Am Ende sind die Nachkommenden froh, wenn es einst einen Maler gab, der die Stadt gemalt hat in ihrer einstigen Schönheit. Seine Bilder erzählen von einer vergangenen Zeit. Man kann Ausstellungen damit bestücken und die Besucher staunen. So geht es den Torgauern mit dem Maler Emil Laube, dessen Werk seit 2019 zum Bestand des Stadtmuseums gehört. Mit diesem Buch legt der Torgauer Geschichtsvereine auch eine Art Biografie des Malers vor.
Die gleichzeitig auch die Vollendung eines Werks ist, das der Museologe Hans-Jürgen Moltrecht begonnen hat, Enkel des 1939 verstorbenen Malers, der sich zeitlebens um Bewahrung und Katalogisierung des überlieferten Bilderbestandes seines Großvaters bemüht hat. Zuletzt setzte er sich noch daran, die Biografie Emil Laubes zusammenzutragen und die Grundlagen für dieses Buch zu schaffen. Aber der Tod riss ihn mitten aus der Arbeit. Seine Frau Christel und Tochter Elke haben dann die Endredaktion für das Buch übernommen, das nun auch vielen Menschen außerhalb Torgaus diesen begabten Maler nahebringt.
Einen Maler, dem ganz und gar nicht in die Wiege gelegt war, dass er sein Talent einmal wirklich ausleben konnte. Ein Talent, das schon sein Zeichenlehrer wahrnahm und das auch Pfarrer Emil Herrmann zu würdigen wusste, der den Jungen aus Süptitz förderte. Laube war der Sohn des Süptitzer Gastwirts Johann Traugott Laube, der dort den Gasthof „Zieten aus dem Busch“ betrieb, einen von drei Gasthöfen in dem kleinen Ort, sodass der Vater dem Sohn nicht wirklich ein vollwertiges Studium an der Kunstakademie in Dresden finanzieren konnte.
Wo Laube angenommen wurde, nachdem eine Anfrage an der Berliner Kunstakademie abschlägig beschieden worden war. Und auch das Dresdner Studium war nur zu Ende zu bringen mit finanzieller Unterstützung von Leuten, die Laubes Malerei zu schätzen wussten.
Wenn die Bilder selbst erzählen müssen
In Torgau versuchte er sich dann eine Existenz als freischaffender Maler aufzubauen. Was nicht ganz gelang, denn die Zeiten, als die betuchten Bürger sich bei einem Maler Porträts bestellten, weil nur so ihr Bildnis lebensnah an die nachfolgenden Generationen überliefert werden konnte, gingen genau in den Jahren zu Ende, als Laube versuchte, als Maler Tritt zu fassen. Die aufkommende Fotografie entzog diesem Metier völlig die Grundlage. Mit der Konsequenz, dass Laube gezwungen war, sich parallel ein kleines Handelsgeschäft aufzubauen, in dem er auch seine Bilder verkaufte.
Vor allem Torgauer Stadtansichten, die auch von den in Torgau stationierten Offizieren gern gekauft wurden. Unverwechselbare Erinnerungsstücke an die Garnisonsstadt mit ihrem markanten Schloss Hartenstein. Wahrscheinlich sind da draußen in der Welt noch hunderte Aquarelle von Emil Laube in Familienbesitz, von denen man in Torgau nichts weiß. Hans-Jürgen Moltrecht war beim Schreiben der kleinen Biografie sehr wohl bewusst, dass das Werk seines Großvaters nicht vollständig vorliegt.
Andererseits erzählen auch die hunderte Bilder aus Familienbesitz, die wundersamerweise die Jahrzehnte überstanden haben, eine Menge über das Schaffen des Mannes, der seinen Ruhm als Maler gar nicht in der großen weiten Welt suchen wollte.
Trotzdem war er kein Provinzmaler, auch wenn viele seiner Arbeiten den Autor an längst vergangene Kunstepochen wie das Biedermeier und die Zeit der Nazarener erinnerten. Aber auch die vielen nicht nur als Illustration mit in diesen Band aufgenommenen Reproduktionen zeigen, dass Laube die Kunstentwicklung seiner Zeit sehr wohl wahrnahm und rezipierte.
Auch wenn etwas ganz Wichtiges fehlt: persönliche Briefe und Tagebuchaufzeichnungen von Laube selbst. So eine Bescheidenheit kann die Nachwelt richtig auf die Palme bringen. Wie soll man die Sicht des Künstlers eigentlich erfassen, wenn er praktisch nichts Persönliches dazu überliefert hat? Nur eine Sammlung von Zeitungsausschnitten, in denen seine Bilder und Ausstellungen erwähnt werden. Und ein paar Vorträge im Torgauer Altertumsverein, aus denen man wenigstens das starke Geschichtsinteresse Laubes herauslesen kann.
Spätromantiker? Impressionist?
Alles andere muss man in seinen Bildern suchen. Und findet auch einiges – so seine unübersehbare Verehrung für die großen Landschaftsmaler der Romantik. Die Anklänge an Caspar David Friedrich sind unübersehbar. Moltrecht ordnet seinen Großvater deshalb auch gleich mal als Spätromantiker ein, obwohl gerade Laubes Landschaftsbilder aus seinem Heimatdorf Süptitz auch von seiner durchaus wahrnehmbaren Auseinandersetzung mit dem Impressionismus erzählen, der zu seiner Zeit aus Frankreich kommend auch so langsam die Wahrnehmung des deutschen Kunstmarktes auf sich zog.
Und bekannt ist zumindest auch ein Aufenthalt in Worpswede – zwei entsprechend ausgezeichnete Bilder erzählen davon. Nur wann er dort war, hat auch Moltrecht nicht herausbekommen. Aber allein schon die Bilder erzählen davon, dass Laube sich im beschaulichen Torgau, das er 1892 zu seinem Wirkungsort machte, ganz und gar nicht einigelte, sondern die Kunstströmungen seine Zeit sehr wohl wahrnahm. Und vor allem malerische Innovationen, die seinen Landschaften mehr Wucht und Tiefe gaben, nur zu gern berücksichtigte.
Dass er spätere Kunstströmungen dann nicht mehr übernahm, ist dann eigentlich keine Überraschung. Künstler gehen in der Regel nicht jede Mode mit, sondern suchen die ihnen gemäße Sprache in der bildlichen Darstellung. Wobei auch hier wieder Laubes Stimme fehlt: Wie hat er selbst darüber gedacht? Hat ihn das explosive Kunstgeschehen nach 1900 überhaupt noch interessiert?
Oder sah er sich selbst eher als Vertreter einer alten Schule, dem es vollauf genug war, für seine Malerei den Respekt seiner Nachbarn zu bekommen? Und in Malkursen anderen beizubringen, wie man malerische Wirkungen erzielen kann?
Das Wahrnehmen der Landschaft
Und dazu kommt ja auch noch das Rasen der Zeit. Die Welt, die man in seinen Bildern sieht, ist die beinah noch beschauliche Welt des 19. Jahrhunderts. Manche Bilder erzählen geradezu von ländlicher Idylle und der Stille einer Landschaft, die von den Gewittern der Geschichte bislang verschont ist. Abgesehen von den diversen Schlachten, die hier in der Vergangenheit tobten – darunter auch die Schlacht von Torgau im Siebenjährigen Krieg, die auf den Süptitzer Höhen stattfand und in welcher der preußische Husarengeneral Hans Joachim von Zieten durch sein vorzeitiges Vorpreschen fast zur Niederlage Friedrichs II. von Preußen beigetragen hätte.
Am Ende gewannen die Preußen diese letzte Schlacht des Siebenjährigen Krieges. Und das Ereignis wurde im Namen des Gasthofes „Zieten aus dem Busch“ zur großen Erinnerung. Laube malte wohl auch mindestens zwei große Bilder für den Gasthof, die das Ereignis von 1760 illustrierten.
450 Bilder aus Laubes Nachlass hat das Stadt- und Kulturgeschichtliche Museum Torgau nun in seinem Fundus. Wobei am Ende tatsächlich die Frage offen bleibt, wie vollständig diese Sammlung ist, die vor allem die Bestände umfasst, die Emil Laube selbst aufbewahrt hat. Was in der Welt verstreut ist, ist eher unbekannt.
Aber was man stellvertretend in diesem Buch findet, erzählt von einem Künstler, der ganz und gar nicht in berühmte Malerregionen wie die Sächsische Schweiz oder die Alpen reisen musste, um die faszinierende Schönheit der Landschaft zu entdecken, denn die fand er direkt vor seiner Haustür – in seinem Heimatdorf Süptitz genauso wie in den Elbwiesen bei Torgau. Man muss nicht in die Ferne reisen, um die Faszination der Natur zu entdecken.
Die Entdeckung der lebendigen Landschaft
Vielleicht hatte Emil Laube auch deshalb kein Bedürfnis, über Torgau hinaus wirksam zu werden. Im genügte dieser Ort, weil er alles bot, was er an landschaftlicher Kulisse und lichtdurchfluteter Inszenierung brauchte. Ganz ähnlich, wie es im Grunde zeitgleich dem Maler Paul Müller-Kaempf mit der wilden Landschaft auf Ahrenshoop ging. Was eben auch immer eine Entdeckung bedeutet – die simple Entdeckung, dass wir die Schönheit unserer Welt auch in unserer direkten Umgebung entdecken können, wenn wir uns nur einmal die Ruhe nehmen, um sie auch wahrzunehmen.
Was ein sehr zentrales Element gerade in der Malerei des 19. Jahrhunderts war, die ja die Landschaft als malerisches Motiv erst richtig entdeckte. Wohl auch genau deshalb, weil die unverbaute Landschaft mit der zunehmenden Industrialisierung vor den Augen der Zeitgenossen verschwand. Die Romantiker waren nur eben die ersten, die diese innige Beziehung der Menschen zu ihrer Landschaft ausdrucksstark in Szene setzten.
Und so wirken die meisten Bilder von Emil Laube auch nicht veraltet, sondern so lebendig wie an dem Tag, als er in roter Farbe seinen Namen darunter setzte – als Zeichen, dass er das Bild für gültig erklärte, weil es das zeigte, was er mit seiner Malerei ausdrücken wollte.
Dieses Buch aus der Reihe „Kleine Schriften des Torgauer Geschichtsvereins“ lädt geradezu dazu ein, diesen Maler kennenzulernen, dem ganz offensichtlich nicht viel daran lag, sich auf die großen Schlachten der Kunstwelt einzulassen.
Hans-Jürgen Moltrecht „Emil Laube. Leben und Werk des Torgauer Malers“, Sax-Verlag, Beucha und Markkleeberg 2023, 9,80 Euro.
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