Einer der schönsten Sätze in Christian Stöckers Essay steht auf Seite 111: „Es ist den Propagandisten der Fossilbranche gemeinsam mit den Verbündeten und Handlangern in der Politik gelungen, die Liebe zum Verbrennen und die Ablehnung Erneuerbarer Energien zu einem Aspekt konservativer Stammesidentität zu machen.“ Und es gibt noch viel mehr treffende Sätze in diesem Buch, das anschaulich erklärt, warum wir die Klimakurve nicht kriegen. Und nicht kriegen sollen.

Aber dazu muss man journalistisch denken. Und hinter die Kulissen schauen. So, wie es Christian Stöcker lange Jahre als Wissenschaftsredakteur beim „Spiegel“ getan hat. Heute leitet er den Masterstudiengang Digitale Kommunikation an der HAW Hamburg, schreibt aber trotzdem noch wöchentlich eine Kolumne im „Spiegel“, in der die Klimakrise eine zentrale Rolle spielt.

Die eben auch eine politische Krise ist. Und wenn man Stöckers bissigen Essay gelesen hat, weiß man, warum Populisten in der ganzen westlichen Welt Aufwind haben, wer sie finanziert und warum selbst Politiker konservativer Parteien reihenweise umfallen, Blödsinn reden und die falschen Argumente der fossilen Riesenunternehmen nachplappern, als hätten sie darüber tatsächlich auch nur eine Minute nachgedacht.

Wer profitiert da eigentlich?

Wer journalistisch denkt, weiß, dass es in einer vom Kapital getriebenen Welt immer um Geld geht. Denn mit Geld kann man alles kaufen. Mit viel Geld kauft man sich auch Politik und Politiker. Und die riesigen Konzerne der Fossilwirtschaft haben mit dem Verkauf und dem Verbrennen von Öl, Gas und Kohle in den vergangenen Jahrzehnten Milliarden verdient.

Milliarden, die sie natürlich auch einsetzen, um die Öffentlichkeit zu verunsichern und ihre alten, die Welt zerstörenden Geschäftsfelder mit aller Macht zu verteidigen. Dafür kaufen sie sich nicht nur Politiker und Parteien, dafür sind sie auch bereit, die Demokratie zu zerstören.

Denn sie wissen, dass ihr Geschäft enden muss. Und zwar viel früher, als sie wollen. Aber sie sind nicht bereit, auf ihre riesigen Gewinne zu verzichten.

Sie agieren wie seinerzeit die Tabakindustrie: Sie wissen zwar um die verheerenden Folgen des in die Atmosphäre gepusteten CO₂, aber sie leugnen es, verharmlosen es, stecken riesige Geldmengen in Thinktanks, Fake-Institute, Agenturen und Lobbyvereine, die rund um die Uhr nichts anderes zu tun haben, als die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse zum Klimawandel infrage zu stellen und gleichzeitig den Leuten einzureden, dass alternative Energien nicht bezahlbar wären, nicht leistungsfähig genug. Sie popularisieren seit Jahren das Bild einer von fossilen Energieträgern befeuerten Welt, in der Wohlstand und Sicherheit nur mit Verbrennern zu haben ist.

Und darin sind sie sich auch einig mit all den Staaten, deren Wirtschaft vor allem auf dem Export von fossilen Brennstoffen basiert. Und da wird es spannend, menschlich und männlich. Denn es ist kein Zufall, dass diese Öl- und Gasstaaten durch die Bank Diktaturen sind, in denen Männer – und zwar ausschließlich Männer – das Sagen haben, ob nun in Russland, Aserbaidschan, Saudi-Arabien, Iran oder Irak. Es ist – so Stöcker – kein Zufall, dass hier veraltete Männerbilder aus patriarchalischen Vorzeiten und das verbissene Festhalten an Verbrennern zusammenkommen.

Verunsicherte Manns-Bilder

Sie sind nicht nur die „Profiteure der Katastrophe“, wie Stöcker feststellt. Sie profitieren auch von der Verunsicherung vieler Männer in den hochkomplexen Gesellschaften unserer Gegenwart, in denen die alten, patriarchalischen Selbstverständlichkeiten infrage gestellt werden von lauter bisher nur als schwach gesehenen Gruppen wie Frauen, Farbigen, queeren Menschen, Migranten usw.

Auf einmal ist der Mann nicht mehr automatisch Herr im Haus, sondern muss Rechte und Persönlichkeit seiner Mitmenschen respektieren lernen. Das überfordert viele Männer. Oder vielleicht auch nur: Es fordert etwas von ihnen. Doch das wollen sie nicht geben. Und so flüchten sie sich nicht nur in Bewegungen mit Ansichten von vor 100 Jahren, sie umgeben sich auch mit Symbolen männlicher Macht. Und dazu gehören Verbrenner aller Art – vorneweg immer größere und dreckigere Autos.

Eine Symbiose, die sich in dem Wort Petro-Maskulkinität zusammenfindet. Hier begegnen sich Aspekte von Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Klimawandelleugnung. Oft verbunden mit einem Machbarkeitswahn, der selbst mitten in der sich zuspitzenden Krise noch behauptet, irgendwelche Männer würden schon noch im letzten Moment irgendeine geniale Technologie erfinden, mit der sich die Menschheit dann noch retten kann.

Und zwar möglichst mit Gas, Öl, gern auch Kernkraft. Hauptsache das Ding hat richtig Wumms und macht Krach, stinkt und sorgt für Hitze. „Fossile Brennstoffe tragen auch dazu bei, Identitäten zu formen, was für eine Energiepolitik, die auf Kohlenstoff verzichten will, Risiken birgt“, schreibt Cara Daggett, die den Begriff Petro-Maskulinität geformt hat.

Ein ganzes Kapitel widmet Stöcker dieser psychologischen Seite im Umgang mit Verbrennermaschinen, an die dann Werbung und Lobbyismus problemlos andocken können. Und das auch schon längst getan haben. Und zwar schon vor Jahren. Weitere Kapitel widmet er der Untersuchung, wie diese Konzerne und all ihre im Lauf der Zeit geschaffenen Lobbyorganisationen es geschafft haben, das Denken der Öffentlichkeit über Klimawandel, alternative Energien und den Ausstieg aus den Fossilen zu verzerren, Falschbehauptungen so in die Köpfe zu trichtern, dass die Leute tatsächlich glauben, dass es stimmt.

16 wertvolle Jahre vertrödelt

Falschbehauptungen, die auch in der deutschen Politik den Ton angeben. Und das, obwohl bei jeder Umfrage eine riesige Mehrheit der Deutschen sagt, dass sie sich vorm Klimawandel fürchten und wollen, dass gegengesteuert wird. Aber stattdessen diskutiert die ganze mediale Öffentlichkeit über die Fehler und das Unvermögen der Ampel. Auch der „Spiegel“ – mit Lust an der Zerstörung. Anders kann man das nicht mehr bezeichnen.

Wobei Stöcker die deutsche Klimapolitik nur zu genau kennt. Jahrelang hat er jeden einzelnen Fortschritt beobachtet – aber auch jeden orchestrierten Versuch, jeden Fortschritt auszuhebeln und zu verzögern. Und natürlich kommen da die vier Bundesregierungen, denen Angela Merkel (CDU) vorstand, nicht gut weg.

Denn diese vier Regierungen haben die einst von der Welt bestaunte Energiewende in Deutschland mit allen bürokratischen Finessen ausgebremst und torpediert. Stöcker nennt Namen und Daten. Und erwähnt ganz und gar nicht nebenbei auch die zehntausenden Arbeitsplätze in der einstmals führenden deutschen Solarindustrie und der Windkraftindustrie, die mit jeder dieser Herumpfuschereien am EEG und der Genehmigungspraxis verloren gingen.

Die 16 Merkel-Jahre waren verlorene Jahre. Im doppelten Sinn, denn gleichzeitig verstärkte die deutsche Regierung in dieser Zeit die Abhängigkeit Deutschlands von einem russischen Autokraten, der mit dem Verkauf von Öl und Erdgas auch seine Diktatur am Leben erhält. Und der genau weiß, dass Russland in dem Moment am Arsch ist, in dem niemand mehr Gas und Erdöl kauft.

Auch deshalb führt er Krieg und versucht mit allen Mitteln, den Westen zu destabilisieren. Und dazu gehört – ganz im Eigeninteresse – auch die Propaganda gegen Erneuerbare Energien und alle Politiker und Parteien, die ernsthaft daran denken, endlich wegzukommen vom Verbrennen der Welt.

Dass die Argumente der russischen Desinformationen so verblüffend etlichen Parteiprogrammen von AfD bis BSW ähneln, hat schon seine Gründe. Die einen sind mittlerweile nachweislich gekauft (und haben sich nur zu gern kaufen lassen) und die anderen plappern gutgläubig nach. Hofft man zumindest, dass sie es gutgläubig tun.

Argumente direkt aus der Konzern-Lobby

Dass die Leichtgläubigen nicht nur am Rand des politischen Spektrums wachsen, macht Stöcker dann exemplarisch am Beispiel FDP deutlich, mit der eine Partei Teil der deutschen Ampelregierung ist, die immer radikaler den fossilen Kurs fehlt und mit dem Heizungsgesetz 2023 ein Thema gefunden hat, mit dem sie die komplette Regierungspolitik zum medialen Zirkusthema gemacht hat – und (mit Hilfe der Boulevardpresse) den Deutschen auch noch eingeredet hat, der Einbau einer neuen Gasheizung sei jetzt eine famose Idee.

Aber im falschen Glauben an die Zukunft von Verbrennern ist sich ja die FDP eins mit CDU und CSU, deren Spitzenvertreter nicht müde werden, mit männlicher Empörung über die Ampel herzuziehen und jede Entwicklung bei den Erneuerbaren Energien zu verteufeln.

Stöcker zeigt, wie sehr dabei die im deutschen Diskurs verwendeten Argumente den Vorlagen aus den us-amerikanischen Agenturen ähneln, die dort seit Jahren das Argumentationsmaterial für die konservative Politik liefern. Und er zeigt natürlich auch, welche Männer eigentlich dahinterstecken. Da und dort mit dem zwinkernden Hinweis, dass manche Verschwörung, die wie eine aussieht, auch tatsächlich eine ist.

Man muss nur wissen, wer dabei eigentlich (und tatsächlich) profitiert und wer dabei wen finanziert. Und da landet man ganz zwangsläufig bei Leuten wie dem amerikanischen Fossil-Milliardär Charles Koch, der gleich mehrere einflussreiche Institute gegründet hart, die Politik und Gesellschaft mit falschen Argumenten gegen Erneuerbare Energie beliefern und den Leuten einreden, die Fakten zum Klimawandel seien strittig, das sei bloßer „Klima-Alarmismus“. Und der gefährde nun den mit fossiler Energie befeuerten Wohlstand.

Und Stöcker lässt natürlich auch nicht weg, wie deutsche Fossil-Konzerne all ihren Einfluss nutzen, um sich Politiker willfährig zu machen, die Energiewende zu entkernen und sich noch einmal fette Milliardensubventionen aus dem Steuertopf zu sichern.

Sachsen kommt da natürlich auch vor. Und ihre Lobby-Vereine – wie die INSM – unterhalten sie ja auch und schmeißen viel Geld in die Wahlkkämpfe, um zu verhindern, dass Deutschland tatsächlich einmal eine Regierung bekommt, die die Energiewende auf die Spur bringt.

Fossile Profite

Geschafft haben es die Lobbyisten der Fossil-Wirtschaft jedenfalls, dass Deutschland 16 wertvolle Jahre verloren hat. Andere Länder ziehen längst davon. Denn während Politiker aus dem fossilen Lager den Leuten immer noch einreden, mit den Erneuerbaren Energien könne Deutschland nicht mehr funktionieren, ziehen andere Länder davon – China voran, wo man längst begriffen hat, dass auch das Riesenreich der Mitte in die Katastrophe segelt, wenn es nicht schleunigst auf klimaneutrale Energie umsattelt.

Weshalb auch die „Freundschaft“ zu Putin sehr verhalten ist. China wird nicht das Land sein, das Putin sein Erdgas und Erdöl abkauft, wenn er es anderswo nicht mehr loswird.

Und auch die USA erleben gerade einen riesigen Schub bei den Erneuerbaren, stellt Stöcker fest, der eben nicht nur die Berichterstattung im kleinen deutschen Tümpel wahrnimmt, sondern auch die Meldungen aus englischsprachigen Medien. Da sieht das deutsche Gezeter dann schnell ziemlich provinziell aus.

Auch wenn es natürlich Teil der in der ganzen westlichen Welt mittlerweile implantierten Irreführung ist, bei der es vordergründig um seltsame Dinge wie „woke“, gendern, Multikulti oder Migration geht, tatsächlich aber um knallharte Profitinteressen einer Gruppe schwerreicher Männer, die mit ihrem Geld tatsächlich alles kaufen können, was sie wollen. Auch Politiker und Parteien, die dann eine Politik machen, die völlig dem zuwiderläuft, was die Wählerinnen und Wähler eigentlich wollen.

Unserer Zukunft auf diesem Planeten sowieso, denn das Zeitfenster, in dem wir die schlimmsten Folgen der Klimaerhitzung noch verhindern können, schließt sich immer schneller. Und irgendwann kommt der Tag, da werden alle jammern: „Ach, hätten wir nur …“

Aber da hat man stattdessen lieber Parteien gewählt, die den Klimawandel verharmlosten, fossile Technologien feierten und den Leuten einredeten, ohne Verbrennung der Welt gäbe es keinen Wohlstand.

Ein streitbares Buch, das aber genau die Mechanismen offenlegt, die nicht nur einer abgewirtschafteten Fossilwirtschaft noch immer die Profite sichern, sondern inzwischen auch unsere Demokratie bedrohen, weil den Männern dahinter nur eins wichtig ist: ihr hochbsubventionierter Profit.

Christian Stöcker Männer, die die Welt verbrennen Ullstein, Berlin 2024, 22,99 Euro.

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