Wirtschaft aussehen kann und aussehen muss. Aber diese Forschung für einen klima- und umweltgerechten Wandel in Sachsen beginnt erst. Die HTWK Leipzig bewirbt sich jetzt um ein neues Großforschungszentrum.

Unter dem Namen EARTH (Erde) soll dieses Forschungszentrum mit seinen Erkenntnissen Lösungen für einen klima- und umweltgerechten Wandel liefern und nachhaltige Arbeitsplätze schaffen. Und das möglichst mit der Wirtschaft in einem Boot.

Ein internationaler Verbund aus Spitzenforscherinnen und Spitzenforschern will künftig ingenieur- und naturwissenschaftliche sowie sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Expertise in diesem neuen Großforschungszentrum bündeln. In einem dezentralen Standortnetzwerk in Sachsen und Sachsen-Anhalt sollen die grenzübergreifenden Potenziale im gesamten Mitteldeutschen Revier voll ausgeschöpft werden.

EARTH steht abgekürzt für „Education, Application, Research und Transfer in einem Hub“ und führt damit Bildung, Anwendung, Forschung und Transfer in einem Zentrum zusammen. Mit dem Vorschlag bewirbt sich der Verbund bei dem Ideenwettbewerb „Wissen schafft Perspektive für die Region!“.

Das Forschungszentrum für das mitteldeutsche Revier

Hintergrund ist das am 14. August 2020 als Strukturhilfemaßnahme für die durch den Kohleausstieg betroffenen Reviere und Standorte in Kraft getretene „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ (StStG). Um neue Perspektiven für die Kohleregionen zu schaffen, sieht das StStG in § 17 Ziffer 29 die „Gründung je eines neuen institutionell geförderten Großforschungszentrums nach Helmholtz oder vergleichbaren Bedingungen in der sächsischen Lausitz und im mitteldeutschen Revier auf Grundlage eines Wettbewerbsverfahrens“ vor.

EARTH wäre damit ein Forschungsverbund direkt für das Mitteldeutsche Braunkohlerevier.

Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) jedenfalls sieht in dem Wettbewerb Chancen für eine neue Gründerzeit im Freistaat. Kurz nach der Einigung zum Kohleausstieg sagte er am 16. Januar 2020 in Görlitz: „Man darf nicht klein denken bei diesem Prozess, wir müssen groß denken. Wir haben jetzt die Chance, Dinge zu tun, die bisher nicht möglich sind“. Das soll nach dem willen der Bewerbergemeinschaft EARTH leisten.

Der Bund und der Freistaat Sachsen haben den Wettbewerb „Wissen schafft Perspektive für die Region!“ gemeinsam ausgelobt. Sie stellen künftig eine Förderung von bis zu 340 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht. Mit dem Geld sollen im Mitteldeutschen Revier und in der Lausitz zwei neue Großforschungszentren angesiedelt werden. Die eingesetzte Perspektivkommission soll im dritten Quartal 2021 bis zu drei Vorschläge pro Region auswählen. Nach einer halbjährigen Förderphase entscheiden Bund und Freistaat gemeinsam, welche beiden Konzepte den endgültigen Zuschlag erhalten.

Als energie- und umwelttechnischer Exzellenzträger soll das geplante Zentrum gemeinsam mit den besten Köpfen der Welt zu strategisch relevanten Themen in den Fachgebieten Energietechnik sowie Klima- und Umweltschutz forschen. Der Verbund nutzt nach eigener Darstellung europaweit einmalige Standortvorteile aus, um wegweisende grüne Technologien und Landnutzungskonzepte im realen Maßstab zu erproben.

Prof. Markus Krabbes, Professor für Informationssysteme der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig), betont als einer von vier Sprecherinnen und Sprechern des Projekts: „Wir sehen in diesen Themen einen jahrzehntelangen Wachstumsmotor und einen wichtigen Beitrag für die technologische Souveränität Deutschlands und Europas.“

EARTH solle zukünftig neue Wege einer strukturellen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gehen – und böte damit ein attraktives Umfeld, um innovative Zweige der Hightech-Industrie und Start-ups anzusiedeln.

Beschleunigter Wissenstransfer gegen den Klimawandel

Ein ungebremster Klimawandel hätte katastrophale Folgen. Darin sind sich alle Beteiligten einig. Deshalb will der Verbund dazu beitragen, klima- und umweltgerechte Lösungen flächendeckend schneller umzusetzen. EARTH werde sich dazu eng mit regionalen und überregionalen Unternehmen vernetzen und innovative Formate für eine verstärkte gesellschaftliche Teilhabe schaffen.

Prof. Astrid Lorenz, Dekanin der Fakultät Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig, erklärt dazu: „Selbst die besten technologischen Innovationen sind nutzlos, wenn sie gesellschaftliche Spaltungen vorantreiben oder nicht von den Menschen angenommen werden.“

EARTH soll deshalb sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Expertise verbinden, um wegweisende Teilhabe- und Management-Strategien zu entwickeln. „Damit wollen wir weltweit Unternehmen, Kommunen und Länder darin unterstützen, den lokalen Wandel maßgeschneidert zu gestalten und zu begleiten“, betont Lorenz.

Mit der EARTH-Mission soll das Mitteldeutsche Revier zu einer international ausstrahlenden Modell- und Laborregion für eine klima- und umweltgerechte Transformation werden.

Zu den beteiligten wissenschaftliche Einrichtungen gehören: HTWK Leipzig, Universität Leipzig, Hochschule Anhalt, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Deutsches Biomasseforschungszentrum, European Center for Power Electronics, Naturkundemuseum Leipzig, u. a.

Als Wirtschaftspartner mit im Boot: Unternehmerverband Sachsen, Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft mbH (MIBRAG), Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG), MOVE ON Energy GmbH, Siemens AG, OPAL-RT Germany GmbH, m3 management consulting GmbH (msg Gruppe), u. a.

Und eine eigene Homepage hat EARTH auch schon.

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